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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Der Mrtschaftsbetriob des Staates.

Die meisten Staaten besitzen in ihrem Gebiete ein mehr oder minder großes
für die Landwirtschaft bestimmtes Areal, den Domänenbestand. Schon kraft
dieses Besitzes nimmt der Staat in gewissem Sinne an der Privatwirtschaft
teil. Man hat wohl von einem doktrinären Standpunkte aus gefordert, das;
der Staat sich der Domänen zu gunsten seiner Angehörigen entänßere. Aber
der Besitz eines solchen stets gesicherten, fruchtbringenden Vermögens ist von
solchem Werte, daß nicht leicht ein Staat sich zu dessen Aufgeben entschließen
wird. Der Wirtschaftsbctrieb auf den einzelnen Domänen übt freilich der
Staat nicht selbst; er überläßt ihn vielmehr, dem obigen Prinzip entsprechend,
an Pächter. Dadurch nähert er sich wieder dem Grundsätze, daß der Staat
des unmittelbaren Wirtschaftsbetriebes sich enthalten soll. Wenn aber der Staat
ausnahmsweise eine oder die andre landwirtschaftliche Stelle als Versuchsstation
oder auch zum Zwecke einer Musterwirtschaft sich vorbehält, so ist ihm daraus
sicherlich kein Vorwurf zu machen. Ebensowenig daraus, wenn er die Lösung
einzelner landwirtschaftlichen Probleme unmittelbar in die Hand nimmt. Wer
hat es z. B. dem preußischen Laudwirtschaftsministcr verarge, daß er, als jüngst
die Frage über Verhütung des Milzbrandes dnrch Impfung auftauchte, von
Staatswegen umfassende Versuche vornehmen ließ? Vom Standpunkte des
Manchestertums hätte derselbe freilich sagen müssen: "Was geht mich der
Milzbrand an! Mögen die Landwirte selbst die Versuche macheu, oder, wenn
der Einzelne das nicht vermag, sich zu Genossenschaften vereinigen." Das
würde dem Prinzip des Gehenlassens entsprochen haben. Aber das Interesse
der Landwirtschaft, von einem solchen Übel befreit zu werden, ist ein so schwer¬
wiegendes und allgemeines, daß jedermann es dem Staate Dank wissen wird,
wenn er hier in die wirtschaftliche Thätigkeit eingreift.

Ähnlich verhält es sich mit der Zucht der Haustiere. Im allgemeinen
überläßt der Staat dieselbe dem Privatbetriebe und sucht nur etwa durch Ver¬
teilung von Prämien befördernd darauf einzuwirken. Nur ein Haustier ist
für den Staat von solcher unmittelbaren Bedeutung, daß er die Förderung der
Zucht desselben nicht dem bloßen Privatbetriebe überlassen kann. Das ist das
Pferd. Überall hält der Staat Gestüte, Fohlenweiden u. s. w., welche die Ver¬
edelung der Pferdezucht bezwecken.

Neben Landbau und Viehzucht kommt noch ein dritter ländlicher Betrieb
in Betracht, an welchem der Staat sich in reichem Maße beteiligt: nämlich die
Forstwirtschaft. Wohl überall ist der Staat im Besitz reicher Waldungen, und
er bewirtschaftet dieselben selbst durch seine Beamten. Der Wald und seine an¬
dauernde Erhaltung ist für den Wohlstand des Landes von der allergrößten
Bedeutung. Im Besitze des Privaten ist aber der Wald stets ein gefährdetes
Gut, weil es naheliegt, daß der Besitzer seinen persönlichen Vorteil dem Inter¬
esse künftiger Geschlechter vorziehe und den Wald in einer mit dessen Erhaltung
unvereinbarer Weise aufhenke. Nur in dem Besitze des Staates liegt die re-


Der Mrtschaftsbetriob des Staates.

Die meisten Staaten besitzen in ihrem Gebiete ein mehr oder minder großes
für die Landwirtschaft bestimmtes Areal, den Domänenbestand. Schon kraft
dieses Besitzes nimmt der Staat in gewissem Sinne an der Privatwirtschaft
teil. Man hat wohl von einem doktrinären Standpunkte aus gefordert, das;
der Staat sich der Domänen zu gunsten seiner Angehörigen entänßere. Aber
der Besitz eines solchen stets gesicherten, fruchtbringenden Vermögens ist von
solchem Werte, daß nicht leicht ein Staat sich zu dessen Aufgeben entschließen
wird. Der Wirtschaftsbctrieb auf den einzelnen Domänen übt freilich der
Staat nicht selbst; er überläßt ihn vielmehr, dem obigen Prinzip entsprechend,
an Pächter. Dadurch nähert er sich wieder dem Grundsätze, daß der Staat
des unmittelbaren Wirtschaftsbetriebes sich enthalten soll. Wenn aber der Staat
ausnahmsweise eine oder die andre landwirtschaftliche Stelle als Versuchsstation
oder auch zum Zwecke einer Musterwirtschaft sich vorbehält, so ist ihm daraus
sicherlich kein Vorwurf zu machen. Ebensowenig daraus, wenn er die Lösung
einzelner landwirtschaftlichen Probleme unmittelbar in die Hand nimmt. Wer
hat es z. B. dem preußischen Laudwirtschaftsministcr verarge, daß er, als jüngst
die Frage über Verhütung des Milzbrandes dnrch Impfung auftauchte, von
Staatswegen umfassende Versuche vornehmen ließ? Vom Standpunkte des
Manchestertums hätte derselbe freilich sagen müssen: „Was geht mich der
Milzbrand an! Mögen die Landwirte selbst die Versuche macheu, oder, wenn
der Einzelne das nicht vermag, sich zu Genossenschaften vereinigen." Das
würde dem Prinzip des Gehenlassens entsprochen haben. Aber das Interesse
der Landwirtschaft, von einem solchen Übel befreit zu werden, ist ein so schwer¬
wiegendes und allgemeines, daß jedermann es dem Staate Dank wissen wird,
wenn er hier in die wirtschaftliche Thätigkeit eingreift.

Ähnlich verhält es sich mit der Zucht der Haustiere. Im allgemeinen
überläßt der Staat dieselbe dem Privatbetriebe und sucht nur etwa durch Ver¬
teilung von Prämien befördernd darauf einzuwirken. Nur ein Haustier ist
für den Staat von solcher unmittelbaren Bedeutung, daß er die Förderung der
Zucht desselben nicht dem bloßen Privatbetriebe überlassen kann. Das ist das
Pferd. Überall hält der Staat Gestüte, Fohlenweiden u. s. w., welche die Ver¬
edelung der Pferdezucht bezwecken.

Neben Landbau und Viehzucht kommt noch ein dritter ländlicher Betrieb
in Betracht, an welchem der Staat sich in reichem Maße beteiligt: nämlich die
Forstwirtschaft. Wohl überall ist der Staat im Besitz reicher Waldungen, und
er bewirtschaftet dieselben selbst durch seine Beamten. Der Wald und seine an¬
dauernde Erhaltung ist für den Wohlstand des Landes von der allergrößten
Bedeutung. Im Besitze des Privaten ist aber der Wald stets ein gefährdetes
Gut, weil es naheliegt, daß der Besitzer seinen persönlichen Vorteil dem Inter¬
esse künftiger Geschlechter vorziehe und den Wald in einer mit dessen Erhaltung
unvereinbarer Weise aufhenke. Nur in dem Besitze des Staates liegt die re-


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[0018] Der Mrtschaftsbetriob des Staates. Die meisten Staaten besitzen in ihrem Gebiete ein mehr oder minder großes für die Landwirtschaft bestimmtes Areal, den Domänenbestand. Schon kraft dieses Besitzes nimmt der Staat in gewissem Sinne an der Privatwirtschaft teil. Man hat wohl von einem doktrinären Standpunkte aus gefordert, das; der Staat sich der Domänen zu gunsten seiner Angehörigen entänßere. Aber der Besitz eines solchen stets gesicherten, fruchtbringenden Vermögens ist von solchem Werte, daß nicht leicht ein Staat sich zu dessen Aufgeben entschließen wird. Der Wirtschaftsbctrieb auf den einzelnen Domänen übt freilich der Staat nicht selbst; er überläßt ihn vielmehr, dem obigen Prinzip entsprechend, an Pächter. Dadurch nähert er sich wieder dem Grundsätze, daß der Staat des unmittelbaren Wirtschaftsbetriebes sich enthalten soll. Wenn aber der Staat ausnahmsweise eine oder die andre landwirtschaftliche Stelle als Versuchsstation oder auch zum Zwecke einer Musterwirtschaft sich vorbehält, so ist ihm daraus sicherlich kein Vorwurf zu machen. Ebensowenig daraus, wenn er die Lösung einzelner landwirtschaftlichen Probleme unmittelbar in die Hand nimmt. Wer hat es z. B. dem preußischen Laudwirtschaftsministcr verarge, daß er, als jüngst die Frage über Verhütung des Milzbrandes dnrch Impfung auftauchte, von Staatswegen umfassende Versuche vornehmen ließ? Vom Standpunkte des Manchestertums hätte derselbe freilich sagen müssen: „Was geht mich der Milzbrand an! Mögen die Landwirte selbst die Versuche macheu, oder, wenn der Einzelne das nicht vermag, sich zu Genossenschaften vereinigen." Das würde dem Prinzip des Gehenlassens entsprochen haben. Aber das Interesse der Landwirtschaft, von einem solchen Übel befreit zu werden, ist ein so schwer¬ wiegendes und allgemeines, daß jedermann es dem Staate Dank wissen wird, wenn er hier in die wirtschaftliche Thätigkeit eingreift. Ähnlich verhält es sich mit der Zucht der Haustiere. Im allgemeinen überläßt der Staat dieselbe dem Privatbetriebe und sucht nur etwa durch Ver¬ teilung von Prämien befördernd darauf einzuwirken. Nur ein Haustier ist für den Staat von solcher unmittelbaren Bedeutung, daß er die Förderung der Zucht desselben nicht dem bloßen Privatbetriebe überlassen kann. Das ist das Pferd. Überall hält der Staat Gestüte, Fohlenweiden u. s. w., welche die Ver¬ edelung der Pferdezucht bezwecken. Neben Landbau und Viehzucht kommt noch ein dritter ländlicher Betrieb in Betracht, an welchem der Staat sich in reichem Maße beteiligt: nämlich die Forstwirtschaft. Wohl überall ist der Staat im Besitz reicher Waldungen, und er bewirtschaftet dieselben selbst durch seine Beamten. Der Wald und seine an¬ dauernde Erhaltung ist für den Wohlstand des Landes von der allergrößten Bedeutung. Im Besitze des Privaten ist aber der Wald stets ein gefährdetes Gut, weil es naheliegt, daß der Besitzer seinen persönlichen Vorteil dem Inter¬ esse künftiger Geschlechter vorziehe und den Wald in einer mit dessen Erhaltung unvereinbarer Weise aufhenke. Nur in dem Besitze des Staates liegt die re-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/18>, abgerufen am 19.10.2024.