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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Botho von Hülsen und seine Leute,

es die sanguinische und in feurigem Thcciterdrang fortstürmende Jugend im Ur¬
teile" über öffentliche Dinge besitzt.


Leicht bei einander wohnen die Gedanken,
Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.

Niemand erprobt die Weisheit dieser Lehre gründlicher als ein Theaterchef.
Deshalb ist es mindestens unvorsichtig, früher zu urteilen, ehe die Verteidigung
vernommen worden ist. "Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede, man
soll sie hören alle beede," steht in dem Baseler Rathsaal. Solange dies nicht
angeht, soll man mit seinem Verdikt zurückhalten oder mindestens eine Form
dafür wählen, welche einen ehrenvollen Rückzug offen läßt. Daß Herr Schlcn-
ther sich mit seinen Voraussetzungen nicht ans dem sichern Boden der That¬
sachen befindet, ist ihm vor kurzem schon in der "Berliner Börsenzeitung" durch
eine eingeweihte Feder nachgewiesen worden, die verschiedne seiner Angaben, aus
welchen er folgenschwere Schlüsse zu Ungunsten der Theciterleitnng zieht, als
vollständig irrig nachweist, u. c>. auch die Annahme, daß Herr von Hülsen nie¬
mals daran gedacht habe, einen Dramaturgen wie Laube zum Beistande zu
gewinnen. Es heißt mit Bezug hierauf: "Als Laube von der Leitung des
Hofbnrgtheaters zurücktrat, that er es bekanntlich darum, weil man es in Wien
für notwendig fand, dem Bühnenintendanten jene weitern Befugnisse zu erteilen,
welche Laube bis dahin inne hatte, und zwar Abschluß von Engagements, Kün¬
digungen und Erwerbung von Novitäten. Auf diese Bedingungen wollte aber
Laube nicht eingehen, denn er erkannte darin einen Verlust des ihm bisher ge¬
schenkten Vertrauens. Bei Annahme von Stücken für ein Hoftheater sind eben
nicht nur ethische Rücksichten maßgebend. Um nur einen Grund der neuen
Geschäftseinteilung anzuführen: um jene Zeit unterhandelte Herr von Hülsen
mit Heinrich Laube und wollte ihn als Direktor für das königliche Schauspiel¬
haus gewinnen. Aber Laube stellte auch hier Forderungen, die den Intendanten
depossedirt hätten, und daran scheiterte der Eintritt Laubes in den Verband der
königlichen Bühne. Solcher Anekdoten gäbe es noch mehrere zu erzählen, aber
die Zeit dazu ist noch nicht gekommen." Solche Nachweise von Irrtümern,
deren der beregte Artikel noch mehrere enthielt, sollten eine Mahnung zur stren¬
gern Sichtung des Materials^ und zur Vorsicht sein, wenn Herr Schlenther
in Zukunft auf die Meinung ernster und im Punkte der Gerechtigkeit strenger
denkender Männer etwas geben will.

Ob Herr von Hülsen bisher ein guter oder ein schlechter Theaterchef ge¬
wesen ist, ob seine Verdienste oder seine Fehler überwiegen, darüber traue ich
mir ohne genaue Kenntnis der innern Verwaltungsgeschichte des Berliner
Theaters kein Urteil zu, und bloß nach den äußern Vorgängen und Erschei¬
nungen zu richten halte ich für unzulässig. Ich bin deshalb auch weit entfernt,
im Vorstehenden etwa eine Apologie seiner Geschäftsführung zu beabsichtigen,


Botho von Hülsen und seine Leute,

es die sanguinische und in feurigem Thcciterdrang fortstürmende Jugend im Ur¬
teile» über öffentliche Dinge besitzt.


Leicht bei einander wohnen die Gedanken,
Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.

Niemand erprobt die Weisheit dieser Lehre gründlicher als ein Theaterchef.
Deshalb ist es mindestens unvorsichtig, früher zu urteilen, ehe die Verteidigung
vernommen worden ist. „Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede, man
soll sie hören alle beede," steht in dem Baseler Rathsaal. Solange dies nicht
angeht, soll man mit seinem Verdikt zurückhalten oder mindestens eine Form
dafür wählen, welche einen ehrenvollen Rückzug offen läßt. Daß Herr Schlcn-
ther sich mit seinen Voraussetzungen nicht ans dem sichern Boden der That¬
sachen befindet, ist ihm vor kurzem schon in der „Berliner Börsenzeitung" durch
eine eingeweihte Feder nachgewiesen worden, die verschiedne seiner Angaben, aus
welchen er folgenschwere Schlüsse zu Ungunsten der Theciterleitnng zieht, als
vollständig irrig nachweist, u. c>. auch die Annahme, daß Herr von Hülsen nie¬
mals daran gedacht habe, einen Dramaturgen wie Laube zum Beistande zu
gewinnen. Es heißt mit Bezug hierauf: „Als Laube von der Leitung des
Hofbnrgtheaters zurücktrat, that er es bekanntlich darum, weil man es in Wien
für notwendig fand, dem Bühnenintendanten jene weitern Befugnisse zu erteilen,
welche Laube bis dahin inne hatte, und zwar Abschluß von Engagements, Kün¬
digungen und Erwerbung von Novitäten. Auf diese Bedingungen wollte aber
Laube nicht eingehen, denn er erkannte darin einen Verlust des ihm bisher ge¬
schenkten Vertrauens. Bei Annahme von Stücken für ein Hoftheater sind eben
nicht nur ethische Rücksichten maßgebend. Um nur einen Grund der neuen
Geschäftseinteilung anzuführen: um jene Zeit unterhandelte Herr von Hülsen
mit Heinrich Laube und wollte ihn als Direktor für das königliche Schauspiel¬
haus gewinnen. Aber Laube stellte auch hier Forderungen, die den Intendanten
depossedirt hätten, und daran scheiterte der Eintritt Laubes in den Verband der
königlichen Bühne. Solcher Anekdoten gäbe es noch mehrere zu erzählen, aber
die Zeit dazu ist noch nicht gekommen." Solche Nachweise von Irrtümern,
deren der beregte Artikel noch mehrere enthielt, sollten eine Mahnung zur stren¬
gern Sichtung des Materials^ und zur Vorsicht sein, wenn Herr Schlenther
in Zukunft auf die Meinung ernster und im Punkte der Gerechtigkeit strenger
denkender Männer etwas geben will.

Ob Herr von Hülsen bisher ein guter oder ein schlechter Theaterchef ge¬
wesen ist, ob seine Verdienste oder seine Fehler überwiegen, darüber traue ich
mir ohne genaue Kenntnis der innern Verwaltungsgeschichte des Berliner
Theaters kein Urteil zu, und bloß nach den äußern Vorgängen und Erschei¬
nungen zu richten halte ich für unzulässig. Ich bin deshalb auch weit entfernt,
im Vorstehenden etwa eine Apologie seiner Geschäftsführung zu beabsichtigen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/45>, abgerufen am 27.07.2024.