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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Venezianer zu Hause.

Barken begleiteten. Darauf kam das Meßopfer, und der Priester, der die
Messe sang, ging zum Dogen, und dieser opferte eine Münze, welche er in ein
Taschentuch eingebunden hielt. Als die Monstranz erhoben wurde, standen
wenige auf, die guten ehrfurchtsvoll, die andern nicht, Gott verzeih's ihnen.
Dann wurde der Segen gespendet und damit die Messe beendet." Nach der
Rückfahrt machte ein Mahl den Beschluß der ganzen Feier.

Feierliche Aufzüge verherrlichten auch den Einzug der Dogaressa in deu
Dogcupalast. Der Bucintoro holte sie ab und führte sie den Großen Kanal
hinab nach San Marco. In prachtvoll verzierten und geschmückten Gondeln
folgten die Mitglieder der Zünfte. War sie gelandet, so begab sie sich nach
der Markuskirche, begleitet vou einem Gefolge zahlreicher Edelfrauen, Rats¬
mitgliedern, Prokuratoren, Sekretären und von einer großen Anzahl von Pagen
und Knappen, welche Banner und Standarten aus Goldstoff trugen und auf
Pfeifen und silbernen Trompeten bliesen. Dem schlössen sich in ihren farben¬
bunten Trachten die Zünfte mit ihren Bannern und Abzeichen an, jede geführt
von ihren Gastalden und Stabträgern. Unter dem Portale der Markuskirche
wurde die Fürstin vou den Domherren mit Rauchfässern, versilberten Kerzen,
Kreuzen und allem Apparat empfangen. Nach Beendigung der religiösen Zere¬
monie betrat sie den Dogenpalast. Dort hatten die Zünfte die Zimmer pracht¬
voll ausgeschmückt mit allem, was ihr Gewerbe treffliches lieferte; sie boten
der Fürstin eine splendide Kollation an und brachten ihre Glückwunsche dar.
Beim Abschied dankte ihnen der Doge und reichte ihnen die Hand zum Kuß.

Ähnlicher oder noch größerer Glanz ward aufgeboten, wenn fremde Fürsten
die Lagunenstadt besuchten. Wir wollen zunächst die Schilderung herausgreifen,
die ein Augenzeuge von dem Einzuge des Herzogs Alfons II. von Ferrara im
Jahre 1562 entwirft. Er fuhr, geleitet von der Signoria, den Kanal herauf,
nach seinem dort gelegenen Palaste, der später zum "Türkischen Kanfhanse"
wurde lind jetzt, stattlich restciurirt, das uinsvo vivioo birgt. "Es war ein vor¬
nehmes und anmutiges Schauspiel, die Fenster der vielen Paläste längs des
Großen Kanals zu sehen, die alle mit den feinsten Teppichen bedeckt und mit
den schönsten Frauen und Männern von Distinktion besetzt waren, welche mit
vieler Freude der Ankunft des Herrn zusahen. Außerdem waren zahllose Gon¬
deln in Bewegung, gefüllt mit vornehmen Herren und Damen, Männern und
Kindern, ebenso Brigantium und Barken, die auf dem Kanal ans- und nieder¬
fuhren, indem sie ihre Frende in mannichfacher Weise bezeugten. Ihre Menge
war so groß, daß, indem oft das eine an das andre stieß und drängte, mehrere
Fahrzeuge sanken. Auch die freien Plätze und Landungsstellen der Fähren,
deren es an diesem Kanäle viele giebt, waren so gedrängt voll Menschen, daß
kein Apfel zur Erde konnte ^wörtlich: kein Weizenkorn^. Darauf landete der
Herzog vor seinem Paläste, wo sich eine Brücke von fünfzig Fuß Länge und
zwanzig Fuß Breite befand. Die Thüren und Fenster des Palastes schmückten


Die Venezianer zu Hause.

Barken begleiteten. Darauf kam das Meßopfer, und der Priester, der die
Messe sang, ging zum Dogen, und dieser opferte eine Münze, welche er in ein
Taschentuch eingebunden hielt. Als die Monstranz erhoben wurde, standen
wenige auf, die guten ehrfurchtsvoll, die andern nicht, Gott verzeih's ihnen.
Dann wurde der Segen gespendet und damit die Messe beendet." Nach der
Rückfahrt machte ein Mahl den Beschluß der ganzen Feier.

Feierliche Aufzüge verherrlichten auch den Einzug der Dogaressa in deu
Dogcupalast. Der Bucintoro holte sie ab und führte sie den Großen Kanal
hinab nach San Marco. In prachtvoll verzierten und geschmückten Gondeln
folgten die Mitglieder der Zünfte. War sie gelandet, so begab sie sich nach
der Markuskirche, begleitet vou einem Gefolge zahlreicher Edelfrauen, Rats¬
mitgliedern, Prokuratoren, Sekretären und von einer großen Anzahl von Pagen
und Knappen, welche Banner und Standarten aus Goldstoff trugen und auf
Pfeifen und silbernen Trompeten bliesen. Dem schlössen sich in ihren farben¬
bunten Trachten die Zünfte mit ihren Bannern und Abzeichen an, jede geführt
von ihren Gastalden und Stabträgern. Unter dem Portale der Markuskirche
wurde die Fürstin vou den Domherren mit Rauchfässern, versilberten Kerzen,
Kreuzen und allem Apparat empfangen. Nach Beendigung der religiösen Zere¬
monie betrat sie den Dogenpalast. Dort hatten die Zünfte die Zimmer pracht¬
voll ausgeschmückt mit allem, was ihr Gewerbe treffliches lieferte; sie boten
der Fürstin eine splendide Kollation an und brachten ihre Glückwunsche dar.
Beim Abschied dankte ihnen der Doge und reichte ihnen die Hand zum Kuß.

Ähnlicher oder noch größerer Glanz ward aufgeboten, wenn fremde Fürsten
die Lagunenstadt besuchten. Wir wollen zunächst die Schilderung herausgreifen,
die ein Augenzeuge von dem Einzuge des Herzogs Alfons II. von Ferrara im
Jahre 1562 entwirft. Er fuhr, geleitet von der Signoria, den Kanal herauf,
nach seinem dort gelegenen Palaste, der später zum „Türkischen Kanfhanse"
wurde lind jetzt, stattlich restciurirt, das uinsvo vivioo birgt. „Es war ein vor¬
nehmes und anmutiges Schauspiel, die Fenster der vielen Paläste längs des
Großen Kanals zu sehen, die alle mit den feinsten Teppichen bedeckt und mit
den schönsten Frauen und Männern von Distinktion besetzt waren, welche mit
vieler Freude der Ankunft des Herrn zusahen. Außerdem waren zahllose Gon¬
deln in Bewegung, gefüllt mit vornehmen Herren und Damen, Männern und
Kindern, ebenso Brigantium und Barken, die auf dem Kanal ans- und nieder¬
fuhren, indem sie ihre Frende in mannichfacher Weise bezeugten. Ihre Menge
war so groß, daß, indem oft das eine an das andre stieß und drängte, mehrere
Fahrzeuge sanken. Auch die freien Plätze und Landungsstellen der Fähren,
deren es an diesem Kanäle viele giebt, waren so gedrängt voll Menschen, daß
kein Apfel zur Erde konnte ^wörtlich: kein Weizenkorn^. Darauf landete der
Herzog vor seinem Paläste, wo sich eine Brücke von fünfzig Fuß Länge und
zwanzig Fuß Breite befand. Die Thüren und Fenster des Palastes schmückten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/380>, abgerufen am 29.12.2024.