Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Die erste Sitzung des ersten deutschen Parlaments. Donnerstag den 18, Mai 1848 Punkt vier Uhr nachmittags begaben sich Vor der Treppe des Römers bildete die Frankfurter Stadtwehr Spalier In der festlich geschmückten Paulskirche nahmen die Abgeordneten ihre Den Altar der Paulskirche hatte man mit einem Vorhange und die darüber In dem von einer hohen Säulenreihe eingefaßten Schiff der Kirche und Was auf beiden Seiten unmittelbar an die erhöhte Tribüne des Prä¬ "Die Damenloge und die große Galerie mit freiem Eintritt hatte das Die erste Sitzung des ersten deutschen Parlaments. Donnerstag den 18, Mai 1848 Punkt vier Uhr nachmittags begaben sich Vor der Treppe des Römers bildete die Frankfurter Stadtwehr Spalier In der festlich geschmückten Paulskirche nahmen die Abgeordneten ihre Den Altar der Paulskirche hatte man mit einem Vorhange und die darüber In dem von einer hohen Säulenreihe eingefaßten Schiff der Kirche und Was auf beiden Seiten unmittelbar an die erhöhte Tribüne des Prä¬ „Die Damenloge und die große Galerie mit freiem Eintritt hatte das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157100"/> <fw type="header" place="top"> Die erste Sitzung des ersten deutschen Parlaments.</fw><lb/> <p xml:id="ID_604"> Donnerstag den 18, Mai 1848 Punkt vier Uhr nachmittags begaben sich<lb/> die Nationalvertreter in feierlichem Zuge vom östlichen Portale des Römers<lb/> mit entblößtem Haupte unter dem Geläute aller Glocken der Stadt und dem<lb/> Donner der Kanonen über den Römerberg, durch die neue Krame, an der alten<lb/> Börse vorbei nach dem westlichen Eingänge der Paulskirche, Den Zug eröff¬<lb/> neten Mitglieder des Frankfurter Festkomitees unter Vortragung von zwei<lb/> deutschen Fahnen; ihnen folgten die beiden Alterspräsidenten, Dr. Lang und<lb/> Staatsminister a, D. von Lindenau aus Altenburg, mit den Alterssekretärm,<lb/> denen sich die übrigen Abgeordneten zu je vieren anschlössen.</p><lb/> <p xml:id="ID_605"> Vor der Treppe des Römers bildete die Frankfurter Stadtwehr Spalier<lb/> bis zur Kirche und empfing den Zug mit den üblichen militärischen Ehrenbe¬<lb/> zeugungen. Der laute Vivcitruf des Volkes mischte sich mit dem der Stadt¬<lb/> wehr; aus den Fenstern wurden Tüchern geschwenkt, und aus den meisten Häu¬<lb/> sern der Stadt wehten zur Feier des Tages schwarz-rot-goldene Fahnen,</p><lb/> <p xml:id="ID_606"> In der festlich geschmückten Paulskirche nahmen die Abgeordneten ihre<lb/> Plätze ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_607"> Den Altar der Paulskirche hatte man mit einem Vorhange und die darüber<lb/> befindliche Orgel mit einem Gemälde der Germania überdeckt. Wo der Priester<lb/> sonst den Segen gesprochen, befand sich der Sitz des Präsidenten. Die Kanzel<lb/> wurde als Rednerbühne benutzt. Auch der Kirchendiener Meyer trug den For¬<lb/> derungen der Zeit Rechnung und ließ sich einen Schnurrbart wachsen.</p><lb/> <p xml:id="ID_608"> In dem von einer hohen Säulenreihe eingefaßten Schiff der Kirche und<lb/> in den hinter den Säulen amphitheatralisch emporsteigenden Bankreihen, insoweit<lb/> sie gerade vor dem Auge des Vorsitzenden, das heißt hinter dem rechten und<lb/> linken Zentrum liegen, nahmen die Abgeordneten Platz. Die Zuhörer befanden<lb/> sich in der über den Säulen befindlichen Emporkirche.</p><lb/> <p xml:id="ID_609"> Was auf beiden Seiten unmittelbar an die erhöhte Tribüne des Prä¬<lb/> sidiums stößt, war zur Linken eine den Damen vorbehaltene Loge, zur Rechten<lb/> bildete es eine bevorzugte Abteilung der mit Einlaßkarten versehenen Herren<lb/> und der Diplomaten.</p><lb/> <p xml:id="ID_610" next="#ID_611"> „Die Damenloge und die große Galerie mit freiem Eintritt hatte das<lb/> sicherste Ahnungsvermögen für parlamentarische Heftigkeit. Wie die flatternden<lb/> Möven auf der noch ruhigen See den im Hintergrunde lauernden Sturm ver¬<lb/> kündigen, längst ehe ihn ein andres Zeichen verrät, so weissagten die dichtge¬<lb/> drängten Zuhörermassen droben und hier unten die eng aneinander gepreßten<lb/> Damenbüsten das heranziehende Wetter, ehe auch nur das Schiff der Debatte<lb/> aus dem Hafen gelaufen war. In den August- und Septembertagen erfüllten<lb/> die Damen mehrmals schon vor eröffneter Sitzung nicht nur ihre Loge, son¬<lb/> dern auch die Zugänge dahin in solcher Anzahl, daß niemand hin und wieder<lb/> konnte. An der Thür zur freien Emporkirche aber gabs förmliche Kämpfe.<lb/> Das wurden dann auch stets die von den wildesten Szenen erschütterten Tage.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0175]
Die erste Sitzung des ersten deutschen Parlaments.
Donnerstag den 18, Mai 1848 Punkt vier Uhr nachmittags begaben sich
die Nationalvertreter in feierlichem Zuge vom östlichen Portale des Römers
mit entblößtem Haupte unter dem Geläute aller Glocken der Stadt und dem
Donner der Kanonen über den Römerberg, durch die neue Krame, an der alten
Börse vorbei nach dem westlichen Eingänge der Paulskirche, Den Zug eröff¬
neten Mitglieder des Frankfurter Festkomitees unter Vortragung von zwei
deutschen Fahnen; ihnen folgten die beiden Alterspräsidenten, Dr. Lang und
Staatsminister a, D. von Lindenau aus Altenburg, mit den Alterssekretärm,
denen sich die übrigen Abgeordneten zu je vieren anschlössen.
Vor der Treppe des Römers bildete die Frankfurter Stadtwehr Spalier
bis zur Kirche und empfing den Zug mit den üblichen militärischen Ehrenbe¬
zeugungen. Der laute Vivcitruf des Volkes mischte sich mit dem der Stadt¬
wehr; aus den Fenstern wurden Tüchern geschwenkt, und aus den meisten Häu¬
sern der Stadt wehten zur Feier des Tages schwarz-rot-goldene Fahnen,
In der festlich geschmückten Paulskirche nahmen die Abgeordneten ihre
Plätze ein.
Den Altar der Paulskirche hatte man mit einem Vorhange und die darüber
befindliche Orgel mit einem Gemälde der Germania überdeckt. Wo der Priester
sonst den Segen gesprochen, befand sich der Sitz des Präsidenten. Die Kanzel
wurde als Rednerbühne benutzt. Auch der Kirchendiener Meyer trug den For¬
derungen der Zeit Rechnung und ließ sich einen Schnurrbart wachsen.
In dem von einer hohen Säulenreihe eingefaßten Schiff der Kirche und
in den hinter den Säulen amphitheatralisch emporsteigenden Bankreihen, insoweit
sie gerade vor dem Auge des Vorsitzenden, das heißt hinter dem rechten und
linken Zentrum liegen, nahmen die Abgeordneten Platz. Die Zuhörer befanden
sich in der über den Säulen befindlichen Emporkirche.
Was auf beiden Seiten unmittelbar an die erhöhte Tribüne des Prä¬
sidiums stößt, war zur Linken eine den Damen vorbehaltene Loge, zur Rechten
bildete es eine bevorzugte Abteilung der mit Einlaßkarten versehenen Herren
und der Diplomaten.
„Die Damenloge und die große Galerie mit freiem Eintritt hatte das
sicherste Ahnungsvermögen für parlamentarische Heftigkeit. Wie die flatternden
Möven auf der noch ruhigen See den im Hintergrunde lauernden Sturm ver¬
kündigen, längst ehe ihn ein andres Zeichen verrät, so weissagten die dichtge¬
drängten Zuhörermassen droben und hier unten die eng aneinander gepreßten
Damenbüsten das heranziehende Wetter, ehe auch nur das Schiff der Debatte
aus dem Hafen gelaufen war. In den August- und Septembertagen erfüllten
die Damen mehrmals schon vor eröffneter Sitzung nicht nur ihre Loge, son¬
dern auch die Zugänge dahin in solcher Anzahl, daß niemand hin und wieder
konnte. An der Thür zur freien Emporkirche aber gabs förmliche Kämpfe.
Das wurden dann auch stets die von den wildesten Szenen erschütterten Tage.
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