Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Die Venezianer zu Hause. Balkon vor den luftigen Bögen abschließt, im Erdgeschoß die große Hausflur Die Venezianer zu Hause. Balkon vor den luftigen Bögen abschließt, im Erdgeschoß die große Hausflur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157261"/> <fw type="header" place="top"> Die Venezianer zu Hause.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1159" prev="#ID_1158" next="#ID_1160"> Balkon vor den luftigen Bögen abschließt, im Erdgeschoß die große Hausflur<lb/> (sntraäa), von Waffen und Trophäen geschmückt, weiter hinten der offene Hof<lb/> mit dem oft künstlerisch gestalteten Pozzo, von dem die Treppe aufwärts führt,<lb/> oft eine malerische Freitreppe, zur Seite der Hausflur die Magazine, im ersten<lb/> Stock neben dem Portego die Wohnräume der Herrschaft, im zweiten, der<lb/> etwas niedriger zu sein pflegt, die Schlafräume der Söhne und Töchter mit<lb/> der Küche. Die Dienerschaft wurde entweder in den Bodenräumen oder in<lb/> einem Zwischenstock (me^g-us.) über dem Erdgeschoß untergebracht. Noch waren<lb/> während des fünfzehnten Jahrhunderts die Innenräume klein und eng, doch die<lb/> Ausstattung reich, geschmackvoll, zuweilen selbst überlade»: die Glasfenster aus<lb/> runden, bleigefaßten Scheiben oder gemaltem Glas, der Fußboden mit Marmor<lb/> getäfelt, die Wände mit goldgepreßten Ledertapeten, zuweilen mit Seidentapeten<lb/> bekleidet, die Thürflügel, Pfosten und Architrave aus eingelegtem oder geschnittenem<lb/> Holz (intMLig, oder intg-M^), die Decken kassettirt, wenn sie nicht die reich ver¬<lb/> zierten Deckbalken sehen ließen. Dazu kam das geschmackvollste Zimmergerüt.<lb/> „In dem Arbeitszimmer (stnäio) eines Nobile standen auf dem Nachttisch, an<lb/> den Wänden oder auf Konsolen in leichter Unordnung Amphoren, Thongefäße,<lb/> Gold- und Silbervasen, Schwerter, Medaillen, Laute, Guitarre und Bücher<lb/> in goldgepreßten Ledereinband mit Arabesken. Von der Decke oder an den<lb/> Wänden hingen Lampen in orientalischem Geschmack, in vergoldetem Kupfer,<lb/> Niello, Gravure oder Schmelzarbeit und geschmückt mit buntem Glas, oder<lb/> Laternen mit gewundenen Säulchen verziert und mit Spiegelgläsern der<lb/> mannichfachsten Form geschloffen, welche auf die Wände die Wirkung eines<lb/> Gemäldes in Helldunkel hervorbrachten, oder Lampen in durchbrochenem und<lb/> gewundenem Schmiedeeisen. Die Tischgerätschaften waren ans Gold und Silber,<lb/> die Gläser, Becher und Schalen von Mnrano glänzten in durchsichtigem Glas<lb/> oder in besonderer Eleganz, und endlich waren die Kupfergefäße, in die man<lb/> die Getränke zur Abkühlung setzte, in bizarren Geschmack nach Damascener Art<lb/> gearbeitet." Es fehlte weder das Lesepult noch Gestelle mit Antiken, falls der<lb/> Besitzer ein Freund des zu neuem Leben erweckten Altertums war. Mit<lb/> üppiger Pracht Pflegte man das Schlafzimmer auszustatten, da es zugleich als<lb/> Empfangszimmer diente. Voll naiver Bewunderung schildert ein solches in der<lb/> Cusa Dolfin, wo eine Wöchnerin ihre Freundinnen empfing, der Mailänder<lb/> Casola (1494). „Die Königin von Frankreich würde, so sagt er, in einem ähn¬<lb/> lichen Falle nicht solchen Pomp entwickeln. Man glaubte, daß die Aus¬<lb/> schmückung des Zimmers, ich meine die unbewegliche Ausstattung, 2000 Dukaten<lb/> und mehr gekostet habe. Und doch war der Raum nicht über zwölf Ellen lang.<lb/> Er hatte einen Kamin von carrarischem Marmor, der wie Gold glänzte und<lb/> so fein mit Figuren und Blattwerk verziert war, daß weder Praxiteles noch<lb/> Phidias ihn hatten so gut machen können. Die Decke des Zimmers war so<lb/> schön in Gold und Ultramarinblau gehalten und die Wände so schön gear-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0336]
Die Venezianer zu Hause.
Balkon vor den luftigen Bögen abschließt, im Erdgeschoß die große Hausflur
(sntraäa), von Waffen und Trophäen geschmückt, weiter hinten der offene Hof
mit dem oft künstlerisch gestalteten Pozzo, von dem die Treppe aufwärts führt,
oft eine malerische Freitreppe, zur Seite der Hausflur die Magazine, im ersten
Stock neben dem Portego die Wohnräume der Herrschaft, im zweiten, der
etwas niedriger zu sein pflegt, die Schlafräume der Söhne und Töchter mit
der Küche. Die Dienerschaft wurde entweder in den Bodenräumen oder in
einem Zwischenstock (me^g-us.) über dem Erdgeschoß untergebracht. Noch waren
während des fünfzehnten Jahrhunderts die Innenräume klein und eng, doch die
Ausstattung reich, geschmackvoll, zuweilen selbst überlade»: die Glasfenster aus
runden, bleigefaßten Scheiben oder gemaltem Glas, der Fußboden mit Marmor
getäfelt, die Wände mit goldgepreßten Ledertapeten, zuweilen mit Seidentapeten
bekleidet, die Thürflügel, Pfosten und Architrave aus eingelegtem oder geschnittenem
Holz (intMLig, oder intg-M^), die Decken kassettirt, wenn sie nicht die reich ver¬
zierten Deckbalken sehen ließen. Dazu kam das geschmackvollste Zimmergerüt.
„In dem Arbeitszimmer (stnäio) eines Nobile standen auf dem Nachttisch, an
den Wänden oder auf Konsolen in leichter Unordnung Amphoren, Thongefäße,
Gold- und Silbervasen, Schwerter, Medaillen, Laute, Guitarre und Bücher
in goldgepreßten Ledereinband mit Arabesken. Von der Decke oder an den
Wänden hingen Lampen in orientalischem Geschmack, in vergoldetem Kupfer,
Niello, Gravure oder Schmelzarbeit und geschmückt mit buntem Glas, oder
Laternen mit gewundenen Säulchen verziert und mit Spiegelgläsern der
mannichfachsten Form geschloffen, welche auf die Wände die Wirkung eines
Gemäldes in Helldunkel hervorbrachten, oder Lampen in durchbrochenem und
gewundenem Schmiedeeisen. Die Tischgerätschaften waren ans Gold und Silber,
die Gläser, Becher und Schalen von Mnrano glänzten in durchsichtigem Glas
oder in besonderer Eleganz, und endlich waren die Kupfergefäße, in die man
die Getränke zur Abkühlung setzte, in bizarren Geschmack nach Damascener Art
gearbeitet." Es fehlte weder das Lesepult noch Gestelle mit Antiken, falls der
Besitzer ein Freund des zu neuem Leben erweckten Altertums war. Mit
üppiger Pracht Pflegte man das Schlafzimmer auszustatten, da es zugleich als
Empfangszimmer diente. Voll naiver Bewunderung schildert ein solches in der
Cusa Dolfin, wo eine Wöchnerin ihre Freundinnen empfing, der Mailänder
Casola (1494). „Die Königin von Frankreich würde, so sagt er, in einem ähn¬
lichen Falle nicht solchen Pomp entwickeln. Man glaubte, daß die Aus¬
schmückung des Zimmers, ich meine die unbewegliche Ausstattung, 2000 Dukaten
und mehr gekostet habe. Und doch war der Raum nicht über zwölf Ellen lang.
Er hatte einen Kamin von carrarischem Marmor, der wie Gold glänzte und
so fein mit Figuren und Blattwerk verziert war, daß weder Praxiteles noch
Phidias ihn hatten so gut machen können. Die Decke des Zimmers war so
schön in Gold und Ultramarinblau gehalten und die Wände so schön gear-
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