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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini.
Und ich sah sie gnädig blicken,
Huldvoll mit dem Haupte nicken,
Wollte meine Schuld versüßen,
Lieblich sollt' ich bei ihr büßen,
Legte ihren Arm in meinen,
Mich auf ewig ihr zu einen:
Sieh! das Paradies ist nah!
Angelina!
In der Gondel mußt' ich beichten,
Kirche war <üg.uals Ars-nah,
Statt der Kerzen Sterneleuchten,
Dunkel war es auf dem Strande.
"Weil zu oft er wollte nippen
An der Mädchen Rosenlippen,
Muß den Sünder mit dem Munde
Heil'gen ich, daß er gesunde."
Sprcichs und küßte ohne Ende,
Und ich küßte Mund und Hände.
Sieh! das Paradies war nah!
Angelina!
Isola ti Torcello.
Torcello, einsam und vergessen
Vom Menschenstrom, vom Weltverkehr,
Liegst dn verlassen, ungemessen
Umspielt dich rings das blaue Meer. Es zeugen die geborstnen Mauern
Von alter Herrlichkeit und Pracht,
An den Lagunen Weiden trauern,
Wo einst das Leben froh gelacht. Es wuchert Gras auf der Piazza,
Leer steht der heil'gen Fosca Haus,
Vom Domhof treibet die Ragazza
Die Gänse auf die Weide aus. Ein grausig Denkmal ist geblieben,
Der "Gottesgeisel" Lagerstatt,
Mit blut'ger Schrift hat einst geschrieben
Hier Etzel das Geschick der Stadt. Auf einem Kirchhof weilst du träumend,
Wer löst das Rätsel auf dem Stein?
Wer kennt das Leben, das einst schäumend
Durchströme das modernde Gebein? Es waren Menschen! Laß genügen
Dir dieses Wort, an Inhalt reich,
Sie kämpften, die hier unten liegen,
Und ruhn jetzt ans, im Staube gleich.

Francesca von Rimini.
Und ich sah sie gnädig blicken,
Huldvoll mit dem Haupte nicken,
Wollte meine Schuld versüßen,
Lieblich sollt' ich bei ihr büßen,
Legte ihren Arm in meinen,
Mich auf ewig ihr zu einen:
Sieh! das Paradies ist nah!
Angelina!
In der Gondel mußt' ich beichten,
Kirche war <üg.uals Ars-nah,
Statt der Kerzen Sterneleuchten,
Dunkel war es auf dem Strande.
„Weil zu oft er wollte nippen
An der Mädchen Rosenlippen,
Muß den Sünder mit dem Munde
Heil'gen ich, daß er gesunde."
Sprcichs und küßte ohne Ende,
Und ich küßte Mund und Hände.
Sieh! das Paradies war nah!
Angelina!
Isola ti Torcello.
Torcello, einsam und vergessen
Vom Menschenstrom, vom Weltverkehr,
Liegst dn verlassen, ungemessen
Umspielt dich rings das blaue Meer. Es zeugen die geborstnen Mauern
Von alter Herrlichkeit und Pracht,
An den Lagunen Weiden trauern,
Wo einst das Leben froh gelacht. Es wuchert Gras auf der Piazza,
Leer steht der heil'gen Fosca Haus,
Vom Domhof treibet die Ragazza
Die Gänse auf die Weide aus. Ein grausig Denkmal ist geblieben,
Der „Gottesgeisel" Lagerstatt,
Mit blut'ger Schrift hat einst geschrieben
Hier Etzel das Geschick der Stadt. Auf einem Kirchhof weilst du träumend,
Wer löst das Rätsel auf dem Stein?
Wer kennt das Leben, das einst schäumend
Durchströme das modernde Gebein? Es waren Menschen! Laß genügen
Dir dieses Wort, an Inhalt reich,
Sie kämpften, die hier unten liegen,
Und ruhn jetzt ans, im Staube gleich.

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[0329] Francesca von Rimini. Und ich sah sie gnädig blicken, Huldvoll mit dem Haupte nicken, Wollte meine Schuld versüßen, Lieblich sollt' ich bei ihr büßen, Legte ihren Arm in meinen, Mich auf ewig ihr zu einen: Sieh! das Paradies ist nah! Angelina! In der Gondel mußt' ich beichten, Kirche war <üg.uals Ars-nah, Statt der Kerzen Sterneleuchten, Dunkel war es auf dem Strande. „Weil zu oft er wollte nippen An der Mädchen Rosenlippen, Muß den Sünder mit dem Munde Heil'gen ich, daß er gesunde." Sprcichs und küßte ohne Ende, Und ich küßte Mund und Hände. Sieh! das Paradies war nah! Angelina! Isola ti Torcello. Torcello, einsam und vergessen Vom Menschenstrom, vom Weltverkehr, Liegst dn verlassen, ungemessen Umspielt dich rings das blaue Meer. Es zeugen die geborstnen Mauern Von alter Herrlichkeit und Pracht, An den Lagunen Weiden trauern, Wo einst das Leben froh gelacht. Es wuchert Gras auf der Piazza, Leer steht der heil'gen Fosca Haus, Vom Domhof treibet die Ragazza Die Gänse auf die Weide aus. Ein grausig Denkmal ist geblieben, Der „Gottesgeisel" Lagerstatt, Mit blut'ger Schrift hat einst geschrieben Hier Etzel das Geschick der Stadt. Auf einem Kirchhof weilst du träumend, Wer löst das Rätsel auf dem Stein? Wer kennt das Leben, das einst schäumend Durchströme das modernde Gebein? Es waren Menschen! Laß genügen Dir dieses Wort, an Inhalt reich, Sie kämpften, die hier unten liegen, Und ruhn jetzt ans, im Staube gleich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/329>, abgerufen am 28.07.2024.