Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Pfisters Mühle. Asche, du weißt es hoffentlich, an was und an wen wir uns zu halten Liegt durchaus uicht in meiner Absicht. Weniger weil, sondern obgleich Wir stellten das Mikroskop in die wenigen hellen Stunden des ersten Christ¬ Wie ich es mir gedacht habe, was das interessante Geschlecht der Algen Das weiß der liebe Gott! ächzte mein Vater. Jawohl, groß ist sein Tiergarten, meinte ruhig Adam Asche. Was die Pfisters Mühle. Asche, du weißt es hoffentlich, an was und an wen wir uns zu halten Liegt durchaus uicht in meiner Absicht. Weniger weil, sondern obgleich Wir stellten das Mikroskop in die wenigen hellen Stunden des ersten Christ¬ Wie ich es mir gedacht habe, was das interessante Geschlecht der Algen Das weiß der liebe Gott! ächzte mein Vater. Jawohl, groß ist sein Tiergarten, meinte ruhig Adam Asche. Was die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157269"/> <fw type="header" place="top"> Pfisters Mühle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1192"> Asche, du weißt es hoffentlich, an was und an wen wir uns zu halten<lb/> haben? rief ich. Ich bitte dich, Adam, treibe keinen Spaß zur unrechten Zeit,<lb/> flüsterte ich ihm zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1193"> Liegt durchaus uicht in meiner Absicht. Weniger weil, sondern obgleich<lb/> ich der Sohn eines Schönfärbers bin, meinte der Doktor mit der vollen Ruhe<lb/> und Gelassenheit des Mannes der Wissenschaft, des an ein Krankenbett ge¬<lb/> rufenen sichern Operators. Das Ding kommt mir viel zu gelegen, um es scherz¬<lb/> haft aufzufassen. Vater Pfister, vielleicht hätten Sie mich nicht gerufen und<lb/> zum Christbaum eingeladen, wen» Sie eine Ahnung davon hätten, wie sehr ich<lb/> Partei bin diesen trüben Wellen und kuriosen Düften gegenüber. Aber ich habe<lb/> Pfisters Mühle viel zu lieb, um uicht völlig objektiv meine Meinung über ihr<lb/> Wohl und Wehe begründen zu können. Augenblicklich erkenne ich in der That<lb/> eine beträchtliche Ablagerung niederer, pflanzlicher Gebilde, worüber das Weitere<lb/> im Verlaufe der Festtage das Vergrößerungsglas ergeben wird. Pilzmassen<lb/> mit Algen überzogen und durchwachsen, lehrt die wissenschaftliche Erfahrung.<lb/> Aber was für Pilze und welche Algen bei gegebener Verunreinigung der Adern<lb/> unsrer gemeinsamen Mutter? Das herauszukriegen im eignen industriellen<lb/> Interesse würde dann wohl meine Weihnachtsbescheerung sein, mein Sohn<lb/> Eberhard!</p><lb/> <p xml:id="ID_1194"> Wir stellten das Mikroskop in die wenigen hellen Stunden des ersten Christ¬<lb/> tages, und der Doktor begab sich an die genauere Untersuchung des Unflath<lb/> mit der Hingebung, welche Vater Pfister aus früherem schöneren Verkehr mit<lb/> der UnivmÄtÄS littsiAruin, nur als „Biereifer" bezeichnen konnte. Und begreif¬<lb/> licherweise thaten Vater Pfister und sein Stammhalter nicht das Geringste,<lb/> diesen Eifer zu dämpfen. Sie hielten sogar die Stubenthür verriegelt und saßen<lb/> stumm, mit den Händen auf den Knieen, und hielten dann und wann sogar<lb/> den Atem an, wenn der Mann der Wissenschaft zu einem neuen Resultate ge¬<lb/> langt war und uns daran teilnehmen ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_1195"> Wie ich es mir gedacht habe, was das interessante Geschlecht der Algen<lb/> anbetrifft, meistens kieselschalige Diatomeen. Gattungen Melosira, Encyonema,<lb/> Navicula und Pleurosigma. Hier auch eine Zygnemaeee. Nichtwahr, Meister,<lb/> die Namen allein genügen schon, um ein Mühlrad anzuhalten?</p><lb/> <p xml:id="ID_1196"> Das weiß der liebe Gott! ächzte mein Vater.</p><lb/> <p xml:id="ID_1197" next="#ID_1198"> Jawohl, groß ist sein Tiergarten, meinte ruhig Adam Asche. Was die<lb/> Pilze betrifft, so kann ich leider nicht umhin, Ihnen mitzuteilen, daß sie den<lb/> Geruch, über den Sie sich beklagen, Vater Pfister, durch ihre Angehörigkeit zu<lb/> den Saprophyten, auf deutsch: Fäulnisbcwohnern, vollkommen rechtfertigen.<lb/> Was wollen Sie denn eigentlich, alter Schoppenwirt? Ein ewig Kommen und<lb/> ein ewig Gehen! Haben die Familien Schulze, Meier und so weiter den Ver¬<lb/> kehr in Pfisters Mühle eingestellt, so haben Sie dafür die Familien der Schizo-<lb/> myceten und Saprolignaceen in fröhlichster Menge, sämtlich mit der löblichen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0344]
Pfisters Mühle.
Asche, du weißt es hoffentlich, an was und an wen wir uns zu halten
haben? rief ich. Ich bitte dich, Adam, treibe keinen Spaß zur unrechten Zeit,
flüsterte ich ihm zu.
Liegt durchaus uicht in meiner Absicht. Weniger weil, sondern obgleich
ich der Sohn eines Schönfärbers bin, meinte der Doktor mit der vollen Ruhe
und Gelassenheit des Mannes der Wissenschaft, des an ein Krankenbett ge¬
rufenen sichern Operators. Das Ding kommt mir viel zu gelegen, um es scherz¬
haft aufzufassen. Vater Pfister, vielleicht hätten Sie mich nicht gerufen und
zum Christbaum eingeladen, wen» Sie eine Ahnung davon hätten, wie sehr ich
Partei bin diesen trüben Wellen und kuriosen Düften gegenüber. Aber ich habe
Pfisters Mühle viel zu lieb, um uicht völlig objektiv meine Meinung über ihr
Wohl und Wehe begründen zu können. Augenblicklich erkenne ich in der That
eine beträchtliche Ablagerung niederer, pflanzlicher Gebilde, worüber das Weitere
im Verlaufe der Festtage das Vergrößerungsglas ergeben wird. Pilzmassen
mit Algen überzogen und durchwachsen, lehrt die wissenschaftliche Erfahrung.
Aber was für Pilze und welche Algen bei gegebener Verunreinigung der Adern
unsrer gemeinsamen Mutter? Das herauszukriegen im eignen industriellen
Interesse würde dann wohl meine Weihnachtsbescheerung sein, mein Sohn
Eberhard!
Wir stellten das Mikroskop in die wenigen hellen Stunden des ersten Christ¬
tages, und der Doktor begab sich an die genauere Untersuchung des Unflath
mit der Hingebung, welche Vater Pfister aus früherem schöneren Verkehr mit
der UnivmÄtÄS littsiAruin, nur als „Biereifer" bezeichnen konnte. Und begreif¬
licherweise thaten Vater Pfister und sein Stammhalter nicht das Geringste,
diesen Eifer zu dämpfen. Sie hielten sogar die Stubenthür verriegelt und saßen
stumm, mit den Händen auf den Knieen, und hielten dann und wann sogar
den Atem an, wenn der Mann der Wissenschaft zu einem neuen Resultate ge¬
langt war und uns daran teilnehmen ließ.
Wie ich es mir gedacht habe, was das interessante Geschlecht der Algen
anbetrifft, meistens kieselschalige Diatomeen. Gattungen Melosira, Encyonema,
Navicula und Pleurosigma. Hier auch eine Zygnemaeee. Nichtwahr, Meister,
die Namen allein genügen schon, um ein Mühlrad anzuhalten?
Das weiß der liebe Gott! ächzte mein Vater.
Jawohl, groß ist sein Tiergarten, meinte ruhig Adam Asche. Was die
Pilze betrifft, so kann ich leider nicht umhin, Ihnen mitzuteilen, daß sie den
Geruch, über den Sie sich beklagen, Vater Pfister, durch ihre Angehörigkeit zu
den Saprophyten, auf deutsch: Fäulnisbcwohnern, vollkommen rechtfertigen.
Was wollen Sie denn eigentlich, alter Schoppenwirt? Ein ewig Kommen und
ein ewig Gehen! Haben die Familien Schulze, Meier und so weiter den Ver¬
kehr in Pfisters Mühle eingestellt, so haben Sie dafür die Familien der Schizo-
myceten und Saprolignaceen in fröhlichster Menge, sämtlich mit der löblichen
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