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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Der Aufruhr im Sudan.

früherer Sklavenhändler, hatte schon seit Mitte 1883 die Umgegend von Suakin
unsicher gemacht. Er beantwortete die Aufforderung Grahcuns, sich zu ergeben,
mit ablehnendem Hohne. Graham, welcher sich von Trinkitat nach Suakin
begeben hatte, griff ihn am 13. März bei Tamasi (Tamcmieb) an und schlug
ihn nach erbittertem Kampfe, welcher nicht ohne kritische Momente für die
britischen Carres war. Osman Digma, auf dessen Kops der englische Admiral
Hewett einen Preis von tausend Pfund Sterling gesetzt hatte, zog sich in die
Berge zurück, erschien zwar bald wieder in der Ebene, hielt aber einem beab¬
sichtigten neuen Angriff der Engländer nicht stand. Gladstone erachtete nun
Gradaus Aufgabe für gelöst und rief letzteren mit seinen Regimentern nach
Ägypten zurück. Er gestattete ihm nicht die von der öffentlichen Meinung
geforderte Eröffnung der Route von Suakin nach Berber zu versuchen, da die
Generale Stephenson und Wood im Widerspruch gegen Oberst Colborne ein
solches Unternehmen für aussichtslos erklärtem Die Verteidigung Snakins
wurde einigen Kanonenboten und ägyptischen Truppen überlassen. Admiral
Hewett begab sich von Suakin aus zum König Johann von Abyssinien, um
diesen für Ägypten günstig zu stimmen.

Inzwischen hatte Gordon in Chartum seine Thätigkeit begonnen. Schon
vor seiner Ankunft hatte er Proklamationen erlassen, worin er den Sklaven¬
handel wieder freigab. "Ich wünsche euch Frieden -- heißt es in seiner An¬
sprache -->, ich weiß, daß durch die Unterdrückung des Sklavenhandels euer
Unmut erregt worden ist, und habe deshalb bestimmt, daß der Sklavenhandel
wieder gestattet werde. Ein jeder, welcher Dienstboten besitzt, kann diese als
sein Eigentum betrachten und verkaufen." Das Aufsehen, welches diese -- an¬
scheinend seinen Instruktionen zuwiderlaufende -- Proklamation erregte, suchten
die Freunde Gordons durch die Erwägung zu beschwichtigen, daß derselbe
bestehende Verhältnisse, unbekümmert um sentimentale Rücksichten, praktisch
zu verwerten bestrebt sei. Er habe stets behauptet, es sei unmöglich, den
Sklavenhandel durch Operationen im Sudan zu unterdrücken. Gebe man den
Sudanesen ihre eigne Negierung, so sei damit die Fortdauer des Sklavenhandels
ausgesprochen; Gordon proklamire nur offen, was die unvermeidliche Folge der
englischen Politik sei. Wenn der General durch irgendein Opfer die Sklaverei
abschaffen könne, so werde er es sicher thun. Aber das Zugeständnis sei eine
Notwendigkeit; er schwache dadurch die Hauptursache des Erfolges, welchen der
Mcchdi erreicht habe, und sichere seinen zweiten Zweck: die Pazifikation des
Sudan. Die Gegner der Sklaverei beklagten es, daß derselbe Mann, welcher
wenige Jahre zuvor als ägyptischer Beamter so energisch gegen den Menschen¬
handel vorgegangen war, als Bevollmächtigter der britischen Regierung diesen
schmachvollen Handel freigab und -- gegen den Willen der letzteren -- den
früher von ihm selbst rekusirten Sibehr Pascha zu seinem Adjuukten im General¬
gouvernement des Sudan ouin sxs suvosäsnäi ernannte. Sibehr war klug


Der Aufruhr im Sudan.

früherer Sklavenhändler, hatte schon seit Mitte 1883 die Umgegend von Suakin
unsicher gemacht. Er beantwortete die Aufforderung Grahcuns, sich zu ergeben,
mit ablehnendem Hohne. Graham, welcher sich von Trinkitat nach Suakin
begeben hatte, griff ihn am 13. März bei Tamasi (Tamcmieb) an und schlug
ihn nach erbittertem Kampfe, welcher nicht ohne kritische Momente für die
britischen Carres war. Osman Digma, auf dessen Kops der englische Admiral
Hewett einen Preis von tausend Pfund Sterling gesetzt hatte, zog sich in die
Berge zurück, erschien zwar bald wieder in der Ebene, hielt aber einem beab¬
sichtigten neuen Angriff der Engländer nicht stand. Gladstone erachtete nun
Gradaus Aufgabe für gelöst und rief letzteren mit seinen Regimentern nach
Ägypten zurück. Er gestattete ihm nicht die von der öffentlichen Meinung
geforderte Eröffnung der Route von Suakin nach Berber zu versuchen, da die
Generale Stephenson und Wood im Widerspruch gegen Oberst Colborne ein
solches Unternehmen für aussichtslos erklärtem Die Verteidigung Snakins
wurde einigen Kanonenboten und ägyptischen Truppen überlassen. Admiral
Hewett begab sich von Suakin aus zum König Johann von Abyssinien, um
diesen für Ägypten günstig zu stimmen.

Inzwischen hatte Gordon in Chartum seine Thätigkeit begonnen. Schon
vor seiner Ankunft hatte er Proklamationen erlassen, worin er den Sklaven¬
handel wieder freigab. „Ich wünsche euch Frieden — heißt es in seiner An¬
sprache —>, ich weiß, daß durch die Unterdrückung des Sklavenhandels euer
Unmut erregt worden ist, und habe deshalb bestimmt, daß der Sklavenhandel
wieder gestattet werde. Ein jeder, welcher Dienstboten besitzt, kann diese als
sein Eigentum betrachten und verkaufen." Das Aufsehen, welches diese — an¬
scheinend seinen Instruktionen zuwiderlaufende — Proklamation erregte, suchten
die Freunde Gordons durch die Erwägung zu beschwichtigen, daß derselbe
bestehende Verhältnisse, unbekümmert um sentimentale Rücksichten, praktisch
zu verwerten bestrebt sei. Er habe stets behauptet, es sei unmöglich, den
Sklavenhandel durch Operationen im Sudan zu unterdrücken. Gebe man den
Sudanesen ihre eigne Negierung, so sei damit die Fortdauer des Sklavenhandels
ausgesprochen; Gordon proklamire nur offen, was die unvermeidliche Folge der
englischen Politik sei. Wenn der General durch irgendein Opfer die Sklaverei
abschaffen könne, so werde er es sicher thun. Aber das Zugeständnis sei eine
Notwendigkeit; er schwache dadurch die Hauptursache des Erfolges, welchen der
Mcchdi erreicht habe, und sichere seinen zweiten Zweck: die Pazifikation des
Sudan. Die Gegner der Sklaverei beklagten es, daß derselbe Mann, welcher
wenige Jahre zuvor als ägyptischer Beamter so energisch gegen den Menschen¬
handel vorgegangen war, als Bevollmächtigter der britischen Regierung diesen
schmachvollen Handel freigab und — gegen den Willen der letzteren — den
früher von ihm selbst rekusirten Sibehr Pascha zu seinem Adjuukten im General¬
gouvernement des Sudan ouin sxs suvosäsnäi ernannte. Sibehr war klug


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/21>, abgerufen am 28.12.2024.