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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Das südafrikanische Reich der Engländer.

getrocknet, mit der man die Rechnung niedergeschrieben hatte, so ergab sichs,
daß man die Rechnung ohne den Wirt, ohne den guten Willen oder ohne das
Interesse der Boers gemacht hatte. Freischaren aus dem Transvaallande zogen
heran, griffen Montsioa, einen der Häuptlinge unter britischen Schutz, an und
metzelten eine Menge Volkes, darunter Weiber und Kinder, nieder. Auch Eng¬
länder kamen dabei ums Leben. Der Polizeioffizier Bethel, der sich dem ein¬
brechenden Haufen entgegengestellt hatte, wurde erst in einem Gefechte verwundet,
dann erschossen. Einen andern englischen Beamten enthauptete man. In Vrij-
burg mußte man die britische Flagge, die als Zeichen des Protektorats der
Königin aufgepflanzt worden war, entfernen und verstecken, weil sie mit Be¬
schimpfung bedroht war, und jetzt hat die republikanische Regierung die Ver¬
waltung der Stadt übernommen. Mackenzie ist, weil er sich durch sein barsches
Auftreten und seine Berichte nach London das Mißfallen der Boers zugezogen,
beseitigt worden, aber sein Nachfolger, Rhodes, berichtet im wesentlichen dasselbe
wie er. Darnach wären die ersten Ausschreitungen das Werk von einzelnen
holländischen Kolonisten und umherstreifenden Strolchen gewesen, von denen
einige keinerlei europäische Schutzherrlichkeit anerkennen. Dieselben hätten aber
nur den Charakter von Pioniers, von leichten Vortruppen, gehabt, welchen die
Aufgabe zugeteilt worden wäre, für einen Angriff der Republik Transvaal den
Weg zu ebnen. Sie hätten wiederholt, was ehemals die südlichen Flibustier
gethan, welche durch ihre Einbrüche auf mexikanisches Gebiet die Einverleibung
von Texas in die amerikanische Union vorbereiteten. Sie hätten einen nicht-
offiziellen Krieg geführt, wie die Panslavisten in Serbien im Interesse des
Zaren die Heere der Pforte bekämpft hätten. Rhodes meldet, daß er und sein
Amtsgenosse "die feste Überzeugung hegten, die Regierung der Herren Krüger
und Joubert besitze wohl die Macht, der Verletzung der westlichen Grenze Halt
zu gebieten und ein Ziel zu setzen, würden aber niemals davon Gebrauch machen;
die Republik der Boers habe sich, als sie die Konvention formell ratifizirt,
stillschweigend das Recht vorbehalten, sie bei der ersten günstigen Gelegenheit
in Stücke zu reißen, und sie habe zu dem Zwecke zur Bildung kleiner Republiken
ermutigt und damit eine für die britische Regierung so unerklärliche Sachlage
geschaffen, daß sie schließlich aufhören würde, der Aufsaugung durch das Trans¬
vaal Widerspruch und Widerstand entgegenzusetzen."

Verhalten sich die Sachen in Transvaal und im Betschuanenlande der¬
artig, und ist nicht zu hoffen, daß sie sich von selbst für die Engländer gün¬
stiger gestalten werden, so erhebt sich von neuem die Frage, was zu ihrer
Besserung von außen her geschehen muß. Ein Artikel des og.it/ ^olsAi'Axli,
mit dessen Inhalt Äußerungen der Minieh über den Gegenstand in der Haupt¬
sache übereinstimmen, antwortet darauf folgendermaßen: "Wenn wir die Be¬
schützung des Betschnanenlandes übernahmen und die Grenze anders zogen, so
wurde uns diese Politik von den Mitgliedern der Kapkolonie eingegeben. Die-


Das südafrikanische Reich der Engländer.

getrocknet, mit der man die Rechnung niedergeschrieben hatte, so ergab sichs,
daß man die Rechnung ohne den Wirt, ohne den guten Willen oder ohne das
Interesse der Boers gemacht hatte. Freischaren aus dem Transvaallande zogen
heran, griffen Montsioa, einen der Häuptlinge unter britischen Schutz, an und
metzelten eine Menge Volkes, darunter Weiber und Kinder, nieder. Auch Eng¬
länder kamen dabei ums Leben. Der Polizeioffizier Bethel, der sich dem ein¬
brechenden Haufen entgegengestellt hatte, wurde erst in einem Gefechte verwundet,
dann erschossen. Einen andern englischen Beamten enthauptete man. In Vrij-
burg mußte man die britische Flagge, die als Zeichen des Protektorats der
Königin aufgepflanzt worden war, entfernen und verstecken, weil sie mit Be¬
schimpfung bedroht war, und jetzt hat die republikanische Regierung die Ver¬
waltung der Stadt übernommen. Mackenzie ist, weil er sich durch sein barsches
Auftreten und seine Berichte nach London das Mißfallen der Boers zugezogen,
beseitigt worden, aber sein Nachfolger, Rhodes, berichtet im wesentlichen dasselbe
wie er. Darnach wären die ersten Ausschreitungen das Werk von einzelnen
holländischen Kolonisten und umherstreifenden Strolchen gewesen, von denen
einige keinerlei europäische Schutzherrlichkeit anerkennen. Dieselben hätten aber
nur den Charakter von Pioniers, von leichten Vortruppen, gehabt, welchen die
Aufgabe zugeteilt worden wäre, für einen Angriff der Republik Transvaal den
Weg zu ebnen. Sie hätten wiederholt, was ehemals die südlichen Flibustier
gethan, welche durch ihre Einbrüche auf mexikanisches Gebiet die Einverleibung
von Texas in die amerikanische Union vorbereiteten. Sie hätten einen nicht-
offiziellen Krieg geführt, wie die Panslavisten in Serbien im Interesse des
Zaren die Heere der Pforte bekämpft hätten. Rhodes meldet, daß er und sein
Amtsgenosse „die feste Überzeugung hegten, die Regierung der Herren Krüger
und Joubert besitze wohl die Macht, der Verletzung der westlichen Grenze Halt
zu gebieten und ein Ziel zu setzen, würden aber niemals davon Gebrauch machen;
die Republik der Boers habe sich, als sie die Konvention formell ratifizirt,
stillschweigend das Recht vorbehalten, sie bei der ersten günstigen Gelegenheit
in Stücke zu reißen, und sie habe zu dem Zwecke zur Bildung kleiner Republiken
ermutigt und damit eine für die britische Regierung so unerklärliche Sachlage
geschaffen, daß sie schließlich aufhören würde, der Aufsaugung durch das Trans¬
vaal Widerspruch und Widerstand entgegenzusetzen."

Verhalten sich die Sachen in Transvaal und im Betschuanenlande der¬
artig, und ist nicht zu hoffen, daß sie sich von selbst für die Engländer gün¬
stiger gestalten werden, so erhebt sich von neuem die Frage, was zu ihrer
Besserung von außen her geschehen muß. Ein Artikel des og.it/ ^olsAi'Axli,
mit dessen Inhalt Äußerungen der Minieh über den Gegenstand in der Haupt¬
sache übereinstimmen, antwortet darauf folgendermaßen: „Wenn wir die Be¬
schützung des Betschnanenlandes übernahmen und die Grenze anders zogen, so
wurde uns diese Politik von den Mitgliedern der Kapkolonie eingegeben. Die-


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[0115] Das südafrikanische Reich der Engländer. getrocknet, mit der man die Rechnung niedergeschrieben hatte, so ergab sichs, daß man die Rechnung ohne den Wirt, ohne den guten Willen oder ohne das Interesse der Boers gemacht hatte. Freischaren aus dem Transvaallande zogen heran, griffen Montsioa, einen der Häuptlinge unter britischen Schutz, an und metzelten eine Menge Volkes, darunter Weiber und Kinder, nieder. Auch Eng¬ länder kamen dabei ums Leben. Der Polizeioffizier Bethel, der sich dem ein¬ brechenden Haufen entgegengestellt hatte, wurde erst in einem Gefechte verwundet, dann erschossen. Einen andern englischen Beamten enthauptete man. In Vrij- burg mußte man die britische Flagge, die als Zeichen des Protektorats der Königin aufgepflanzt worden war, entfernen und verstecken, weil sie mit Be¬ schimpfung bedroht war, und jetzt hat die republikanische Regierung die Ver¬ waltung der Stadt übernommen. Mackenzie ist, weil er sich durch sein barsches Auftreten und seine Berichte nach London das Mißfallen der Boers zugezogen, beseitigt worden, aber sein Nachfolger, Rhodes, berichtet im wesentlichen dasselbe wie er. Darnach wären die ersten Ausschreitungen das Werk von einzelnen holländischen Kolonisten und umherstreifenden Strolchen gewesen, von denen einige keinerlei europäische Schutzherrlichkeit anerkennen. Dieselben hätten aber nur den Charakter von Pioniers, von leichten Vortruppen, gehabt, welchen die Aufgabe zugeteilt worden wäre, für einen Angriff der Republik Transvaal den Weg zu ebnen. Sie hätten wiederholt, was ehemals die südlichen Flibustier gethan, welche durch ihre Einbrüche auf mexikanisches Gebiet die Einverleibung von Texas in die amerikanische Union vorbereiteten. Sie hätten einen nicht- offiziellen Krieg geführt, wie die Panslavisten in Serbien im Interesse des Zaren die Heere der Pforte bekämpft hätten. Rhodes meldet, daß er und sein Amtsgenosse „die feste Überzeugung hegten, die Regierung der Herren Krüger und Joubert besitze wohl die Macht, der Verletzung der westlichen Grenze Halt zu gebieten und ein Ziel zu setzen, würden aber niemals davon Gebrauch machen; die Republik der Boers habe sich, als sie die Konvention formell ratifizirt, stillschweigend das Recht vorbehalten, sie bei der ersten günstigen Gelegenheit in Stücke zu reißen, und sie habe zu dem Zwecke zur Bildung kleiner Republiken ermutigt und damit eine für die britische Regierung so unerklärliche Sachlage geschaffen, daß sie schließlich aufhören würde, der Aufsaugung durch das Trans¬ vaal Widerspruch und Widerstand entgegenzusetzen." Verhalten sich die Sachen in Transvaal und im Betschuanenlande der¬ artig, und ist nicht zu hoffen, daß sie sich von selbst für die Engländer gün¬ stiger gestalten werden, so erhebt sich von neuem die Frage, was zu ihrer Besserung von außen her geschehen muß. Ein Artikel des og.it/ ^olsAi'Axli, mit dessen Inhalt Äußerungen der Minieh über den Gegenstand in der Haupt¬ sache übereinstimmen, antwortet darauf folgendermaßen: „Wenn wir die Be¬ schützung des Betschnanenlandes übernahmen und die Grenze anders zogen, so wurde uns diese Politik von den Mitgliedern der Kapkolonie eingegeben. Die-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/115>, abgerufen am 29.12.2024.