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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das neue Aktiengesetz.

zahlung von fünfundzwanzig Prozent von den Mitgliedern des Vorstandes,
Anfsichtsrats und von den Gründern als erfolgt versichert werde, und stellt die
wissentlich falsche Versicherung unter schwere Strafe (bis zu fünf Jahren Ge¬
fängnis oder 20 000 Mark).

Kann man in allen diesen Vorschriften schon einen erheblichen Fortschritt
dem bisherigen Recht gegenüber erblicken, so läßt sich doch der Entwurf damit
nicht genügen. Bisher war -- wie erwähnt -- die Gesellschaft' in dem Grün¬
dungsstadium völlig schutzlos, der diskreten Behandlung der Gründer ans Gnade
und Ungnade ergeben. Der Entwurf sorgt dafür, daß die Gesellschaft schon
in dieser Epoche einen Vorstand und Aufsichtsrat erhält, und verpflichtet diese
Organe zu einer sorgfältigen Prüfung des ganzen Gründungshergangs. Sodann
werden die auf denselben bezüglichen Urkunden, darunter auch der Prüfungs¬
bericht der Gesellschaftsorgane, auf dem Handelsgericht zur Einsicht von jeder¬
mann niedergelegt.

Endlich hat bei der Successivgründnng der Handelsrichter die Zeichner
zur kvnstituirenden Generalversammlung zu berufen. Der Richter hat jedoch
keineswegs materiell in die Versammlung einzugreifen, er soll sie nur leiten und
verhindern, daß die Gründer ihnen mißliebige Gegenstände unterdrücken. Diese
Stellung des Richters scheint nicht ohne Bedenken. Besser wäre es gewesen,
auch materiell eine Prüfung zu übertragen und ihn dabei von Abgeordneten
der Handelskammer unterstützt zu sehen, ihm die Befugnis zu erteilen, die Auf¬
klärung bestimmter Vorgänge zu fordern und bis dahin die Eintragung zu ver¬
sagen. Nach der gegenwärtigen Konstruktion erweckt der Richter den Schein
dieser Garantie, die er in Wirklichkeit nicht bietet; nach diesen Vorschriften würde
es unsers Erachtens nichts ausmachen, wenn die konstituirende Generalver¬
sammlung ganz wegfiele, zumal da neues in ihr schwerlich zu Tage treten
wird. Ist die ihr vorangehende Prüfung eine ernstliche, sorgt die anständige
Presse dafür, daß die Urkunden, welche sich auf dem Handelsregister befinden,
vollständig zur Kenntnis des Publikums gelangen, dann dürfte das letztere aus¬
reichend unterrichtet sein, um sich ein eignes Urteil 'zu bilden.

Daß aber die auf die Gründung erforderlichen Angaben richtig gemacht
werden und die Prüfung eine sorgfältige sei, dafür trifft der Entwurf nicht
bloß durch strenge Strafvorschriften, sondern auch durch zivile Haftung der
Gründer und der Gesellschaftsorgane ausreichende Vorkehrung. Die Gründer sind
der Gesellschaft für die Richtigkeit und Vollständigkeit der von dem Entwurf gefor¬
derten Angaben solidarisch haftbar, sie müssen namentlich für jeden an der Zeichnung
fehlenden Betrag einstehen, jede nicht in den Gründungsaufwand aufgenommene
Vergütung ersetzen. Ebenso haften sie auch bei höflicher Schädigung der Ge¬
sellschaft durch die etwaigen Einlagen, und mit ihnen haften ihre sonstigen Teil¬
nehmer und Helfershelfer. "In der verflossenen Zeit -- bemerken die Motive --
war der Hauptschaden wesentlich dadurch veranlaßt, daß das Publikum durch


Grenzboten IV. 1883, 43
Das neue Aktiengesetz.

zahlung von fünfundzwanzig Prozent von den Mitgliedern des Vorstandes,
Anfsichtsrats und von den Gründern als erfolgt versichert werde, und stellt die
wissentlich falsche Versicherung unter schwere Strafe (bis zu fünf Jahren Ge¬
fängnis oder 20 000 Mark).

Kann man in allen diesen Vorschriften schon einen erheblichen Fortschritt
dem bisherigen Recht gegenüber erblicken, so läßt sich doch der Entwurf damit
nicht genügen. Bisher war — wie erwähnt — die Gesellschaft' in dem Grün¬
dungsstadium völlig schutzlos, der diskreten Behandlung der Gründer ans Gnade
und Ungnade ergeben. Der Entwurf sorgt dafür, daß die Gesellschaft schon
in dieser Epoche einen Vorstand und Aufsichtsrat erhält, und verpflichtet diese
Organe zu einer sorgfältigen Prüfung des ganzen Gründungshergangs. Sodann
werden die auf denselben bezüglichen Urkunden, darunter auch der Prüfungs¬
bericht der Gesellschaftsorgane, auf dem Handelsgericht zur Einsicht von jeder¬
mann niedergelegt.

Endlich hat bei der Successivgründnng der Handelsrichter die Zeichner
zur kvnstituirenden Generalversammlung zu berufen. Der Richter hat jedoch
keineswegs materiell in die Versammlung einzugreifen, er soll sie nur leiten und
verhindern, daß die Gründer ihnen mißliebige Gegenstände unterdrücken. Diese
Stellung des Richters scheint nicht ohne Bedenken. Besser wäre es gewesen,
auch materiell eine Prüfung zu übertragen und ihn dabei von Abgeordneten
der Handelskammer unterstützt zu sehen, ihm die Befugnis zu erteilen, die Auf¬
klärung bestimmter Vorgänge zu fordern und bis dahin die Eintragung zu ver¬
sagen. Nach der gegenwärtigen Konstruktion erweckt der Richter den Schein
dieser Garantie, die er in Wirklichkeit nicht bietet; nach diesen Vorschriften würde
es unsers Erachtens nichts ausmachen, wenn die konstituirende Generalver¬
sammlung ganz wegfiele, zumal da neues in ihr schwerlich zu Tage treten
wird. Ist die ihr vorangehende Prüfung eine ernstliche, sorgt die anständige
Presse dafür, daß die Urkunden, welche sich auf dem Handelsregister befinden,
vollständig zur Kenntnis des Publikums gelangen, dann dürfte das letztere aus¬
reichend unterrichtet sein, um sich ein eignes Urteil 'zu bilden.

Daß aber die auf die Gründung erforderlichen Angaben richtig gemacht
werden und die Prüfung eine sorgfältige sei, dafür trifft der Entwurf nicht
bloß durch strenge Strafvorschriften, sondern auch durch zivile Haftung der
Gründer und der Gesellschaftsorgane ausreichende Vorkehrung. Die Gründer sind
der Gesellschaft für die Richtigkeit und Vollständigkeit der von dem Entwurf gefor¬
derten Angaben solidarisch haftbar, sie müssen namentlich für jeden an der Zeichnung
fehlenden Betrag einstehen, jede nicht in den Gründungsaufwand aufgenommene
Vergütung ersetzen. Ebenso haften sie auch bei höflicher Schädigung der Ge¬
sellschaft durch die etwaigen Einlagen, und mit ihnen haften ihre sonstigen Teil¬
nehmer und Helfershelfer. „In der verflossenen Zeit — bemerken die Motive —
war der Hauptschaden wesentlich dadurch veranlaßt, daß das Publikum durch


Grenzboten IV. 1883, 43
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[0347] Das neue Aktiengesetz. zahlung von fünfundzwanzig Prozent von den Mitgliedern des Vorstandes, Anfsichtsrats und von den Gründern als erfolgt versichert werde, und stellt die wissentlich falsche Versicherung unter schwere Strafe (bis zu fünf Jahren Ge¬ fängnis oder 20 000 Mark). Kann man in allen diesen Vorschriften schon einen erheblichen Fortschritt dem bisherigen Recht gegenüber erblicken, so läßt sich doch der Entwurf damit nicht genügen. Bisher war — wie erwähnt — die Gesellschaft' in dem Grün¬ dungsstadium völlig schutzlos, der diskreten Behandlung der Gründer ans Gnade und Ungnade ergeben. Der Entwurf sorgt dafür, daß die Gesellschaft schon in dieser Epoche einen Vorstand und Aufsichtsrat erhält, und verpflichtet diese Organe zu einer sorgfältigen Prüfung des ganzen Gründungshergangs. Sodann werden die auf denselben bezüglichen Urkunden, darunter auch der Prüfungs¬ bericht der Gesellschaftsorgane, auf dem Handelsgericht zur Einsicht von jeder¬ mann niedergelegt. Endlich hat bei der Successivgründnng der Handelsrichter die Zeichner zur kvnstituirenden Generalversammlung zu berufen. Der Richter hat jedoch keineswegs materiell in die Versammlung einzugreifen, er soll sie nur leiten und verhindern, daß die Gründer ihnen mißliebige Gegenstände unterdrücken. Diese Stellung des Richters scheint nicht ohne Bedenken. Besser wäre es gewesen, auch materiell eine Prüfung zu übertragen und ihn dabei von Abgeordneten der Handelskammer unterstützt zu sehen, ihm die Befugnis zu erteilen, die Auf¬ klärung bestimmter Vorgänge zu fordern und bis dahin die Eintragung zu ver¬ sagen. Nach der gegenwärtigen Konstruktion erweckt der Richter den Schein dieser Garantie, die er in Wirklichkeit nicht bietet; nach diesen Vorschriften würde es unsers Erachtens nichts ausmachen, wenn die konstituirende Generalver¬ sammlung ganz wegfiele, zumal da neues in ihr schwerlich zu Tage treten wird. Ist die ihr vorangehende Prüfung eine ernstliche, sorgt die anständige Presse dafür, daß die Urkunden, welche sich auf dem Handelsregister befinden, vollständig zur Kenntnis des Publikums gelangen, dann dürfte das letztere aus¬ reichend unterrichtet sein, um sich ein eignes Urteil 'zu bilden. Daß aber die auf die Gründung erforderlichen Angaben richtig gemacht werden und die Prüfung eine sorgfältige sei, dafür trifft der Entwurf nicht bloß durch strenge Strafvorschriften, sondern auch durch zivile Haftung der Gründer und der Gesellschaftsorgane ausreichende Vorkehrung. Die Gründer sind der Gesellschaft für die Richtigkeit und Vollständigkeit der von dem Entwurf gefor¬ derten Angaben solidarisch haftbar, sie müssen namentlich für jeden an der Zeichnung fehlenden Betrag einstehen, jede nicht in den Gründungsaufwand aufgenommene Vergütung ersetzen. Ebenso haften sie auch bei höflicher Schädigung der Ge¬ sellschaft durch die etwaigen Einlagen, und mit ihnen haften ihre sonstigen Teil¬ nehmer und Helfershelfer. „In der verflossenen Zeit — bemerken die Motive — war der Hauptschaden wesentlich dadurch veranlaßt, daß das Publikum durch Grenzboten IV. 1883, 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/347>, abgerufen am 27.07.2024.