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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Die historische Kommission in München.

Biographie ist. Was sollen ferner dem Forscher die vielfachen langen Auszüge
ans Schriften behandelter Autoren? Die Allgemeine Biographie, wird man ein¬
wenden, ist eben nicht bloß für wissenschaftliche Benutzer bestimmt, sondern für
jeden Gebildeten überhaupt. Das mag sein; wir glauben aber nicht, daß
diese Absicht ihr Ziel erreichen wird. Im allgemeinen wird dem nicht wissen¬
schaftlich Arbeitenden für den Fall, daß er sich über irgendeine ihn näher
interessierende Persönlichkeit unterrichten will, das in unsern meist trefflichen
Konversationslexicis Gebotene genügen. Wünscht er mehr zu erfahren, so greift
er gewiß lieber zu einer Monographie oder bei einer Figur aus der politischen
Geschichte zu einer Darstellung der betreffenden Zeit. So werden gerade die
großem Artikel der allgemeinen Biographie nicht entsprechend benutzt werden.
Die Biographie soll ein Nachschlagewerk, kein, wenn mich noch so treffliches
Lesebuch sein, das ja obendrein den meisten Privatleuten viel zu teuer sein dürfte.

Umso freudiger begrüßen wir Erweiterungen in der Zahl derjenigen, welche
in das Werk Aufnahme finden. Hier sollte man unsers Trachtens nicht zu
skrupulös sein, und man ist es zum Glück auch nicht. Auch die kleineren Geister,
über deren Leben uns unsre sonstigen Hilfsmittel meist im Stich lassen, dürfen
nicht übergangen werden. Gerade für Angaben über weniger allgemein bekannte
Persönlichkeiten wird man gern die Biographie zu Rate ziehen und umso dank¬
barer für die erhaltene Belehrung sein, je genauer die für einen solchen Artikel
benutzte Literatur verzeichnet ist.

Noch aber haben wir einen andern Wunsch auf dem Herzen, der sich an
die Mitarbeiter des Werkes richtet. Er betrifft den Ton in der Abfassung der
Artikel, der vielfach garnicht getroffen wird. Gewiß verdient es das höchste
Lob, wenn auch hier ein gewandter, flüssiger Stil an die Stelle einer schwer¬
fälligen, pedantischen Ausdrucksweise tritt, die leider noch so häufig den deut¬
schen Gelehrten auszeichnet. Aber zwischen stilistischer Gewandtheit und fcuille-
tvnistischer Redseligkeit, welche überall mit Schlagwörtern prunkt und sich auf
Bonmots etwas zu Gute thut, ist doch ein gewaltiger Unterschied. Leider
fehlt es in der Biographie nicht an solchen Artikeln, und ihnen zur Seite stehen
solche, in denen eine Anzahl jüngerer Literarhistoriker sich in burschikosester Weise
gehen läßt und die saloppe Manier ihrer Rezensionen auch in dieses Monu¬
mentalwerk überträgt, das vor solchem jugendlichen Übermut gesichert sein sollte.

Daß wir mit diesen Klagen nicht allein stehen, beweist das letzte Zirkular,
welches die beiden Redakteure an ihre Mitarbeiter haben ausgehen lassen. Auch
sie klage" über die Überschreitung des Maßes der einzelnen Artikel, merkwür¬
digerweise aber mehr bei denen dritten und vierten Ranges, und sprechen den
dringenden Wunsch aus, dieselben rechtzeitig abgeliefert zu erhalten. Leider
könnten wir an mehreren Beispielen, die uns zufällig zu Ohren gekommen find,
oder von denen wir durch die Betreffenden selbst Kunde haben, zeigen, wie sehr
auch in dieser Beziehung von einzelnen Mitarbeitern gefehlt wird.


Die historische Kommission in München.

Biographie ist. Was sollen ferner dem Forscher die vielfachen langen Auszüge
ans Schriften behandelter Autoren? Die Allgemeine Biographie, wird man ein¬
wenden, ist eben nicht bloß für wissenschaftliche Benutzer bestimmt, sondern für
jeden Gebildeten überhaupt. Das mag sein; wir glauben aber nicht, daß
diese Absicht ihr Ziel erreichen wird. Im allgemeinen wird dem nicht wissen¬
schaftlich Arbeitenden für den Fall, daß er sich über irgendeine ihn näher
interessierende Persönlichkeit unterrichten will, das in unsern meist trefflichen
Konversationslexicis Gebotene genügen. Wünscht er mehr zu erfahren, so greift
er gewiß lieber zu einer Monographie oder bei einer Figur aus der politischen
Geschichte zu einer Darstellung der betreffenden Zeit. So werden gerade die
großem Artikel der allgemeinen Biographie nicht entsprechend benutzt werden.
Die Biographie soll ein Nachschlagewerk, kein, wenn mich noch so treffliches
Lesebuch sein, das ja obendrein den meisten Privatleuten viel zu teuer sein dürfte.

Umso freudiger begrüßen wir Erweiterungen in der Zahl derjenigen, welche
in das Werk Aufnahme finden. Hier sollte man unsers Trachtens nicht zu
skrupulös sein, und man ist es zum Glück auch nicht. Auch die kleineren Geister,
über deren Leben uns unsre sonstigen Hilfsmittel meist im Stich lassen, dürfen
nicht übergangen werden. Gerade für Angaben über weniger allgemein bekannte
Persönlichkeiten wird man gern die Biographie zu Rate ziehen und umso dank¬
barer für die erhaltene Belehrung sein, je genauer die für einen solchen Artikel
benutzte Literatur verzeichnet ist.

Noch aber haben wir einen andern Wunsch auf dem Herzen, der sich an
die Mitarbeiter des Werkes richtet. Er betrifft den Ton in der Abfassung der
Artikel, der vielfach garnicht getroffen wird. Gewiß verdient es das höchste
Lob, wenn auch hier ein gewandter, flüssiger Stil an die Stelle einer schwer¬
fälligen, pedantischen Ausdrucksweise tritt, die leider noch so häufig den deut¬
schen Gelehrten auszeichnet. Aber zwischen stilistischer Gewandtheit und fcuille-
tvnistischer Redseligkeit, welche überall mit Schlagwörtern prunkt und sich auf
Bonmots etwas zu Gute thut, ist doch ein gewaltiger Unterschied. Leider
fehlt es in der Biographie nicht an solchen Artikeln, und ihnen zur Seite stehen
solche, in denen eine Anzahl jüngerer Literarhistoriker sich in burschikosester Weise
gehen läßt und die saloppe Manier ihrer Rezensionen auch in dieses Monu¬
mentalwerk überträgt, das vor solchem jugendlichen Übermut gesichert sein sollte.

Daß wir mit diesen Klagen nicht allein stehen, beweist das letzte Zirkular,
welches die beiden Redakteure an ihre Mitarbeiter haben ausgehen lassen. Auch
sie klage« über die Überschreitung des Maßes der einzelnen Artikel, merkwür¬
digerweise aber mehr bei denen dritten und vierten Ranges, und sprechen den
dringenden Wunsch aus, dieselben rechtzeitig abgeliefert zu erhalten. Leider
könnten wir an mehreren Beispielen, die uns zufällig zu Ohren gekommen find,
oder von denen wir durch die Betreffenden selbst Kunde haben, zeigen, wie sehr
auch in dieser Beziehung von einzelnen Mitarbeitern gefehlt wird.


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[0495] Die historische Kommission in München. Biographie ist. Was sollen ferner dem Forscher die vielfachen langen Auszüge ans Schriften behandelter Autoren? Die Allgemeine Biographie, wird man ein¬ wenden, ist eben nicht bloß für wissenschaftliche Benutzer bestimmt, sondern für jeden Gebildeten überhaupt. Das mag sein; wir glauben aber nicht, daß diese Absicht ihr Ziel erreichen wird. Im allgemeinen wird dem nicht wissen¬ schaftlich Arbeitenden für den Fall, daß er sich über irgendeine ihn näher interessierende Persönlichkeit unterrichten will, das in unsern meist trefflichen Konversationslexicis Gebotene genügen. Wünscht er mehr zu erfahren, so greift er gewiß lieber zu einer Monographie oder bei einer Figur aus der politischen Geschichte zu einer Darstellung der betreffenden Zeit. So werden gerade die großem Artikel der allgemeinen Biographie nicht entsprechend benutzt werden. Die Biographie soll ein Nachschlagewerk, kein, wenn mich noch so treffliches Lesebuch sein, das ja obendrein den meisten Privatleuten viel zu teuer sein dürfte. Umso freudiger begrüßen wir Erweiterungen in der Zahl derjenigen, welche in das Werk Aufnahme finden. Hier sollte man unsers Trachtens nicht zu skrupulös sein, und man ist es zum Glück auch nicht. Auch die kleineren Geister, über deren Leben uns unsre sonstigen Hilfsmittel meist im Stich lassen, dürfen nicht übergangen werden. Gerade für Angaben über weniger allgemein bekannte Persönlichkeiten wird man gern die Biographie zu Rate ziehen und umso dank¬ barer für die erhaltene Belehrung sein, je genauer die für einen solchen Artikel benutzte Literatur verzeichnet ist. Noch aber haben wir einen andern Wunsch auf dem Herzen, der sich an die Mitarbeiter des Werkes richtet. Er betrifft den Ton in der Abfassung der Artikel, der vielfach garnicht getroffen wird. Gewiß verdient es das höchste Lob, wenn auch hier ein gewandter, flüssiger Stil an die Stelle einer schwer¬ fälligen, pedantischen Ausdrucksweise tritt, die leider noch so häufig den deut¬ schen Gelehrten auszeichnet. Aber zwischen stilistischer Gewandtheit und fcuille- tvnistischer Redseligkeit, welche überall mit Schlagwörtern prunkt und sich auf Bonmots etwas zu Gute thut, ist doch ein gewaltiger Unterschied. Leider fehlt es in der Biographie nicht an solchen Artikeln, und ihnen zur Seite stehen solche, in denen eine Anzahl jüngerer Literarhistoriker sich in burschikosester Weise gehen läßt und die saloppe Manier ihrer Rezensionen auch in dieses Monu¬ mentalwerk überträgt, das vor solchem jugendlichen Übermut gesichert sein sollte. Daß wir mit diesen Klagen nicht allein stehen, beweist das letzte Zirkular, welches die beiden Redakteure an ihre Mitarbeiter haben ausgehen lassen. Auch sie klage« über die Überschreitung des Maßes der einzelnen Artikel, merkwür¬ digerweise aber mehr bei denen dritten und vierten Ranges, und sprechen den dringenden Wunsch aus, dieselben rechtzeitig abgeliefert zu erhalten. Leider könnten wir an mehreren Beispielen, die uns zufällig zu Ohren gekommen find, oder von denen wir durch die Betreffenden selbst Kunde haben, zeigen, wie sehr auch in dieser Beziehung von einzelnen Mitarbeitern gefehlt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/495>, abgerufen am 28.07.2024.