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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini.

auszuführen. Außerdem quälte ihn, solange er nicht die Geliebte um sich hatte,
peinvolle Eifersucht; er besorgte jedesmal, wenn er zu ihr ging, die Wohnung
leer zu finden, und wenn sie abwesend war, so stürmte er wie ein Verzweifelter
durch die Straßen, um sie zu suchen. Kurzum, er brachte nichts zustande und
die Pariser Maler, denen Margarete von früher bekannt war und denen sie
Oswald zuführte, wollten, als sie sein Atelier besucht hatten, nicht glauben, daß
dies derselbe Mann sei, der den Triumphzug der Kirche geschaffen, ein Bild, das
in allen illustrirten Journalen verbreitet war und in zahlreichen photographischen
Vervielfältigungen in den Schaufenstern auflag. Die Kunstkritiker, welche in
den ersten Wochen Oswalds Bekanntschaft begehrt und sein Atelier belagert
hatten, glaubten, als sie immer nur Anfänge neuer Ideen und keine einzige
verwirklicht sahen, daß das Talent Oswalds sich völlig erschöpft habe. Es
fehlte in der Umgebung Margaretens, welche wie sonst in Paris ihren Salon
geöffnet hatte, nicht an boshaftem Spott, und ein Artikel im Figaro 8ur l'im-
xuis8!nee ä'un Mtists, der mit frivoler Zweideutigkeit die Ohnmacht eines phan¬
tastischen Malers schilderte, der von Island seiner Geliebten nach Paris gefolgt
sei, wurde von den Eingeweihteren mit Recht auf Oswald und Frau van Köller
bezogen. So fand sich Margarete auch nach dieser Richtung enttäuscht; sie
wollte sich, um in dem Pariser Jargon zu reden, mit Oswald affichiren,
er sollte ein neues Beutestück, ein neuer Triumph ihrer Schönheit sein, und
war nichts als ein Sklave an ihrer Kette, der sogar der Herrin lustig wurde.
Denn seine Eifersucht, welche von Tag zu Tag wuchs und auch nicht ohne
Grund war, kannte bald keine Grenzen mehr. Wer mit Margarete an ihren
Empfangsabenden eifriger sprach, wen sie selbst durch eine freundlichere Unter¬
haltung oder durch die sonstigen kleinen Zeichen weiblicher Gefallsucht auszeichnete,
der lief Gefahr, von Oswald in brutaler Weise brüskirt zu werden, und Mar¬
garetens Gewandtheit und weltkluges Benehmen wurde des öftern auf eine
harte Probe gestellt, um unangenehme Szenen in ihrer eignen Behausung zu
vermeiden. Oswald wurde ihr immer unbequemer, er wich nicht von ihrer
Seite, und sie war genötigt, zu allerlei Mitteln der List ihre Zuflucht zu nehmen,
um nur diejenigen Besuche allein machen und empfangen zu können, zu welchen
sie als Frau van Köller verpflichtet war. In dieser wenig erquicklichen Lage
verging der Winter.

Im Frühjahr machte sie einen kleinen Abstecher nach Amsterdam, konnte
aber nur wenige Tage dort bleiben, weil Oswald trotz des Verbotes ihr nach¬
gereist war und sie furchten mußte, daß selbst das unerschöpfliche Phlegma ihres
Mannes auf das exzentrische Wesen des Landsmannes seiner Gemahlin aufmerksam
gemacht Würde.

Den Sommer 1879 brachte das Paar in einer Villa am Thunersee zu.
Da Margarete sich von ihren nervösen Aufregungen auf Befehl ihres Arztes
in völliger Zurückgezogenheit erholen sollte, so war auch Oswald, der in der


Francesca von Rimini.

auszuführen. Außerdem quälte ihn, solange er nicht die Geliebte um sich hatte,
peinvolle Eifersucht; er besorgte jedesmal, wenn er zu ihr ging, die Wohnung
leer zu finden, und wenn sie abwesend war, so stürmte er wie ein Verzweifelter
durch die Straßen, um sie zu suchen. Kurzum, er brachte nichts zustande und
die Pariser Maler, denen Margarete von früher bekannt war und denen sie
Oswald zuführte, wollten, als sie sein Atelier besucht hatten, nicht glauben, daß
dies derselbe Mann sei, der den Triumphzug der Kirche geschaffen, ein Bild, das
in allen illustrirten Journalen verbreitet war und in zahlreichen photographischen
Vervielfältigungen in den Schaufenstern auflag. Die Kunstkritiker, welche in
den ersten Wochen Oswalds Bekanntschaft begehrt und sein Atelier belagert
hatten, glaubten, als sie immer nur Anfänge neuer Ideen und keine einzige
verwirklicht sahen, daß das Talent Oswalds sich völlig erschöpft habe. Es
fehlte in der Umgebung Margaretens, welche wie sonst in Paris ihren Salon
geöffnet hatte, nicht an boshaftem Spott, und ein Artikel im Figaro 8ur l'im-
xuis8!nee ä'un Mtists, der mit frivoler Zweideutigkeit die Ohnmacht eines phan¬
tastischen Malers schilderte, der von Island seiner Geliebten nach Paris gefolgt
sei, wurde von den Eingeweihteren mit Recht auf Oswald und Frau van Köller
bezogen. So fand sich Margarete auch nach dieser Richtung enttäuscht; sie
wollte sich, um in dem Pariser Jargon zu reden, mit Oswald affichiren,
er sollte ein neues Beutestück, ein neuer Triumph ihrer Schönheit sein, und
war nichts als ein Sklave an ihrer Kette, der sogar der Herrin lustig wurde.
Denn seine Eifersucht, welche von Tag zu Tag wuchs und auch nicht ohne
Grund war, kannte bald keine Grenzen mehr. Wer mit Margarete an ihren
Empfangsabenden eifriger sprach, wen sie selbst durch eine freundlichere Unter¬
haltung oder durch die sonstigen kleinen Zeichen weiblicher Gefallsucht auszeichnete,
der lief Gefahr, von Oswald in brutaler Weise brüskirt zu werden, und Mar¬
garetens Gewandtheit und weltkluges Benehmen wurde des öftern auf eine
harte Probe gestellt, um unangenehme Szenen in ihrer eignen Behausung zu
vermeiden. Oswald wurde ihr immer unbequemer, er wich nicht von ihrer
Seite, und sie war genötigt, zu allerlei Mitteln der List ihre Zuflucht zu nehmen,
um nur diejenigen Besuche allein machen und empfangen zu können, zu welchen
sie als Frau van Köller verpflichtet war. In dieser wenig erquicklichen Lage
verging der Winter.

Im Frühjahr machte sie einen kleinen Abstecher nach Amsterdam, konnte
aber nur wenige Tage dort bleiben, weil Oswald trotz des Verbotes ihr nach¬
gereist war und sie furchten mußte, daß selbst das unerschöpfliche Phlegma ihres
Mannes auf das exzentrische Wesen des Landsmannes seiner Gemahlin aufmerksam
gemacht Würde.

Den Sommer 1879 brachte das Paar in einer Villa am Thunersee zu.
Da Margarete sich von ihren nervösen Aufregungen auf Befehl ihres Arztes
in völliger Zurückgezogenheit erholen sollte, so war auch Oswald, der in der


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[0524] Francesca von Rimini. auszuführen. Außerdem quälte ihn, solange er nicht die Geliebte um sich hatte, peinvolle Eifersucht; er besorgte jedesmal, wenn er zu ihr ging, die Wohnung leer zu finden, und wenn sie abwesend war, so stürmte er wie ein Verzweifelter durch die Straßen, um sie zu suchen. Kurzum, er brachte nichts zustande und die Pariser Maler, denen Margarete von früher bekannt war und denen sie Oswald zuführte, wollten, als sie sein Atelier besucht hatten, nicht glauben, daß dies derselbe Mann sei, der den Triumphzug der Kirche geschaffen, ein Bild, das in allen illustrirten Journalen verbreitet war und in zahlreichen photographischen Vervielfältigungen in den Schaufenstern auflag. Die Kunstkritiker, welche in den ersten Wochen Oswalds Bekanntschaft begehrt und sein Atelier belagert hatten, glaubten, als sie immer nur Anfänge neuer Ideen und keine einzige verwirklicht sahen, daß das Talent Oswalds sich völlig erschöpft habe. Es fehlte in der Umgebung Margaretens, welche wie sonst in Paris ihren Salon geöffnet hatte, nicht an boshaftem Spott, und ein Artikel im Figaro 8ur l'im- xuis8!nee ä'un Mtists, der mit frivoler Zweideutigkeit die Ohnmacht eines phan¬ tastischen Malers schilderte, der von Island seiner Geliebten nach Paris gefolgt sei, wurde von den Eingeweihteren mit Recht auf Oswald und Frau van Köller bezogen. So fand sich Margarete auch nach dieser Richtung enttäuscht; sie wollte sich, um in dem Pariser Jargon zu reden, mit Oswald affichiren, er sollte ein neues Beutestück, ein neuer Triumph ihrer Schönheit sein, und war nichts als ein Sklave an ihrer Kette, der sogar der Herrin lustig wurde. Denn seine Eifersucht, welche von Tag zu Tag wuchs und auch nicht ohne Grund war, kannte bald keine Grenzen mehr. Wer mit Margarete an ihren Empfangsabenden eifriger sprach, wen sie selbst durch eine freundlichere Unter¬ haltung oder durch die sonstigen kleinen Zeichen weiblicher Gefallsucht auszeichnete, der lief Gefahr, von Oswald in brutaler Weise brüskirt zu werden, und Mar¬ garetens Gewandtheit und weltkluges Benehmen wurde des öftern auf eine harte Probe gestellt, um unangenehme Szenen in ihrer eignen Behausung zu vermeiden. Oswald wurde ihr immer unbequemer, er wich nicht von ihrer Seite, und sie war genötigt, zu allerlei Mitteln der List ihre Zuflucht zu nehmen, um nur diejenigen Besuche allein machen und empfangen zu können, zu welchen sie als Frau van Köller verpflichtet war. In dieser wenig erquicklichen Lage verging der Winter. Im Frühjahr machte sie einen kleinen Abstecher nach Amsterdam, konnte aber nur wenige Tage dort bleiben, weil Oswald trotz des Verbotes ihr nach¬ gereist war und sie furchten mußte, daß selbst das unerschöpfliche Phlegma ihres Mannes auf das exzentrische Wesen des Landsmannes seiner Gemahlin aufmerksam gemacht Würde. Den Sommer 1879 brachte das Paar in einer Villa am Thunersee zu. Da Margarete sich von ihren nervösen Aufregungen auf Befehl ihres Arztes in völliger Zurückgezogenheit erholen sollte, so war auch Oswald, der in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/524>, abgerufen am 28.07.2024.