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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Vie Verstaatlichung der Versicherungsanstalten.

kann. Die Jahresbeiträge der Mitglieder sind in vier Klassen geteilt, deren
erste zehn und deren vierte fünfundzwanzig Pfennige von hundert Mark der
Versicherungssumme zahlt. Diese Beiträge vermindern sich aber noch durch
günstige Betriebsergebnisse sehr erheblich. So schloß die Anstalt ihr letztes
Betriebsjahr mit einem so glänzenden Resultate ab, daß für das nächste den
Mitgliedern drei Millionen an Beiträgen erlassen werden konnten und sür das
Jahr 1884 bis 1885 nur ein halber Jahresbeitrag erhoben werden soll. "Es
dürfte, sagt Plouer mit Recht, schwer sein, eine Privatversicherungsgesellschaft
zu finden, welche ebenso uneigennützig und im Interesse ihrer Versicherten ar¬
beitet und wirtschaftet."

Neben der Jmmobiliar^ Brandversicherungsanstalt besitzt Baiern seit kurzem
auch die staatliche Hagelversicherungsanstalt, die von ländlichen Kreisen schon
längst gewünscht und wiederholt beim Landtage beantragt worden war. Diese
stimmt in ihren Grundprinzipien im wesentlichen mit denen der andern Anstalt
überein, ist aber mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Hagelgefahr in den
einzelnen Gegenden sehr verschieden ist, nicht monopolisirt. Sie zählt nach kaum
halbjährigen Bestände schon gegen achttausend Versicherte und hat auch bereits
gezeigt, daß sie ihren Verpflichtungen exakt nachkommt. "Die zu Anfang des
August in Baiern mehrfach eingetretenen Hagelschaden waren nach dem neuen
Verfahren binnen wenigen Tagen erhoben und regulirt und die Auszahlung im
Gange. . . . Von den Versicherten waren 13,2 Prozent beschädigt worden, die
Entschädigungsforderungen gelangten zur vollen Auszahlung, und im übrigen
werden die Beiträge der Mitglieder nebst dem Staatszuschuß im Gesamtbetrage
von 100000 Mark dem nächsten Jahre als Reservefonds überwiesen -- gewiß
sehr günstige Auspizien für eine so junge Staatsanstalt!"

Von noch höherem Werte als die Güterversicherung ist die Personal- und
zunächst die Lebensversicherung: sie übt einen mächtigen Einfluß auf den Na¬
tionalwohlstand, indem sie nicht nur den Kredit hebt und vor Verarmung schützt,
sondern auch erziehend wirkt. Sie sollte daher der großen Masse zugänglich
sein, was sie in Deutschland nicht ist, denn nicht einmal der Mittelstand be¬
teiligt sich an ihr in wünschenswerten Maße. Die in Deutschland arbeitenden
Lebensversicherungsanstalten können jenem Zwecke garnicht entsprechen, denn
sie sind viel zu teuer, ihre Prämie ist für die Mehrzahl des Volkes uner¬
schwinglich. Eine Staatsversicherung dagegen würde schon durch Ersparung
der Provisionen, Verwaltungskosten und Rückvergütungen, sowie durch den Weg¬
fall des Aktionärgcwinnes und der Dividenden in den Stand setzen, die Prämie
auf einen solchen Betrag zu erniedrigen, daß die staatliche Assekuranzanstalt zu
einem wahren Volksinstitnt werden würde. Auch bieten die privaten Lebens¬
versicherungsanstalten keine solche Bürgschaft für ihre Fortexistenz wie eine
staatliche; schon in gewöhnlichen Zeiten sind solche (wir erinnern an die Ber¬
liner "Nationale") zu gründe gegangen. Wie erst bei Epidemien? Was endlich


Vie Verstaatlichung der Versicherungsanstalten.

kann. Die Jahresbeiträge der Mitglieder sind in vier Klassen geteilt, deren
erste zehn und deren vierte fünfundzwanzig Pfennige von hundert Mark der
Versicherungssumme zahlt. Diese Beiträge vermindern sich aber noch durch
günstige Betriebsergebnisse sehr erheblich. So schloß die Anstalt ihr letztes
Betriebsjahr mit einem so glänzenden Resultate ab, daß für das nächste den
Mitgliedern drei Millionen an Beiträgen erlassen werden konnten und sür das
Jahr 1884 bis 1885 nur ein halber Jahresbeitrag erhoben werden soll. „Es
dürfte, sagt Plouer mit Recht, schwer sein, eine Privatversicherungsgesellschaft
zu finden, welche ebenso uneigennützig und im Interesse ihrer Versicherten ar¬
beitet und wirtschaftet."

Neben der Jmmobiliar^ Brandversicherungsanstalt besitzt Baiern seit kurzem
auch die staatliche Hagelversicherungsanstalt, die von ländlichen Kreisen schon
längst gewünscht und wiederholt beim Landtage beantragt worden war. Diese
stimmt in ihren Grundprinzipien im wesentlichen mit denen der andern Anstalt
überein, ist aber mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Hagelgefahr in den
einzelnen Gegenden sehr verschieden ist, nicht monopolisirt. Sie zählt nach kaum
halbjährigen Bestände schon gegen achttausend Versicherte und hat auch bereits
gezeigt, daß sie ihren Verpflichtungen exakt nachkommt. „Die zu Anfang des
August in Baiern mehrfach eingetretenen Hagelschaden waren nach dem neuen
Verfahren binnen wenigen Tagen erhoben und regulirt und die Auszahlung im
Gange. . . . Von den Versicherten waren 13,2 Prozent beschädigt worden, die
Entschädigungsforderungen gelangten zur vollen Auszahlung, und im übrigen
werden die Beiträge der Mitglieder nebst dem Staatszuschuß im Gesamtbetrage
von 100000 Mark dem nächsten Jahre als Reservefonds überwiesen — gewiß
sehr günstige Auspizien für eine so junge Staatsanstalt!"

Von noch höherem Werte als die Güterversicherung ist die Personal- und
zunächst die Lebensversicherung: sie übt einen mächtigen Einfluß auf den Na¬
tionalwohlstand, indem sie nicht nur den Kredit hebt und vor Verarmung schützt,
sondern auch erziehend wirkt. Sie sollte daher der großen Masse zugänglich
sein, was sie in Deutschland nicht ist, denn nicht einmal der Mittelstand be¬
teiligt sich an ihr in wünschenswerten Maße. Die in Deutschland arbeitenden
Lebensversicherungsanstalten können jenem Zwecke garnicht entsprechen, denn
sie sind viel zu teuer, ihre Prämie ist für die Mehrzahl des Volkes uner¬
schwinglich. Eine Staatsversicherung dagegen würde schon durch Ersparung
der Provisionen, Verwaltungskosten und Rückvergütungen, sowie durch den Weg¬
fall des Aktionärgcwinnes und der Dividenden in den Stand setzen, die Prämie
auf einen solchen Betrag zu erniedrigen, daß die staatliche Assekuranzanstalt zu
einem wahren Volksinstitnt werden würde. Auch bieten die privaten Lebens¬
versicherungsanstalten keine solche Bürgschaft für ihre Fortexistenz wie eine
staatliche; schon in gewöhnlichen Zeiten sind solche (wir erinnern an die Ber¬
liner „Nationale") zu gründe gegangen. Wie erst bei Epidemien? Was endlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/315>, abgerufen am 29.12.2024.