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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Konferenz.

2. dieselbe Freiheit auf dem Niger, 3. Definirung des Okkupationsrechtes in
bezug auf Gebiete, die noch nicht der Flagge einer zivilisirten Nation unter¬
worfen sind. Der erste Punkt hat den Zweck, jeden neuen Versuch zur Er¬
richtung von Zöllen am Kongo für die Zukunft unmöglich zu machen. Die
Herstellung eines gleichm Zustandes auf dem Niger wird den Handelshäusern,
die hier mit den englische" konkurriren, die erforderliche Sicherheit auch auf
diesem großen Strome, dessen Delta von britischen Besitzungen eingefaßt ist,
verschaffen. Der dritte Punkt endlich, der wichtigste, soll eine Lücke im Völker¬
rechte ausfüllen. Man hat in der Vergangenheit viel auf dem Papier annektirt.
Jetzt soll, ungefähr wie 1856 entschieden wurde, eine Blockade müsse in Zukunft
eine effektive sein, in Berlin erklärt werden, eine Besitznahme unzivilisirten
Landes müsse künftig, um Geltung beanspruchen zu können, eine wirkliche sein.
Die Konferenz wird sich nicht mit den alten Rechten auf Gebiete beschäftigen,
die von dieser oder jener Macht erworben worden sind, sondern nur mit den
westafrikanischen Landstrichen, die gegenwärtig nicht im Besitz einer zivilisirten
Macht sind. Es wird dort also u. a. nicht von dem französischen Rechte auf
Madagaskar oder einen Teil dieser Insel die Rede sein, ebenso werden die
Besitzungen, die Frankreich am Senegal, am Gabun und im Meerbusen von
Guinea hat, von den Verhandlungen des Kongresses vollständig ausgeschlossen
sein, und natürlich gilt das gleiche auch von den neuen afrikanischen Kolonien
Deutschlands. Kurz, die Konferenz, zu der in erster Linie Deutschland, Frankreich,
England, Portugal, Spanien, Belgien, Holland und die Vereinigten Staaten
eingeladen sind, ist nur bestimmt: 1. einen Vertrag für die Zukunft der west¬
afrikanischen Landstriche, die noch keinen europäischen Besitzer haben, zu verein¬
baren, 2. deu umfangreichen und viclverheißenden Markt des äquatorialen Afrikas
als der ganzen zivilisirten und handeltreibenden Welt (nicht bloß dem britischen
Egoismus und daneben den Portugiesen) offenstehend zu proklamiren.

Was das Okkupationsrecht betrifft, so erhebt sich die Frage: Was heißt
Okkupation, was ist dazu erforderlich? Die Theorie, welche das englische
Kolonialamt bis jetzt befolgt und aufrechterhalten hat, befindet sich im Wider¬
spruche mit den Ansichten und Forderungen der übrigen Welt, ganz in der¬
selben Weise wie früher die englische Auffassung in betreff der Art und Weise
einer Blockade. Solange als irgend möglich behauptete England gegenüber
allen andern Mächten, daß eine Blockade auf dem Papier, d. h. eine bloß er¬
klärte Blockade, ganz ebenso zu achten sei wie eine effektive, d. h. eine mit einer
hinreichenden Anzahl von Schiffen aufrechterhaltene, und hier wiederholt sich
die Geschichte. Reicht es hin zur Okkupation, d. h. zur Besitznahme eines Ge¬
bietes, daß dort die britische Flagge aufgezogen wird und daß irgendein
schwarzer oder kaffeebrauner Potentat sein Handzeichen unter ein Schriftstück
setzt, welches die Oberherrschaft der Königin Viktoria über sein Land und seinen
Stamm ausspricht? Oder soll eine gedruckte Proklamation, die ein Protektorat


Die Konferenz.

2. dieselbe Freiheit auf dem Niger, 3. Definirung des Okkupationsrechtes in
bezug auf Gebiete, die noch nicht der Flagge einer zivilisirten Nation unter¬
worfen sind. Der erste Punkt hat den Zweck, jeden neuen Versuch zur Er¬
richtung von Zöllen am Kongo für die Zukunft unmöglich zu machen. Die
Herstellung eines gleichm Zustandes auf dem Niger wird den Handelshäusern,
die hier mit den englische» konkurriren, die erforderliche Sicherheit auch auf
diesem großen Strome, dessen Delta von britischen Besitzungen eingefaßt ist,
verschaffen. Der dritte Punkt endlich, der wichtigste, soll eine Lücke im Völker¬
rechte ausfüllen. Man hat in der Vergangenheit viel auf dem Papier annektirt.
Jetzt soll, ungefähr wie 1856 entschieden wurde, eine Blockade müsse in Zukunft
eine effektive sein, in Berlin erklärt werden, eine Besitznahme unzivilisirten
Landes müsse künftig, um Geltung beanspruchen zu können, eine wirkliche sein.
Die Konferenz wird sich nicht mit den alten Rechten auf Gebiete beschäftigen,
die von dieser oder jener Macht erworben worden sind, sondern nur mit den
westafrikanischen Landstrichen, die gegenwärtig nicht im Besitz einer zivilisirten
Macht sind. Es wird dort also u. a. nicht von dem französischen Rechte auf
Madagaskar oder einen Teil dieser Insel die Rede sein, ebenso werden die
Besitzungen, die Frankreich am Senegal, am Gabun und im Meerbusen von
Guinea hat, von den Verhandlungen des Kongresses vollständig ausgeschlossen
sein, und natürlich gilt das gleiche auch von den neuen afrikanischen Kolonien
Deutschlands. Kurz, die Konferenz, zu der in erster Linie Deutschland, Frankreich,
England, Portugal, Spanien, Belgien, Holland und die Vereinigten Staaten
eingeladen sind, ist nur bestimmt: 1. einen Vertrag für die Zukunft der west¬
afrikanischen Landstriche, die noch keinen europäischen Besitzer haben, zu verein¬
baren, 2. deu umfangreichen und viclverheißenden Markt des äquatorialen Afrikas
als der ganzen zivilisirten und handeltreibenden Welt (nicht bloß dem britischen
Egoismus und daneben den Portugiesen) offenstehend zu proklamiren.

Was das Okkupationsrecht betrifft, so erhebt sich die Frage: Was heißt
Okkupation, was ist dazu erforderlich? Die Theorie, welche das englische
Kolonialamt bis jetzt befolgt und aufrechterhalten hat, befindet sich im Wider¬
spruche mit den Ansichten und Forderungen der übrigen Welt, ganz in der¬
selben Weise wie früher die englische Auffassung in betreff der Art und Weise
einer Blockade. Solange als irgend möglich behauptete England gegenüber
allen andern Mächten, daß eine Blockade auf dem Papier, d. h. eine bloß er¬
klärte Blockade, ganz ebenso zu achten sei wie eine effektive, d. h. eine mit einer
hinreichenden Anzahl von Schiffen aufrechterhaltene, und hier wiederholt sich
die Geschichte. Reicht es hin zur Okkupation, d. h. zur Besitznahme eines Ge¬
bietes, daß dort die britische Flagge aufgezogen wird und daß irgendein
schwarzer oder kaffeebrauner Potentat sein Handzeichen unter ein Schriftstück
setzt, welches die Oberherrschaft der Königin Viktoria über sein Land und seinen
Stamm ausspricht? Oder soll eine gedruckte Proklamation, die ein Protektorat


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[0258] Die Konferenz. 2. dieselbe Freiheit auf dem Niger, 3. Definirung des Okkupationsrechtes in bezug auf Gebiete, die noch nicht der Flagge einer zivilisirten Nation unter¬ worfen sind. Der erste Punkt hat den Zweck, jeden neuen Versuch zur Er¬ richtung von Zöllen am Kongo für die Zukunft unmöglich zu machen. Die Herstellung eines gleichm Zustandes auf dem Niger wird den Handelshäusern, die hier mit den englische» konkurriren, die erforderliche Sicherheit auch auf diesem großen Strome, dessen Delta von britischen Besitzungen eingefaßt ist, verschaffen. Der dritte Punkt endlich, der wichtigste, soll eine Lücke im Völker¬ rechte ausfüllen. Man hat in der Vergangenheit viel auf dem Papier annektirt. Jetzt soll, ungefähr wie 1856 entschieden wurde, eine Blockade müsse in Zukunft eine effektive sein, in Berlin erklärt werden, eine Besitznahme unzivilisirten Landes müsse künftig, um Geltung beanspruchen zu können, eine wirkliche sein. Die Konferenz wird sich nicht mit den alten Rechten auf Gebiete beschäftigen, die von dieser oder jener Macht erworben worden sind, sondern nur mit den westafrikanischen Landstrichen, die gegenwärtig nicht im Besitz einer zivilisirten Macht sind. Es wird dort also u. a. nicht von dem französischen Rechte auf Madagaskar oder einen Teil dieser Insel die Rede sein, ebenso werden die Besitzungen, die Frankreich am Senegal, am Gabun und im Meerbusen von Guinea hat, von den Verhandlungen des Kongresses vollständig ausgeschlossen sein, und natürlich gilt das gleiche auch von den neuen afrikanischen Kolonien Deutschlands. Kurz, die Konferenz, zu der in erster Linie Deutschland, Frankreich, England, Portugal, Spanien, Belgien, Holland und die Vereinigten Staaten eingeladen sind, ist nur bestimmt: 1. einen Vertrag für die Zukunft der west¬ afrikanischen Landstriche, die noch keinen europäischen Besitzer haben, zu verein¬ baren, 2. deu umfangreichen und viclverheißenden Markt des äquatorialen Afrikas als der ganzen zivilisirten und handeltreibenden Welt (nicht bloß dem britischen Egoismus und daneben den Portugiesen) offenstehend zu proklamiren. Was das Okkupationsrecht betrifft, so erhebt sich die Frage: Was heißt Okkupation, was ist dazu erforderlich? Die Theorie, welche das englische Kolonialamt bis jetzt befolgt und aufrechterhalten hat, befindet sich im Wider¬ spruche mit den Ansichten und Forderungen der übrigen Welt, ganz in der¬ selben Weise wie früher die englische Auffassung in betreff der Art und Weise einer Blockade. Solange als irgend möglich behauptete England gegenüber allen andern Mächten, daß eine Blockade auf dem Papier, d. h. eine bloß er¬ klärte Blockade, ganz ebenso zu achten sei wie eine effektive, d. h. eine mit einer hinreichenden Anzahl von Schiffen aufrechterhaltene, und hier wiederholt sich die Geschichte. Reicht es hin zur Okkupation, d. h. zur Besitznahme eines Ge¬ bietes, daß dort die britische Flagge aufgezogen wird und daß irgendein schwarzer oder kaffeebrauner Potentat sein Handzeichen unter ein Schriftstück setzt, welches die Oberherrschaft der Königin Viktoria über sein Land und seinen Stamm ausspricht? Oder soll eine gedruckte Proklamation, die ein Protektorat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/258>, abgerufen am 28.12.2024.