Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Notizen. zu den in den vierziger Jahren von England, in den fünfzigern und später von Dieselben haben aber aus den ältern Verträgen auch einen Punkt aufgenommen, Notizen. zu den in den vierziger Jahren von England, in den fünfzigern und später von Dieselben haben aber aus den ältern Verträgen auch einen Punkt aufgenommen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0207" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157132"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_762" prev="#ID_761"> zu den in den vierziger Jahren von England, in den fünfzigern und später von<lb/> Frankreich ans durchgesetzten Verträgen war die Berechtigung, Buchdruck-Erzeugnisse<lb/> eines andern Landes nachzudrucken, überall als selbstverständlich betrachtet worden;<lb/> und wenn in jenen beiden Ländern der Bedarf an deutschen Büchern so groß ge¬<lb/> wesen wäre, wie in Deutschland der Bedarf an französischen und englischen, so<lb/> wurden deren Regierungen so wenig die Hand zu Uebereinkommen geboten haben,<lb/> wie heute die Vereinigten Staaten Lust dazu verraten. Deutschland und Belgien<lb/> verzichteten mithin auf einen nicht unbedeutenden Industriezweig, welcher in Frank¬<lb/> reich und England nicht betrieben wurde, weil er keinen Ertrag lieferte, während<lb/> Versuche damit ebenfalls gemacht worden waren; wir erinnern uns z. B. einer<lb/> Straßburger Ausgabe vou Schillers Werken. Indessen galt der Nachdruck längst<lb/> als ein, wenn auch erlaubtes, doch nicht anständiges Gewerbe, und niemand be¬<lb/> klagte sich, als die Regierungen ihn opferten, ohne ein Äquivalent zu verlangen.<lb/> Außerhalb Ungarns und Nordamerikas werden auch die neuesten Vorschläge zur all¬<lb/> gemeinen internationalen Regelung des Autorrechts ohne Zweifel Zustimmung finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_763"> Dieselben haben aber aus den ältern Verträgen auch einen Punkt aufgenommen,<lb/> welchen wir für revisionsbedürftig halten. Dem Autor soll sogar von den Ueber-<lb/> tragungen seines Werkes in fremde Sprachen ein gewisser Genuß gesichert werden;<lb/> wieder unter dem Gesichtspunkte der Billigkeit: denn wenn schon das Eigentums¬<lb/> recht an dem einmal veröffentlichen Werke fraglich ist, wieviel mehr muß dies der<lb/> Fall fein bei einer Aufgabe, die wesentliche Mitarbeit eines Dritten voraussetzt.<lb/> Gegen den Zweck haben wir nichts einzuwenden, wohl aber gegen das Mittel zu<lb/> dessen Erreichung. Der Verfasser oder der Verleger als Rechtsnachfolger kann<lb/> unter bestimmten Formen und für eine bestimmte Zeit sich das Recht der Veran¬<lb/> staltung einer Uebersetzung wahren und es auf einen andern übertragen. Es liegt<lb/> also in seiner Hand, eine Uebersetzung für die gedachte Zeit überhaupt zu ver¬<lb/> hindern, und eben das kann der andre thun, welcher das Recht auf sich hat über¬<lb/> tragen lassen. Setzen wir den Fall, es erscheint in Deutschland ein medizinisches<lb/> Buch, dessen Uebersetzung ins Französische voraussichtlich ein französisches Werk über<lb/> denselben Gegenstand verdrängen würde; der Verleger des letzter» erwirbt das<lb/> Uebersetzungsrecht mit der Absicht, von demselben keinen Gebrauch zu macheu.<lb/> Allerdings sind ihm Fristen gesetzt: er muß binnen zwei Jahren mit der Ver¬<lb/> öffentlichung beginnen und sie nach drei Jahren beendigt haben. Aber wie leicht<lb/> wird es ihm trotzdem, eine Konkurrenz gänzlich zu vereiteln, oder doch weit<lb/> hinauszuschieben! Er druckt wirklich einige Bogen als erste Lieferung, verbreitet<lb/> sie aber nicht, und für vier bis fünf Jahre kann eine andre Ueversetznng nicht<lb/> unternommen werden. Oder ein Verfasser oder Verleger verkauft das Urheberrecht,<lb/> der Ersteher desselben läßt das Buch von jemand übersetzen, der des Gegenstandes<lb/> und der Fachsprache garnicht mächtig ist, daher etwas gänzlich unbrauchbares<lb/> liefert (oft genug vorgekommen!), das gleichwohl einer guten Uebersetzung den<lb/> Weg versperrt. Wenn gewöhnliche Romane, Schauspiele, Operntexte u. dergl.<lb/> sinnlos übersetzt werden, so ist das allenfalls zu verschmerzen, aber die wissen-<lb/> schnstliche Arbeit kann darunter ernstlich leiden, da nicht jedermann, der einiger-<lb/> maßen Französisch und Englisch lesen kann, deshalb auch imstande ist, die wissen¬<lb/> schaftliche Sprache, die Kunstausdrücke zu verstehen. Oder nehmen wir an — es<lb/> ist nicht sehr wahrscheinlich aber doch möglich — daß heute ein Shakespeare oder<lb/> ein Burus erstünde: sollten nur dann verurteilt sein, sie ausschließlich in der<lb/> Fassung desjenigen kennen zu lernen, welcher zufällig zuerst daran ginge, das<lb/> schwierige Idiom zu verdeutschen?</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0207]
Notizen.
zu den in den vierziger Jahren von England, in den fünfzigern und später von
Frankreich ans durchgesetzten Verträgen war die Berechtigung, Buchdruck-Erzeugnisse
eines andern Landes nachzudrucken, überall als selbstverständlich betrachtet worden;
und wenn in jenen beiden Ländern der Bedarf an deutschen Büchern so groß ge¬
wesen wäre, wie in Deutschland der Bedarf an französischen und englischen, so
wurden deren Regierungen so wenig die Hand zu Uebereinkommen geboten haben,
wie heute die Vereinigten Staaten Lust dazu verraten. Deutschland und Belgien
verzichteten mithin auf einen nicht unbedeutenden Industriezweig, welcher in Frank¬
reich und England nicht betrieben wurde, weil er keinen Ertrag lieferte, während
Versuche damit ebenfalls gemacht worden waren; wir erinnern uns z. B. einer
Straßburger Ausgabe vou Schillers Werken. Indessen galt der Nachdruck längst
als ein, wenn auch erlaubtes, doch nicht anständiges Gewerbe, und niemand be¬
klagte sich, als die Regierungen ihn opferten, ohne ein Äquivalent zu verlangen.
Außerhalb Ungarns und Nordamerikas werden auch die neuesten Vorschläge zur all¬
gemeinen internationalen Regelung des Autorrechts ohne Zweifel Zustimmung finden.
Dieselben haben aber aus den ältern Verträgen auch einen Punkt aufgenommen,
welchen wir für revisionsbedürftig halten. Dem Autor soll sogar von den Ueber-
tragungen seines Werkes in fremde Sprachen ein gewisser Genuß gesichert werden;
wieder unter dem Gesichtspunkte der Billigkeit: denn wenn schon das Eigentums¬
recht an dem einmal veröffentlichen Werke fraglich ist, wieviel mehr muß dies der
Fall fein bei einer Aufgabe, die wesentliche Mitarbeit eines Dritten voraussetzt.
Gegen den Zweck haben wir nichts einzuwenden, wohl aber gegen das Mittel zu
dessen Erreichung. Der Verfasser oder der Verleger als Rechtsnachfolger kann
unter bestimmten Formen und für eine bestimmte Zeit sich das Recht der Veran¬
staltung einer Uebersetzung wahren und es auf einen andern übertragen. Es liegt
also in seiner Hand, eine Uebersetzung für die gedachte Zeit überhaupt zu ver¬
hindern, und eben das kann der andre thun, welcher das Recht auf sich hat über¬
tragen lassen. Setzen wir den Fall, es erscheint in Deutschland ein medizinisches
Buch, dessen Uebersetzung ins Französische voraussichtlich ein französisches Werk über
denselben Gegenstand verdrängen würde; der Verleger des letzter» erwirbt das
Uebersetzungsrecht mit der Absicht, von demselben keinen Gebrauch zu macheu.
Allerdings sind ihm Fristen gesetzt: er muß binnen zwei Jahren mit der Ver¬
öffentlichung beginnen und sie nach drei Jahren beendigt haben. Aber wie leicht
wird es ihm trotzdem, eine Konkurrenz gänzlich zu vereiteln, oder doch weit
hinauszuschieben! Er druckt wirklich einige Bogen als erste Lieferung, verbreitet
sie aber nicht, und für vier bis fünf Jahre kann eine andre Ueversetznng nicht
unternommen werden. Oder ein Verfasser oder Verleger verkauft das Urheberrecht,
der Ersteher desselben läßt das Buch von jemand übersetzen, der des Gegenstandes
und der Fachsprache garnicht mächtig ist, daher etwas gänzlich unbrauchbares
liefert (oft genug vorgekommen!), das gleichwohl einer guten Uebersetzung den
Weg versperrt. Wenn gewöhnliche Romane, Schauspiele, Operntexte u. dergl.
sinnlos übersetzt werden, so ist das allenfalls zu verschmerzen, aber die wissen-
schnstliche Arbeit kann darunter ernstlich leiden, da nicht jedermann, der einiger-
maßen Französisch und Englisch lesen kann, deshalb auch imstande ist, die wissen¬
schaftliche Sprache, die Kunstausdrücke zu verstehen. Oder nehmen wir an — es
ist nicht sehr wahrscheinlich aber doch möglich — daß heute ein Shakespeare oder
ein Burus erstünde: sollten nur dann verurteilt sein, sie ausschließlich in der
Fassung desjenigen kennen zu lernen, welcher zufällig zuerst daran ginge, das
schwierige Idiom zu verdeutschen?
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