Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Pfisters Mühle. aber -- vielleicht nicht unerklärlich. Ist in der That in der jetzigen Zeit was Und es war in der That ein eigenthümlicher Ort zum Lustwandeln, von Stehe auf meinem Schein, mich hier noch begraben zu lassen und sie noch O Papa, wie kannst du nur so reden? pflegte dann Emmy gegen den Und ein wahres Glück wars, daß nicht jeder das gleiche Interesse und Pfisters Mühle. aber — vielleicht nicht unerklärlich. Ist in der That in der jetzigen Zeit was Und es war in der That ein eigenthümlicher Ort zum Lustwandeln, von Stehe auf meinem Schein, mich hier noch begraben zu lassen und sie noch O Papa, wie kannst du nur so reden? pflegte dann Emmy gegen den Und ein wahres Glück wars, daß nicht jeder das gleiche Interesse und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157029"/> <fw type="header" place="top"> Pfisters Mühle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_333" prev="#ID_332"> aber — vielleicht nicht unerklärlich. Ist in der That in der jetzigen Zeit was<lb/> neues, 'mal beim Alten zu bleiben, he he he.</p><lb/> <p xml:id="ID_334"> Und es war in der That ein eigenthümlicher Ort zum Lustwandeln, von<lb/> und auf dem der alte Herr damals sprach und von dem meine junge Frau<lb/> eben redete. Ein Kirchhof! wenn nicht im Mittelpunkte der beträchtlichen Stadt<lb/> Berlin, so doch inmitten einer der Vorstädte und zwar nicht einer der ältesten!<lb/> Ein grüner, busch- und baumreicher Fleck, im Viereck von neuer modernster<lb/> Architektur umgeben und von praktisch zwar noch imaginären, aber in der Theorie<lb/> fest auf dem Papier des Stadtbauplans hingestellten Straßenlinien überkreuzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_335"> Stehe auf meinem Schein, mich hier noch begraben zu lassen und sie noch<lb/> dreißig lange Jahre nach meinem Tode ärgern zu können, die Fortschrittler,<lb/> grinste mein Schwiegervater. Wenn Sie mich einmal wieder besuchen, will ich<lb/> ihn Ihnen zeigen, den Schein, junger Herr, he he, he he. Andre Wertpapiere<lb/> sind mir im Verlaufe der Tage fo ziemlich abhanden gekommen; aber das habe<lb/> ich sicher in der Schublade hinter Schloß und Riegel, und sein Kours ist ge¬<lb/> stiegen und steigt, steigt — steigt. Ich habe es aber meiner seligen Frau Mutter<lb/> versprochen, mich meinerzeit neben ihr zur Ruhe zu legen. Brave, aber eigen¬<lb/> sinnige alte Dame, die sich merkwürdigerweise etwas darauf einbildete, noch<lb/> einen Kalkulationsrat, Steuerzahler, Hungerleider und Asthmatikus mehr in die<lb/> üble Luft dieser Welt gesetzt zu haben. Wie sie so sanft ruhn, alle die Seligen,<lb/> und — es ist mir in der That ein Vergnügen, hier mit Ihnen zu promeniren,<lb/> jugendlicher Freund, und Sie auf die Lächerlichkeit mannichfacher Prätensionen<lb/> des Menschen hinzuweisen. Rauch ist alles ird'sche Wesen — und eine der<lb/> größten Lächerlichkeiten ist's, daß man hier nicht rauchen soll. Hier! Meiner<lb/> seligen Frau in ihrer ewigen Ruhe war das Reglement an der Pforte gegen<lb/> Hunde und Zigarren freilich ganz aus der Seele geschrieben. Der durfte ich<lb/> natürlich nicht mit der Pfeife in die beste Stube kommen und würde es mir<lb/> also auch hier nicht erlauben, sondern höchstens kalt rauchen, oder lieber das<lb/> Rohr an das Sopha stellen, oder es am besten ganz vor der Thür lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_336"> O Papa, wie kannst du nur so reden? pflegte dann Emmy gegen den<lb/> Papa dieselbe Redensart zu gebrauchen, welche sie nun so häufig gegen mich<lb/> in Anwendung bringt. Mir aber würde es heute nicht das Geringste nützen,<lb/> wenn ich es noch leugnen wollte, daß es nicht der skurrile Alte war, dessen<lb/> philosophischen, moralischen, ethischen und asthmatischen Expektorationen zu Liebe<lb/> auch ich nur zu gern den sonderbaren Erholungspartien zum Frische-Luft-<lb/> schöpfen mir auswählte. Herrn Rechnungsrat Schutzes blondes Töchterlein<lb/> wars, dem zu Liebe ich kam, und — bei den unsterblichen Göttern — es giebt<lb/> keinen Rahmen, der golden genug ist, um mir das Bildchen für alle Zeit einzu¬<lb/> fassen und festzuhalten!'</p><lb/> <p xml:id="ID_337" next="#ID_338"> Und ein wahres Glück wars, daß nicht jeder das gleiche Interesse und<lb/> verbriefte Eigenthumsrecht des alten Spitzbuben Schulze an der unheimlich-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
Pfisters Mühle.
aber — vielleicht nicht unerklärlich. Ist in der That in der jetzigen Zeit was
neues, 'mal beim Alten zu bleiben, he he he.
Und es war in der That ein eigenthümlicher Ort zum Lustwandeln, von
und auf dem der alte Herr damals sprach und von dem meine junge Frau
eben redete. Ein Kirchhof! wenn nicht im Mittelpunkte der beträchtlichen Stadt
Berlin, so doch inmitten einer der Vorstädte und zwar nicht einer der ältesten!
Ein grüner, busch- und baumreicher Fleck, im Viereck von neuer modernster
Architektur umgeben und von praktisch zwar noch imaginären, aber in der Theorie
fest auf dem Papier des Stadtbauplans hingestellten Straßenlinien überkreuzt.
Stehe auf meinem Schein, mich hier noch begraben zu lassen und sie noch
dreißig lange Jahre nach meinem Tode ärgern zu können, die Fortschrittler,
grinste mein Schwiegervater. Wenn Sie mich einmal wieder besuchen, will ich
ihn Ihnen zeigen, den Schein, junger Herr, he he, he he. Andre Wertpapiere
sind mir im Verlaufe der Tage fo ziemlich abhanden gekommen; aber das habe
ich sicher in der Schublade hinter Schloß und Riegel, und sein Kours ist ge¬
stiegen und steigt, steigt — steigt. Ich habe es aber meiner seligen Frau Mutter
versprochen, mich meinerzeit neben ihr zur Ruhe zu legen. Brave, aber eigen¬
sinnige alte Dame, die sich merkwürdigerweise etwas darauf einbildete, noch
einen Kalkulationsrat, Steuerzahler, Hungerleider und Asthmatikus mehr in die
üble Luft dieser Welt gesetzt zu haben. Wie sie so sanft ruhn, alle die Seligen,
und — es ist mir in der That ein Vergnügen, hier mit Ihnen zu promeniren,
jugendlicher Freund, und Sie auf die Lächerlichkeit mannichfacher Prätensionen
des Menschen hinzuweisen. Rauch ist alles ird'sche Wesen — und eine der
größten Lächerlichkeiten ist's, daß man hier nicht rauchen soll. Hier! Meiner
seligen Frau in ihrer ewigen Ruhe war das Reglement an der Pforte gegen
Hunde und Zigarren freilich ganz aus der Seele geschrieben. Der durfte ich
natürlich nicht mit der Pfeife in die beste Stube kommen und würde es mir
also auch hier nicht erlauben, sondern höchstens kalt rauchen, oder lieber das
Rohr an das Sopha stellen, oder es am besten ganz vor der Thür lassen.
O Papa, wie kannst du nur so reden? pflegte dann Emmy gegen den
Papa dieselbe Redensart zu gebrauchen, welche sie nun so häufig gegen mich
in Anwendung bringt. Mir aber würde es heute nicht das Geringste nützen,
wenn ich es noch leugnen wollte, daß es nicht der skurrile Alte war, dessen
philosophischen, moralischen, ethischen und asthmatischen Expektorationen zu Liebe
auch ich nur zu gern den sonderbaren Erholungspartien zum Frische-Luft-
schöpfen mir auswählte. Herrn Rechnungsrat Schutzes blondes Töchterlein
wars, dem zu Liebe ich kam, und — bei den unsterblichen Göttern — es giebt
keinen Rahmen, der golden genug ist, um mir das Bildchen für alle Zeit einzu¬
fassen und festzuhalten!'
Und ein wahres Glück wars, daß nicht jeder das gleiche Interesse und
verbriefte Eigenthumsrecht des alten Spitzbuben Schulze an der unheimlich-
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