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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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diese Beiträge so hoch sein, daß die Zünfte sofort als eine Last, nicht als eine
Wohlthat empfunden werden würden.

Hier liegt aber der Punkt, auf den wir hinwiesen, indem wir sagten, daß
die Bestrebungen der Zunft der Zukunft sich die Vorteile der organisatorischen
Einrichtungen des Mcmchestcrtums nicht entgehen lassen dürften. Die Macht
des modernen Kapitalismus beruht lediglich auf der Beherrschung des Marktes.
Sowohl die Landwirtschaft als das Handwerk kranken hauptsächlich daran, daß
sie keinen Markt mehr haben, und die Schwierigkeit der Lage beider beruht
wesentlich darin, daß sie nicht nur einerseits keine Anstalt machen, den Markt
für sich zurückzugewinnen, sondern andrerseits dem Gegner sogar in die Hände
arbeiten durch Unterstützung seiner Intentionen. Haben doch z. B. die bairischen
Landwirte schon verschiedene Versuche gemacht, in München eine Produktenbörse
einzurichten! Sie hofften von derselben, d. h. von der Organisation der Agiotage
mit landwirtschaftlichen Werten, uuglaublicherweise Vorteil für sich, obgleich die
Erfahrung lehrt, daß die Not der produzirenden Klassen in ganz demselben
Maße zunahm, als das Spiel mit den produzirten Werten und mit den Mitteln
der Produktion sich ausdehnte. Man begreift also in praktischen Kreisen so
wenig die tieferen Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, daß man sogar
die Hand bietet zur Steigerung derselben, und daß man den kleinen Punkt
wirtschaftlicher Freiheit, den man allenfalls noch besitzt, den Eingang zum Markte,
sogar verlassen will wegen des Phantoms der Kapitälgewinnung, das man mit
völliger Einschiebung der Börse an die Stelle des Marktes zu gewinnen hofft!

Der moderne Markt setzt aber Billigkeit voraus. Indem die moderne
Wirtschaftspolitik mit der Zeit sich fast ausschließlich auf die Interessen des Handels
zuspitzte, also in die Differenz zwischen Produktionskosten und Konsumtionspreis
den Schwerpunkt der Wirtschaftlichkeit legte, daher auch die Massenproduktion
außerordentlich begünstigte, entzog sie eigentlich erst dem Handwerk den mate¬
riellen Boden des Gedeihens. Sie setzte den Markt immer weiter in die Ferne
und hob mehr und mehr die unmittelbare Verbindung zwischen Produktion und
Konsumtion auf. Unsre industriellen und größtenteils auch unsre gewerblichen
Verhältnisse sind auf deu Export zugespitzt, und man arbeitet immer noch mit
Macht an der Anspannung und Ausdehnung dieses Verhältnisses. Soweit geht
z. B die Verkennung der Vorbedingungen einer gesunden Entwicklung des
Kunstgewerbes selbst bei seinen berufenen Vertretern, daß der kunstgewerbliche
Vereinstag in München einen Beschluß feißte, dahingehend, es möge Vonseiten
der Reichsregierung die Ausfuhr kunstgewerblicher Erzeugnisse gefördert werden.

Hier begiebt man sich in Gefahr, nicht nur ohne Not, sondern sogar indem
man blindlings die Früchte der Arbeit gefährdet und das Arbeitsgebiet, dem
man eine sichere Basis schaffen sollte, einfach in die Luft hängt. Der gesunde
Menschenverstand schon muß sagen, daß die Ergebnisse der Arbeit umso sicherer
und vorteilhafter für den Urheber derselben werden, je mehr ihr Verbrauch auf


diese Beiträge so hoch sein, daß die Zünfte sofort als eine Last, nicht als eine
Wohlthat empfunden werden würden.

Hier liegt aber der Punkt, auf den wir hinwiesen, indem wir sagten, daß
die Bestrebungen der Zunft der Zukunft sich die Vorteile der organisatorischen
Einrichtungen des Mcmchestcrtums nicht entgehen lassen dürften. Die Macht
des modernen Kapitalismus beruht lediglich auf der Beherrschung des Marktes.
Sowohl die Landwirtschaft als das Handwerk kranken hauptsächlich daran, daß
sie keinen Markt mehr haben, und die Schwierigkeit der Lage beider beruht
wesentlich darin, daß sie nicht nur einerseits keine Anstalt machen, den Markt
für sich zurückzugewinnen, sondern andrerseits dem Gegner sogar in die Hände
arbeiten durch Unterstützung seiner Intentionen. Haben doch z. B. die bairischen
Landwirte schon verschiedene Versuche gemacht, in München eine Produktenbörse
einzurichten! Sie hofften von derselben, d. h. von der Organisation der Agiotage
mit landwirtschaftlichen Werten, uuglaublicherweise Vorteil für sich, obgleich die
Erfahrung lehrt, daß die Not der produzirenden Klassen in ganz demselben
Maße zunahm, als das Spiel mit den produzirten Werten und mit den Mitteln
der Produktion sich ausdehnte. Man begreift also in praktischen Kreisen so
wenig die tieferen Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, daß man sogar
die Hand bietet zur Steigerung derselben, und daß man den kleinen Punkt
wirtschaftlicher Freiheit, den man allenfalls noch besitzt, den Eingang zum Markte,
sogar verlassen will wegen des Phantoms der Kapitälgewinnung, das man mit
völliger Einschiebung der Börse an die Stelle des Marktes zu gewinnen hofft!

Der moderne Markt setzt aber Billigkeit voraus. Indem die moderne
Wirtschaftspolitik mit der Zeit sich fast ausschließlich auf die Interessen des Handels
zuspitzte, also in die Differenz zwischen Produktionskosten und Konsumtionspreis
den Schwerpunkt der Wirtschaftlichkeit legte, daher auch die Massenproduktion
außerordentlich begünstigte, entzog sie eigentlich erst dem Handwerk den mate¬
riellen Boden des Gedeihens. Sie setzte den Markt immer weiter in die Ferne
und hob mehr und mehr die unmittelbare Verbindung zwischen Produktion und
Konsumtion auf. Unsre industriellen und größtenteils auch unsre gewerblichen
Verhältnisse sind auf deu Export zugespitzt, und man arbeitet immer noch mit
Macht an der Anspannung und Ausdehnung dieses Verhältnisses. Soweit geht
z. B die Verkennung der Vorbedingungen einer gesunden Entwicklung des
Kunstgewerbes selbst bei seinen berufenen Vertretern, daß der kunstgewerbliche
Vereinstag in München einen Beschluß feißte, dahingehend, es möge Vonseiten
der Reichsregierung die Ausfuhr kunstgewerblicher Erzeugnisse gefördert werden.

Hier begiebt man sich in Gefahr, nicht nur ohne Not, sondern sogar indem
man blindlings die Früchte der Arbeit gefährdet und das Arbeitsgebiet, dem
man eine sichere Basis schaffen sollte, einfach in die Luft hängt. Der gesunde
Menschenverstand schon muß sagen, daß die Ergebnisse der Arbeit umso sicherer
und vorteilhafter für den Urheber derselben werden, je mehr ihr Verbrauch auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/604>, abgerufen am 01.09.2024.