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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Diplomatenschule.

die Mehrzahl ihrer diplomatischen Posten mit Leuten von vornehmer Herkunft.
Die Sache hat auch, wie die Dinge liegen, manches für sich. Busch sagt, gewiß auf
Grund guter Beobachtung (Vgl. Unser Reichskanzler Bd. 1, S. 227): "Ein
hoher Rang von Geburt aus kann dabei nicht schaden, und kann man gar An¬
gehörige fürstlicher Familien für den diplomatischen Dienst gewinnen, so hat
das nicht unerhebliche Vorteile, immer vorausgesetzt, daß auch solche Persönlich¬
keiten Disziplin halten und sich dem Willen ihres Ministers unter allen Um¬
ständen anbequemen. Die Erziehung, die der bemittelte Adel genießt, eignet sich,
was man auch gegen sie vorgebracht hat, unzweifelhaft besser für die höfischen
Kreise, in welchen der Gesandte zu leben und zu wirken berufen ist, als diejenige,
die den Kindern und den halbwüchsigen Söhnen des Bürgerstandes zuteil wird,
und ein Botschafter aus dem kleinsten souveränen Hause Mrinz Neuß?^ wird
selbst dem Kaiser von Nußland bis zu einem gewissen Maße als seinesgleichen
erscheinen und vertrauter mit ihm Verkehren, ihn leichter für die ihm gewordenen
Aufträge gewinnen können als ein andrer; an Durchlauchten, welche einen Staat
am Hofe von Emporkömmlingen wie Napoleon und Eugenie vertreten, garnicht
einmal zu denken."

Nicht immer begründete das Geschlecht bei der Wahl von Gesandten ein
Hindernis; Alt führt mehrere Beispiele an, wo Frauen in aller Form diplomatische
Aufträge bekamen und besorgten oder doch zu besorgen versuchten. Abgesehen
von den Sabinerinnen der mythischen Zeit, welche den Abschluß des Friedens
mit den Römern vermittelten, und der von Veturia und Volumnia geführten
Matronengesandtschaft des römischen Senats an die unter Coriolan heranrückenden
Volsker, sowie von den Vestalinnen, die von Vitellius an Antonius abgeordnet
wurden, weist die neuere Geschichte mehrere Fälle auf, wo Frauen diplomatische
Missionen übertragen wurden. So schickte der Schah von Persien auf Anraten
Heinrichs des Vierten von Frankreich eine schöne Dame mit Aufträgen an den
Sultan in Stambul, und so sandte, wie Mably berichtet, Ludwig der Vierzehnte
Fräulein von Kerroual "mit ihren großen Augen, ihrem kleinen Munde und
ihrer zierlichen Taille" an den Londoner Hof, um mit Karl dem Zweiten zu
verhandeln. In gewissem Sinne gehört auch die Sendung der Gräfin Aurora
von Königsmark an Karl den Zwölften hierher, bei der sie allerdings keine
Kreditive mit bekam, und die von vornherein mißglückte, indem die schöne
Maitresse Augusts des Starken es mit allen ihren Bemühungen nicht zu einer
Unterredung mit dem ungalanter Könige von Schweden brachte. Unzweifelhaft
ist dagegen als eine Gesandte die Witwe des Marschalls Jean Baptiste de
Budes, Graf Guebriant, aufzufassen, welche 1643 bei Gelegenheit der Ver¬
mählung der Prinzessin Luise Marie Gonzaga von Mantua, einer Adoptiv-
tochter Ludwigs des Vierzehnten, mit dem Könige Wladislaw dem Vierten als
celui)As8ÄäricZ6 nach Polen ging und ihrem Auftrage mit der erforderlichen Ge-
schicklichkeit nachkam. Damen aber, welche, obwohl ohne amtliche Stellung,


Aus der Diplomatenschule.

die Mehrzahl ihrer diplomatischen Posten mit Leuten von vornehmer Herkunft.
Die Sache hat auch, wie die Dinge liegen, manches für sich. Busch sagt, gewiß auf
Grund guter Beobachtung (Vgl. Unser Reichskanzler Bd. 1, S. 227): „Ein
hoher Rang von Geburt aus kann dabei nicht schaden, und kann man gar An¬
gehörige fürstlicher Familien für den diplomatischen Dienst gewinnen, so hat
das nicht unerhebliche Vorteile, immer vorausgesetzt, daß auch solche Persönlich¬
keiten Disziplin halten und sich dem Willen ihres Ministers unter allen Um¬
ständen anbequemen. Die Erziehung, die der bemittelte Adel genießt, eignet sich,
was man auch gegen sie vorgebracht hat, unzweifelhaft besser für die höfischen
Kreise, in welchen der Gesandte zu leben und zu wirken berufen ist, als diejenige,
die den Kindern und den halbwüchsigen Söhnen des Bürgerstandes zuteil wird,
und ein Botschafter aus dem kleinsten souveränen Hause Mrinz Neuß?^ wird
selbst dem Kaiser von Nußland bis zu einem gewissen Maße als seinesgleichen
erscheinen und vertrauter mit ihm Verkehren, ihn leichter für die ihm gewordenen
Aufträge gewinnen können als ein andrer; an Durchlauchten, welche einen Staat
am Hofe von Emporkömmlingen wie Napoleon und Eugenie vertreten, garnicht
einmal zu denken."

Nicht immer begründete das Geschlecht bei der Wahl von Gesandten ein
Hindernis; Alt führt mehrere Beispiele an, wo Frauen in aller Form diplomatische
Aufträge bekamen und besorgten oder doch zu besorgen versuchten. Abgesehen
von den Sabinerinnen der mythischen Zeit, welche den Abschluß des Friedens
mit den Römern vermittelten, und der von Veturia und Volumnia geführten
Matronengesandtschaft des römischen Senats an die unter Coriolan heranrückenden
Volsker, sowie von den Vestalinnen, die von Vitellius an Antonius abgeordnet
wurden, weist die neuere Geschichte mehrere Fälle auf, wo Frauen diplomatische
Missionen übertragen wurden. So schickte der Schah von Persien auf Anraten
Heinrichs des Vierten von Frankreich eine schöne Dame mit Aufträgen an den
Sultan in Stambul, und so sandte, wie Mably berichtet, Ludwig der Vierzehnte
Fräulein von Kerroual „mit ihren großen Augen, ihrem kleinen Munde und
ihrer zierlichen Taille" an den Londoner Hof, um mit Karl dem Zweiten zu
verhandeln. In gewissem Sinne gehört auch die Sendung der Gräfin Aurora
von Königsmark an Karl den Zwölften hierher, bei der sie allerdings keine
Kreditive mit bekam, und die von vornherein mißglückte, indem die schöne
Maitresse Augusts des Starken es mit allen ihren Bemühungen nicht zu einer
Unterredung mit dem ungalanter Könige von Schweden brachte. Unzweifelhaft
ist dagegen als eine Gesandte die Witwe des Marschalls Jean Baptiste de
Budes, Graf Guebriant, aufzufassen, welche 1643 bei Gelegenheit der Ver¬
mählung der Prinzessin Luise Marie Gonzaga von Mantua, einer Adoptiv-
tochter Ludwigs des Vierzehnten, mit dem Könige Wladislaw dem Vierten als
celui)As8ÄäricZ6 nach Polen ging und ihrem Auftrage mit der erforderlichen Ge-
schicklichkeit nachkam. Damen aber, welche, obwohl ohne amtliche Stellung,


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[0454] Aus der Diplomatenschule. die Mehrzahl ihrer diplomatischen Posten mit Leuten von vornehmer Herkunft. Die Sache hat auch, wie die Dinge liegen, manches für sich. Busch sagt, gewiß auf Grund guter Beobachtung (Vgl. Unser Reichskanzler Bd. 1, S. 227): „Ein hoher Rang von Geburt aus kann dabei nicht schaden, und kann man gar An¬ gehörige fürstlicher Familien für den diplomatischen Dienst gewinnen, so hat das nicht unerhebliche Vorteile, immer vorausgesetzt, daß auch solche Persönlich¬ keiten Disziplin halten und sich dem Willen ihres Ministers unter allen Um¬ ständen anbequemen. Die Erziehung, die der bemittelte Adel genießt, eignet sich, was man auch gegen sie vorgebracht hat, unzweifelhaft besser für die höfischen Kreise, in welchen der Gesandte zu leben und zu wirken berufen ist, als diejenige, die den Kindern und den halbwüchsigen Söhnen des Bürgerstandes zuteil wird, und ein Botschafter aus dem kleinsten souveränen Hause Mrinz Neuß?^ wird selbst dem Kaiser von Nußland bis zu einem gewissen Maße als seinesgleichen erscheinen und vertrauter mit ihm Verkehren, ihn leichter für die ihm gewordenen Aufträge gewinnen können als ein andrer; an Durchlauchten, welche einen Staat am Hofe von Emporkömmlingen wie Napoleon und Eugenie vertreten, garnicht einmal zu denken." Nicht immer begründete das Geschlecht bei der Wahl von Gesandten ein Hindernis; Alt führt mehrere Beispiele an, wo Frauen in aller Form diplomatische Aufträge bekamen und besorgten oder doch zu besorgen versuchten. Abgesehen von den Sabinerinnen der mythischen Zeit, welche den Abschluß des Friedens mit den Römern vermittelten, und der von Veturia und Volumnia geführten Matronengesandtschaft des römischen Senats an die unter Coriolan heranrückenden Volsker, sowie von den Vestalinnen, die von Vitellius an Antonius abgeordnet wurden, weist die neuere Geschichte mehrere Fälle auf, wo Frauen diplomatische Missionen übertragen wurden. So schickte der Schah von Persien auf Anraten Heinrichs des Vierten von Frankreich eine schöne Dame mit Aufträgen an den Sultan in Stambul, und so sandte, wie Mably berichtet, Ludwig der Vierzehnte Fräulein von Kerroual „mit ihren großen Augen, ihrem kleinen Munde und ihrer zierlichen Taille" an den Londoner Hof, um mit Karl dem Zweiten zu verhandeln. In gewissem Sinne gehört auch die Sendung der Gräfin Aurora von Königsmark an Karl den Zwölften hierher, bei der sie allerdings keine Kreditive mit bekam, und die von vornherein mißglückte, indem die schöne Maitresse Augusts des Starken es mit allen ihren Bemühungen nicht zu einer Unterredung mit dem ungalanter Könige von Schweden brachte. Unzweifelhaft ist dagegen als eine Gesandte die Witwe des Marschalls Jean Baptiste de Budes, Graf Guebriant, aufzufassen, welche 1643 bei Gelegenheit der Ver¬ mählung der Prinzessin Luise Marie Gonzaga von Mantua, einer Adoptiv- tochter Ludwigs des Vierzehnten, mit dem Könige Wladislaw dem Vierten als celui)As8ÄäricZ6 nach Polen ging und ihrem Auftrage mit der erforderlichen Ge- schicklichkeit nachkam. Damen aber, welche, obwohl ohne amtliche Stellung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/454>, abgerufen am 29.12.2024.