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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Vie Venezianer zu Hause.

Leben der Stadt sich zu entziehen, die literarischen Freunde: die Manutius,
Giambattistci Ramusio, Navagero, Sansovino, Trifone Gabriello, der das ihm
angetragene Patriarchat und das Bistum Treviso ausschlug, weil er seine
Gärten und Villen nicht missen konnte, und leider auch Aretino. Unter dem
Schatten der Lauben, inmitten des heitern Lichtes, das auf den Wassern der
Lagune zitterte, mit dem Blick auf Venedig, das im Hintergrunde leuchtete,
lasen diese Gelehrten die griechischen und lateinischen Autoren und sprachen
über Kunst und Wissenschaft. Gärten und Parks bildeten natürlich auch die
stete Umgebung der Villen auf dem Festlande. Angelo Pcmdolfini hat das
Muster eines ländlichen Haushalts aufgestellt, Francesco Doni ausführlich über
Bau und Anlage von Villen gehandelt. Berühmt waren die Villa Barbaro
in Maser, die Palladio baute und Paul Veronese ausmalte, die Villa Morostni
in Noale, die des Federigo Priuli, nicht minder Park und Villa zu Asolo, wo
Katherina Cornaro ihren cyprischen Königstraum weiterträumen konnte. Eine
großartige Gastfreundschaft versammelte in solchen Landsitzen oft zahlreiche
Freunde des Besitzers zu geistig angeregter, heiterer Geselligkeit.

Auf dem Lande konnte der Nobile auch die Freuden der Jagd genießen.
Es wimmelte von Wasservögeln in den sumpfigen Waldinseln der Lagunen,
zwischen die der Jäger auf kleinen Barken (llsolMö) drang; wer ernsteres be¬
gehrte, zog mit großem Gefolge in die Thäler und Ebenen um Treviso, auf
die weiten Flüchen von Padua, in die Wälder um Vicenza und in die Berge
Jstriens. Hirsche und Wildschweine wurden hier in Menge erlegt, ihre Geweihe
und Hauer prangten dann als Trophäen über der Thür.

Indes von den Gärten und Villen zog es den Venezianer doch immer
wieder zurück nach den Freuden seiner Lagunenstadt. Denn am meisten kam
doch das Wesen dieser vornehmen Gesellschaft, die alle dem gleichmäßigen Zwange
der Sitte unterwarf und ein Hervortreten des Einzelnen fast ebensowenig ge¬
stattete wie der Staat, dort zur Erscheinung, wo sie sich in größern Vereinigungen
versammelte, bei den öffentlichen Festen. So groß war ihre Bedeutung für
das gesellige Leben, daß seit 1400 eine besondre, sehr ausgedehnte Genossenschaft
junger Edelleute und Bürger zu ihrer Veranstaltung sich bildete, die ooinx^ni
ästig, oalizg,, wörtlich die Strumpsgenossen, so genannt, weil sie als Abzeichen
einen buntgestreiften Seidenstrumpf am rechten Beine trugen, dazu auf den
Kniehosen den Wahlspruch in farbiger Stickerei. Sie zerfielen in sechzehn Ab¬
teilungen mit besondern Führern (03x0), und in besondre Farben gekleidet. In
ihrer knappen, farbenbunten, goldgestickten Tracht aus den kostbarsten Stoffen
boten die Genossen an sich schon einen phantastisch-prächtigen Anblick und
wurden die unentbehrlichen Leiter und Veranstalter aller irgendwie öffentlichen
Feste. Nur als Teil derselben erscheinen bis in die zweite Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts hinein theatralische Vorstellungen, denn das erste feste Theater
erbaute erst im Jahre 1565 Palladio im Hofe des Klosters Santa Maria


Vie Venezianer zu Hause.

Leben der Stadt sich zu entziehen, die literarischen Freunde: die Manutius,
Giambattistci Ramusio, Navagero, Sansovino, Trifone Gabriello, der das ihm
angetragene Patriarchat und das Bistum Treviso ausschlug, weil er seine
Gärten und Villen nicht missen konnte, und leider auch Aretino. Unter dem
Schatten der Lauben, inmitten des heitern Lichtes, das auf den Wassern der
Lagune zitterte, mit dem Blick auf Venedig, das im Hintergrunde leuchtete,
lasen diese Gelehrten die griechischen und lateinischen Autoren und sprachen
über Kunst und Wissenschaft. Gärten und Parks bildeten natürlich auch die
stete Umgebung der Villen auf dem Festlande. Angelo Pcmdolfini hat das
Muster eines ländlichen Haushalts aufgestellt, Francesco Doni ausführlich über
Bau und Anlage von Villen gehandelt. Berühmt waren die Villa Barbaro
in Maser, die Palladio baute und Paul Veronese ausmalte, die Villa Morostni
in Noale, die des Federigo Priuli, nicht minder Park und Villa zu Asolo, wo
Katherina Cornaro ihren cyprischen Königstraum weiterträumen konnte. Eine
großartige Gastfreundschaft versammelte in solchen Landsitzen oft zahlreiche
Freunde des Besitzers zu geistig angeregter, heiterer Geselligkeit.

Auf dem Lande konnte der Nobile auch die Freuden der Jagd genießen.
Es wimmelte von Wasservögeln in den sumpfigen Waldinseln der Lagunen,
zwischen die der Jäger auf kleinen Barken (llsolMö) drang; wer ernsteres be¬
gehrte, zog mit großem Gefolge in die Thäler und Ebenen um Treviso, auf
die weiten Flüchen von Padua, in die Wälder um Vicenza und in die Berge
Jstriens. Hirsche und Wildschweine wurden hier in Menge erlegt, ihre Geweihe
und Hauer prangten dann als Trophäen über der Thür.

Indes von den Gärten und Villen zog es den Venezianer doch immer
wieder zurück nach den Freuden seiner Lagunenstadt. Denn am meisten kam
doch das Wesen dieser vornehmen Gesellschaft, die alle dem gleichmäßigen Zwange
der Sitte unterwarf und ein Hervortreten des Einzelnen fast ebensowenig ge¬
stattete wie der Staat, dort zur Erscheinung, wo sie sich in größern Vereinigungen
versammelte, bei den öffentlichen Festen. So groß war ihre Bedeutung für
das gesellige Leben, daß seit 1400 eine besondre, sehr ausgedehnte Genossenschaft
junger Edelleute und Bürger zu ihrer Veranstaltung sich bildete, die ooinx^ni
ästig, oalizg,, wörtlich die Strumpsgenossen, so genannt, weil sie als Abzeichen
einen buntgestreiften Seidenstrumpf am rechten Beine trugen, dazu auf den
Kniehosen den Wahlspruch in farbiger Stickerei. Sie zerfielen in sechzehn Ab¬
teilungen mit besondern Führern (03x0), und in besondre Farben gekleidet. In
ihrer knappen, farbenbunten, goldgestickten Tracht aus den kostbarsten Stoffen
boten die Genossen an sich schon einen phantastisch-prächtigen Anblick und
wurden die unentbehrlichen Leiter und Veranstalter aller irgendwie öffentlichen
Feste. Nur als Teil derselben erscheinen bis in die zweite Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts hinein theatralische Vorstellungen, denn das erste feste Theater
erbaute erst im Jahre 1565 Palladio im Hofe des Klosters Santa Maria


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[0376] Vie Venezianer zu Hause. Leben der Stadt sich zu entziehen, die literarischen Freunde: die Manutius, Giambattistci Ramusio, Navagero, Sansovino, Trifone Gabriello, der das ihm angetragene Patriarchat und das Bistum Treviso ausschlug, weil er seine Gärten und Villen nicht missen konnte, und leider auch Aretino. Unter dem Schatten der Lauben, inmitten des heitern Lichtes, das auf den Wassern der Lagune zitterte, mit dem Blick auf Venedig, das im Hintergrunde leuchtete, lasen diese Gelehrten die griechischen und lateinischen Autoren und sprachen über Kunst und Wissenschaft. Gärten und Parks bildeten natürlich auch die stete Umgebung der Villen auf dem Festlande. Angelo Pcmdolfini hat das Muster eines ländlichen Haushalts aufgestellt, Francesco Doni ausführlich über Bau und Anlage von Villen gehandelt. Berühmt waren die Villa Barbaro in Maser, die Palladio baute und Paul Veronese ausmalte, die Villa Morostni in Noale, die des Federigo Priuli, nicht minder Park und Villa zu Asolo, wo Katherina Cornaro ihren cyprischen Königstraum weiterträumen konnte. Eine großartige Gastfreundschaft versammelte in solchen Landsitzen oft zahlreiche Freunde des Besitzers zu geistig angeregter, heiterer Geselligkeit. Auf dem Lande konnte der Nobile auch die Freuden der Jagd genießen. Es wimmelte von Wasservögeln in den sumpfigen Waldinseln der Lagunen, zwischen die der Jäger auf kleinen Barken (llsolMö) drang; wer ernsteres be¬ gehrte, zog mit großem Gefolge in die Thäler und Ebenen um Treviso, auf die weiten Flüchen von Padua, in die Wälder um Vicenza und in die Berge Jstriens. Hirsche und Wildschweine wurden hier in Menge erlegt, ihre Geweihe und Hauer prangten dann als Trophäen über der Thür. Indes von den Gärten und Villen zog es den Venezianer doch immer wieder zurück nach den Freuden seiner Lagunenstadt. Denn am meisten kam doch das Wesen dieser vornehmen Gesellschaft, die alle dem gleichmäßigen Zwange der Sitte unterwarf und ein Hervortreten des Einzelnen fast ebensowenig ge¬ stattete wie der Staat, dort zur Erscheinung, wo sie sich in größern Vereinigungen versammelte, bei den öffentlichen Festen. So groß war ihre Bedeutung für das gesellige Leben, daß seit 1400 eine besondre, sehr ausgedehnte Genossenschaft junger Edelleute und Bürger zu ihrer Veranstaltung sich bildete, die ooinx^ni ästig, oalizg,, wörtlich die Strumpsgenossen, so genannt, weil sie als Abzeichen einen buntgestreiften Seidenstrumpf am rechten Beine trugen, dazu auf den Kniehosen den Wahlspruch in farbiger Stickerei. Sie zerfielen in sechzehn Ab¬ teilungen mit besondern Führern (03x0), und in besondre Farben gekleidet. In ihrer knappen, farbenbunten, goldgestickten Tracht aus den kostbarsten Stoffen boten die Genossen an sich schon einen phantastisch-prächtigen Anblick und wurden die unentbehrlichen Leiter und Veranstalter aller irgendwie öffentlichen Feste. Nur als Teil derselben erscheinen bis in die zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts hinein theatralische Vorstellungen, denn das erste feste Theater erbaute erst im Jahre 1565 Palladio im Hofe des Klosters Santa Maria

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/376>, abgerufen am 29.12.2024.