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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Der prozeßbetrieb durch die Parteien im Zivilrechtsstreite.

welche regelmäßig ohne Leitung des Gerichts auf unmittelbares Parteiausuchen
von dem Gerichtsvollzieher vorgenommen werden soll, so wird neben den schon
oben angeführten, hauptsächlich mit der notwendigen Entlastung der Gerichte
begründeten Erwägungen für die Übertragung dieser wichtigen Thätigkeit an
besondre Organe von den Motiven noch angeführt die Notwendigkeit einer
raschen und energischen Rechtshilfe für den Gläubiger, welche umsomehr geboten
sei, als durch den Wegfall der Schuldhaft und des Lohnarrestes die Exekntions-
mittel des Gläubigers eine empfindliche Schmälerung erlitten haben. Diesen
Anforderungen entspreche ein Vollstreckungsverfahren nicht, bei welchem die
Androhung, Wirkung und Leitung der Exekution vom Prozeßgerichte ausgehe.
Die Notwendigkeit des schriftlichen, bei jedem Vollstreckungsakte, bei jedem
Übergänge von einer Exekutionsart zur andern zu wiederholenden Vollstreckungs-
antrags und -Auftrags, die Kommunikationen zwischen Gericht und Exekutor
verweitläufigcn die Prozedur in einer den Zweck der Exekution schädigenden
Weise. Aus diesen Gründen wurde die Übertragung der Zwangsvollstreckung
an den Gerichtsvollzieher im Prinzip beschlossen; es mußte aber wiederum im
Interesse der Parteien eine ganze Reihe von Ausnahmen zugelassen werden, und
so tritt die Mitwirkung des Gerichtes ein, wenn es sich um Erledigung von
Einwendungen des Schuldners oder dritter Personen gegen die Vollstreckung
oder um die Beseitigung von Anstünden der verschiedensten Art im Verfahren,
um die Einleitung oder Durchführung eines Verteilungsverfahrens handelt; auch
sind gewisse Vollstreckungsakte, insbesondre die Zwangsvollstreckung im Auslande
oder mittelst militärischer Hilfe, diejenige in Forderungen und ähnliche Ver¬
mögensrechte, in das unbewegliche Vermögen, endlich die auf Erzwingung oder
Unterlassung einer Handlung gerichtete Exekution den Gerichten zugewiesen.

Das in der Prozeßordnung zum Prinzip gemachte System des Partei-
prozeßbetriebcs verlangt, von dem Grundsatze ausgehend, daß lediglich die Par¬
teien ein Interesse an der Führung und Beendigung des Rechtsstreites haben
und daß demnach die Disposition über denselben den Parteien überlassen bleiben
und Selbstthätigkeit des Gerichts ausgeschlossen sein müsse, zur Herbeiführung
der gerichtlichen Thätigkeit im einzelnen Falle formale Parteianträge, bei deren
Mangel die entsprechende richterliche Hilfe nicht eintreten kann. So muß die
Klage die ausdrückliche "Ladung" des Gegners vor das Prozcßgericht zur münd¬
lichen Verhandlung des Rechtsstreites enthalten. Fehlt dieser formale Satz in
der Klage, obgleich aus derselben im übrigen ganz deutlich hervorgeht, daß der
Kläger die Verurteilung des Beklagten in der von ihm bezeichneten Richtung
wünscht, so ist die Klage keine Klage im rechtlichen Sinne, deren Zustellung an
den Gegner begründet die Wirkungen der Rechtshängigkeit nicht, eine Verur¬
teilung des im Verhandlungstermine ausgebliebenen Beklagten auf Grund der¬
selben kann nicht ergehen, und der Richter ist, wenn er nicht aus Höflichkeit
den Kläger vor dem Termine auf den Mangel seiner Klage hinweisen will, in


Der prozeßbetrieb durch die Parteien im Zivilrechtsstreite.

welche regelmäßig ohne Leitung des Gerichts auf unmittelbares Parteiausuchen
von dem Gerichtsvollzieher vorgenommen werden soll, so wird neben den schon
oben angeführten, hauptsächlich mit der notwendigen Entlastung der Gerichte
begründeten Erwägungen für die Übertragung dieser wichtigen Thätigkeit an
besondre Organe von den Motiven noch angeführt die Notwendigkeit einer
raschen und energischen Rechtshilfe für den Gläubiger, welche umsomehr geboten
sei, als durch den Wegfall der Schuldhaft und des Lohnarrestes die Exekntions-
mittel des Gläubigers eine empfindliche Schmälerung erlitten haben. Diesen
Anforderungen entspreche ein Vollstreckungsverfahren nicht, bei welchem die
Androhung, Wirkung und Leitung der Exekution vom Prozeßgerichte ausgehe.
Die Notwendigkeit des schriftlichen, bei jedem Vollstreckungsakte, bei jedem
Übergänge von einer Exekutionsart zur andern zu wiederholenden Vollstreckungs-
antrags und -Auftrags, die Kommunikationen zwischen Gericht und Exekutor
verweitläufigcn die Prozedur in einer den Zweck der Exekution schädigenden
Weise. Aus diesen Gründen wurde die Übertragung der Zwangsvollstreckung
an den Gerichtsvollzieher im Prinzip beschlossen; es mußte aber wiederum im
Interesse der Parteien eine ganze Reihe von Ausnahmen zugelassen werden, und
so tritt die Mitwirkung des Gerichtes ein, wenn es sich um Erledigung von
Einwendungen des Schuldners oder dritter Personen gegen die Vollstreckung
oder um die Beseitigung von Anstünden der verschiedensten Art im Verfahren,
um die Einleitung oder Durchführung eines Verteilungsverfahrens handelt; auch
sind gewisse Vollstreckungsakte, insbesondre die Zwangsvollstreckung im Auslande
oder mittelst militärischer Hilfe, diejenige in Forderungen und ähnliche Ver¬
mögensrechte, in das unbewegliche Vermögen, endlich die auf Erzwingung oder
Unterlassung einer Handlung gerichtete Exekution den Gerichten zugewiesen.

Das in der Prozeßordnung zum Prinzip gemachte System des Partei-
prozeßbetriebcs verlangt, von dem Grundsatze ausgehend, daß lediglich die Par¬
teien ein Interesse an der Führung und Beendigung des Rechtsstreites haben
und daß demnach die Disposition über denselben den Parteien überlassen bleiben
und Selbstthätigkeit des Gerichts ausgeschlossen sein müsse, zur Herbeiführung
der gerichtlichen Thätigkeit im einzelnen Falle formale Parteianträge, bei deren
Mangel die entsprechende richterliche Hilfe nicht eintreten kann. So muß die
Klage die ausdrückliche „Ladung" des Gegners vor das Prozcßgericht zur münd¬
lichen Verhandlung des Rechtsstreites enthalten. Fehlt dieser formale Satz in
der Klage, obgleich aus derselben im übrigen ganz deutlich hervorgeht, daß der
Kläger die Verurteilung des Beklagten in der von ihm bezeichneten Richtung
wünscht, so ist die Klage keine Klage im rechtlichen Sinne, deren Zustellung an
den Gegner begründet die Wirkungen der Rechtshängigkeit nicht, eine Verur¬
teilung des im Verhandlungstermine ausgebliebenen Beklagten auf Grund der¬
selben kann nicht ergehen, und der Richter ist, wenn er nicht aus Höflichkeit
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[0123] Der prozeßbetrieb durch die Parteien im Zivilrechtsstreite. welche regelmäßig ohne Leitung des Gerichts auf unmittelbares Parteiausuchen von dem Gerichtsvollzieher vorgenommen werden soll, so wird neben den schon oben angeführten, hauptsächlich mit der notwendigen Entlastung der Gerichte begründeten Erwägungen für die Übertragung dieser wichtigen Thätigkeit an besondre Organe von den Motiven noch angeführt die Notwendigkeit einer raschen und energischen Rechtshilfe für den Gläubiger, welche umsomehr geboten sei, als durch den Wegfall der Schuldhaft und des Lohnarrestes die Exekntions- mittel des Gläubigers eine empfindliche Schmälerung erlitten haben. Diesen Anforderungen entspreche ein Vollstreckungsverfahren nicht, bei welchem die Androhung, Wirkung und Leitung der Exekution vom Prozeßgerichte ausgehe. Die Notwendigkeit des schriftlichen, bei jedem Vollstreckungsakte, bei jedem Übergänge von einer Exekutionsart zur andern zu wiederholenden Vollstreckungs- antrags und -Auftrags, die Kommunikationen zwischen Gericht und Exekutor verweitläufigcn die Prozedur in einer den Zweck der Exekution schädigenden Weise. Aus diesen Gründen wurde die Übertragung der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher im Prinzip beschlossen; es mußte aber wiederum im Interesse der Parteien eine ganze Reihe von Ausnahmen zugelassen werden, und so tritt die Mitwirkung des Gerichtes ein, wenn es sich um Erledigung von Einwendungen des Schuldners oder dritter Personen gegen die Vollstreckung oder um die Beseitigung von Anstünden der verschiedensten Art im Verfahren, um die Einleitung oder Durchführung eines Verteilungsverfahrens handelt; auch sind gewisse Vollstreckungsakte, insbesondre die Zwangsvollstreckung im Auslande oder mittelst militärischer Hilfe, diejenige in Forderungen und ähnliche Ver¬ mögensrechte, in das unbewegliche Vermögen, endlich die auf Erzwingung oder Unterlassung einer Handlung gerichtete Exekution den Gerichten zugewiesen. Das in der Prozeßordnung zum Prinzip gemachte System des Partei- prozeßbetriebcs verlangt, von dem Grundsatze ausgehend, daß lediglich die Par¬ teien ein Interesse an der Führung und Beendigung des Rechtsstreites haben und daß demnach die Disposition über denselben den Parteien überlassen bleiben und Selbstthätigkeit des Gerichts ausgeschlossen sein müsse, zur Herbeiführung der gerichtlichen Thätigkeit im einzelnen Falle formale Parteianträge, bei deren Mangel die entsprechende richterliche Hilfe nicht eintreten kann. So muß die Klage die ausdrückliche „Ladung" des Gegners vor das Prozcßgericht zur münd¬ lichen Verhandlung des Rechtsstreites enthalten. Fehlt dieser formale Satz in der Klage, obgleich aus derselben im übrigen ganz deutlich hervorgeht, daß der Kläger die Verurteilung des Beklagten in der von ihm bezeichneten Richtung wünscht, so ist die Klage keine Klage im rechtlichen Sinne, deren Zustellung an den Gegner begründet die Wirkungen der Rechtshängigkeit nicht, eine Verur¬ teilung des im Verhandlungstermine ausgebliebenen Beklagten auf Grund der¬ selben kann nicht ergehen, und der Richter ist, wenn er nicht aus Höflichkeit den Kläger vor dem Termine auf den Mangel seiner Klage hinweisen will, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/123>, abgerufen am 29.12.2024.