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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Englische Sünden in Irland.

Subsistenzmittel vernichtet, und Irland war nach Holinshed "nach diesen Kriegen
wüst und so entvölkert, daß man von Waterford bis zur Spitze von Smeere-
weke, 120 Meilen weit, reisen konnte, ohne in den Ortschaften Mann, Weib
und Kind zu begegnen; sogar Tiere sah man nicht, denn selbst Wölfe, Füchse
und andres Raubzeug lagen zum Teil Hungers gestorben umher, zum Teil
hatten sie sich anderswohin gezogen," Ein hoher englischer Beamter berechnete
im Jahre 1582, daß in Münster binnen sechs Monaten über dreißigtausend
Menschen getötet worden waren, wobei er die, welche in der Schlacht oder
am Galgen das Leben verloren hatten, nicht anzahlte. Lange vor Been¬
digung des Krieges herrschte die allergnädigste Königin Elisabeth hier und in
Ulster, wo ähnlich gehaust worden war, fast nur noch über Aschenhaufen und
Leichen.

Begreiflicherweise brachte dieses Morden, Sengen und Brennen ein Gefühl
der Verbitterung in die Seelen der Iren, welches sich von Geschlecht zu Ge¬
schlecht fortpflanzte. Das Andenken an so greuelvolle Behandlung würde indes
doch zuletzt erloschen sein, wenn nicht andre schwere Unbill hinzugetreten wäre:
die Achtung des katholischen Kultus, die Wegnahme der Kirchen und Pfründen
und die Landeskonfiskationen. Der Gedanke, daß man von der englischen West¬
küste aus in wenigen Tagen und mit geringen Kosten in Irland große Strecken
guten Bodens in Besitz nehmen und reich werden könne, bemächtigte sich des
englischen Geistes, und diese Landgier wurde von der Regierung auf Grund der
Ansicht ermutigt, daß die einzig richtige Methode, Irland für England nutz¬
bringend zu machen, darin bestehe, das Grundeigentum der irischen Claus mit
Beschlag zu belegen und die Insel so rasch wie möglich mit britischen Kolo¬
nisten zu füllen. Auf den Krieg mit den Waffen folgte ein Krieg mit Ränken
und Kniffen, der (besonders in den Tagen Chichesters) in einer Reihe fauler
Operationen vor den gewöhnlichen Gerichten und vor besondern Kommissionen
bestand. Anfangs dienten Lehnsverbindlichkeiten, dann angebliche Kronrechte
zum Vorwande dieser systematischen Plünderung, die unter Lord Strafford den
Gipfel der Schamlosigkeit errreichte und 1641 zur Rebellion führte. Durch
den Ausgang derselben, durch die Wendung, die Earl Clarendon den Dingen
bei der Restauration gab, und durch die gänzliche Unterwerfung des König¬
reichs Irland im Jahre 1691 wurde der Ruin der keltischen Jrländer voll¬
endet.

Der langwierige Krieg, der zur Unterdrückung des Aufstandes geführt
wurde, hatte dieselbe furchtbare Natur wie der frühere, und ähnliche schreckliche
Folgen. Als er 16S2 erlosch, hatten in den elf Jahren desselben Schwert,
Seuchen und die künstlich hervorgerufene Hungersnot von einer Bevölkerung von
1466 000 Menschen nicht weniger als 616 000 weggerafft, Irland, früher eins
der größten Weideländer Europas, mußte jetzt Rindvieh aus Wales einführen,
und der Preis des Weizens war von zwölf auf fünfzig Schillinge für den


Englische Sünden in Irland.

Subsistenzmittel vernichtet, und Irland war nach Holinshed „nach diesen Kriegen
wüst und so entvölkert, daß man von Waterford bis zur Spitze von Smeere-
weke, 120 Meilen weit, reisen konnte, ohne in den Ortschaften Mann, Weib
und Kind zu begegnen; sogar Tiere sah man nicht, denn selbst Wölfe, Füchse
und andres Raubzeug lagen zum Teil Hungers gestorben umher, zum Teil
hatten sie sich anderswohin gezogen," Ein hoher englischer Beamter berechnete
im Jahre 1582, daß in Münster binnen sechs Monaten über dreißigtausend
Menschen getötet worden waren, wobei er die, welche in der Schlacht oder
am Galgen das Leben verloren hatten, nicht anzahlte. Lange vor Been¬
digung des Krieges herrschte die allergnädigste Königin Elisabeth hier und in
Ulster, wo ähnlich gehaust worden war, fast nur noch über Aschenhaufen und
Leichen.

Begreiflicherweise brachte dieses Morden, Sengen und Brennen ein Gefühl
der Verbitterung in die Seelen der Iren, welches sich von Geschlecht zu Ge¬
schlecht fortpflanzte. Das Andenken an so greuelvolle Behandlung würde indes
doch zuletzt erloschen sein, wenn nicht andre schwere Unbill hinzugetreten wäre:
die Achtung des katholischen Kultus, die Wegnahme der Kirchen und Pfründen
und die Landeskonfiskationen. Der Gedanke, daß man von der englischen West¬
küste aus in wenigen Tagen und mit geringen Kosten in Irland große Strecken
guten Bodens in Besitz nehmen und reich werden könne, bemächtigte sich des
englischen Geistes, und diese Landgier wurde von der Regierung auf Grund der
Ansicht ermutigt, daß die einzig richtige Methode, Irland für England nutz¬
bringend zu machen, darin bestehe, das Grundeigentum der irischen Claus mit
Beschlag zu belegen und die Insel so rasch wie möglich mit britischen Kolo¬
nisten zu füllen. Auf den Krieg mit den Waffen folgte ein Krieg mit Ränken
und Kniffen, der (besonders in den Tagen Chichesters) in einer Reihe fauler
Operationen vor den gewöhnlichen Gerichten und vor besondern Kommissionen
bestand. Anfangs dienten Lehnsverbindlichkeiten, dann angebliche Kronrechte
zum Vorwande dieser systematischen Plünderung, die unter Lord Strafford den
Gipfel der Schamlosigkeit errreichte und 1641 zur Rebellion führte. Durch
den Ausgang derselben, durch die Wendung, die Earl Clarendon den Dingen
bei der Restauration gab, und durch die gänzliche Unterwerfung des König¬
reichs Irland im Jahre 1691 wurde der Ruin der keltischen Jrländer voll¬
endet.

Der langwierige Krieg, der zur Unterdrückung des Aufstandes geführt
wurde, hatte dieselbe furchtbare Natur wie der frühere, und ähnliche schreckliche
Folgen. Als er 16S2 erlosch, hatten in den elf Jahren desselben Schwert,
Seuchen und die künstlich hervorgerufene Hungersnot von einer Bevölkerung von
1466 000 Menschen nicht weniger als 616 000 weggerafft, Irland, früher eins
der größten Weideländer Europas, mußte jetzt Rindvieh aus Wales einführen,
und der Preis des Weizens war von zwölf auf fünfzig Schillinge für den


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[0218] Englische Sünden in Irland. Subsistenzmittel vernichtet, und Irland war nach Holinshed „nach diesen Kriegen wüst und so entvölkert, daß man von Waterford bis zur Spitze von Smeere- weke, 120 Meilen weit, reisen konnte, ohne in den Ortschaften Mann, Weib und Kind zu begegnen; sogar Tiere sah man nicht, denn selbst Wölfe, Füchse und andres Raubzeug lagen zum Teil Hungers gestorben umher, zum Teil hatten sie sich anderswohin gezogen," Ein hoher englischer Beamter berechnete im Jahre 1582, daß in Münster binnen sechs Monaten über dreißigtausend Menschen getötet worden waren, wobei er die, welche in der Schlacht oder am Galgen das Leben verloren hatten, nicht anzahlte. Lange vor Been¬ digung des Krieges herrschte die allergnädigste Königin Elisabeth hier und in Ulster, wo ähnlich gehaust worden war, fast nur noch über Aschenhaufen und Leichen. Begreiflicherweise brachte dieses Morden, Sengen und Brennen ein Gefühl der Verbitterung in die Seelen der Iren, welches sich von Geschlecht zu Ge¬ schlecht fortpflanzte. Das Andenken an so greuelvolle Behandlung würde indes doch zuletzt erloschen sein, wenn nicht andre schwere Unbill hinzugetreten wäre: die Achtung des katholischen Kultus, die Wegnahme der Kirchen und Pfründen und die Landeskonfiskationen. Der Gedanke, daß man von der englischen West¬ küste aus in wenigen Tagen und mit geringen Kosten in Irland große Strecken guten Bodens in Besitz nehmen und reich werden könne, bemächtigte sich des englischen Geistes, und diese Landgier wurde von der Regierung auf Grund der Ansicht ermutigt, daß die einzig richtige Methode, Irland für England nutz¬ bringend zu machen, darin bestehe, das Grundeigentum der irischen Claus mit Beschlag zu belegen und die Insel so rasch wie möglich mit britischen Kolo¬ nisten zu füllen. Auf den Krieg mit den Waffen folgte ein Krieg mit Ränken und Kniffen, der (besonders in den Tagen Chichesters) in einer Reihe fauler Operationen vor den gewöhnlichen Gerichten und vor besondern Kommissionen bestand. Anfangs dienten Lehnsverbindlichkeiten, dann angebliche Kronrechte zum Vorwande dieser systematischen Plünderung, die unter Lord Strafford den Gipfel der Schamlosigkeit errreichte und 1641 zur Rebellion führte. Durch den Ausgang derselben, durch die Wendung, die Earl Clarendon den Dingen bei der Restauration gab, und durch die gänzliche Unterwerfung des König¬ reichs Irland im Jahre 1691 wurde der Ruin der keltischen Jrländer voll¬ endet. Der langwierige Krieg, der zur Unterdrückung des Aufstandes geführt wurde, hatte dieselbe furchtbare Natur wie der frühere, und ähnliche schreckliche Folgen. Als er 16S2 erlosch, hatten in den elf Jahren desselben Schwert, Seuchen und die künstlich hervorgerufene Hungersnot von einer Bevölkerung von 1466 000 Menschen nicht weniger als 616 000 weggerafft, Irland, früher eins der größten Weideländer Europas, mußte jetzt Rindvieh aus Wales einführen, und der Preis des Weizens war von zwölf auf fünfzig Schillinge für den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/218>, abgerufen am 28.12.2024.