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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das neue Aktiengesetz.

Europa genommen hat, doch nicht in der Lage ist, für die Gründung -- und
das ist die Hauptsache -- den richtigen Weg in Zukunft zu erzwingen? Mi߬
lingt anch dieser gesetzgeberische Versuch -- falls der Entwurf Gesetz werden
sollte --, dann kennt, deß sind wir sicher, ein künftiges Aktiengesctz die Kom¬
manditgesellschaft auf Aktien als ein besondres Gebilde nicht mehr.


4.

Es ist schon oben bemerkt worden, daß als der bedeutendste Reform¬
vorschlag des Entwurfs derjenige betrachtet werden kann, nach welchem der
Nominalbetrag für Namensaktien ans 1000 Mark, für Inhaberaktien auf
5000 Mark erhöht wird. Ausnahmslos aufgestellt, würde diese Bestimmung ein
sehr zweischneidiges Schwert sein. Allein der Entwurf läßt Ausnahmen zu,
indem er den Kanzler ermächtigt, die Ausgabe von Namensaktien nicht unter
200 Mark Gesellschaften zu gestatten, welche entweder gemeinnützige Zwecke ver¬
salzen oder bezüglich deren der Staat, Kreis oder eine sonstige öffentliche Kor¬
poration einen bestimmten Ertrag ohne Einschränkung auf Zeit oder Bedingungen
gewährleistet hat. Erster" Falles ist an verschiedne lokale Unternehmungen
(Vizinalbahnen, Pferdeeisenbahnen, Gas-, Wasser-, Badeanstalten) gedacht, deren
Zustandekommen bei einer zu großen Quote der Einzelbeteiligung gefährdet
sein würde. Letzten Falles wird Vorsorge getroffen, daß das kleine Kapital
eine sichere Anlage findet und sich nicht etwa in ausländische Spekulationen
ergießt.

Dabei räumt der Entwurf noch einen andern Übelstand aus dem Wege.
Verschiedne Gesellschaften, namentlich Eisenbahnen, die genötigt waren, bei Er¬
weiterung ihres Unternehmens -- Herr Stroußberg hat es sogar gleich an¬
fangs gethan -- neue Kapitalien aufzunehmen, haben zu diesem Zwecke oft Aktien
von verschiedner Berechtigung ausgegeben, die im Verkehr als Stammprioritäts¬
und Prioritätsaktien, nach verschiednen Serien, Buchstaben, u. s. w. figuriren. Das
Rechtsverhältnis dieser verschieden berechtigten Aktionäre ist ein sehr mannich-
faltiges, sodaß nicht selten über einzelne Fragen zahlreiche Prozesse angestellt
werden mußten. Der Entwurf hat sich zwar der Lösung dieser Fragen enthalten
müssen, weil sie zu sehr von den konkreten Verhältnissen abhängen und zum Teil
auf wohlerworbenen Rechten beruhen. Allein er hat doch Vorsorge getroffen,
daß einmal das Stimmverhältnis der verschiedne" Arten untereinander und sodann
die wichtigsten Rechte derselben im Statut geregelt werden müssen. Jeder Ak¬
tionär soll klar wissen, welche Rechte ihm zustehen.

Der Erhöhung des Nominalbetrages der Aktie wäre aber keine Bedeutung
beizulegen, wenn nicht Hand in Hand damit eine Reform des bisherigen Rechts
über die Haftung aus der Zeichnung verknüpft wäre. Unter der Herrschaft der
Novelle von 1870 konnte statutenmäßig eine Befreiung der ersten Zeichner von
den 40 Prozent übersteigenden Einzahlungen ausgesprochen werden, und von


Das neue Aktiengesetz.

Europa genommen hat, doch nicht in der Lage ist, für die Gründung — und
das ist die Hauptsache — den richtigen Weg in Zukunft zu erzwingen? Mi߬
lingt anch dieser gesetzgeberische Versuch — falls der Entwurf Gesetz werden
sollte —, dann kennt, deß sind wir sicher, ein künftiges Aktiengesctz die Kom¬
manditgesellschaft auf Aktien als ein besondres Gebilde nicht mehr.


4.

Es ist schon oben bemerkt worden, daß als der bedeutendste Reform¬
vorschlag des Entwurfs derjenige betrachtet werden kann, nach welchem der
Nominalbetrag für Namensaktien ans 1000 Mark, für Inhaberaktien auf
5000 Mark erhöht wird. Ausnahmslos aufgestellt, würde diese Bestimmung ein
sehr zweischneidiges Schwert sein. Allein der Entwurf läßt Ausnahmen zu,
indem er den Kanzler ermächtigt, die Ausgabe von Namensaktien nicht unter
200 Mark Gesellschaften zu gestatten, welche entweder gemeinnützige Zwecke ver¬
salzen oder bezüglich deren der Staat, Kreis oder eine sonstige öffentliche Kor¬
poration einen bestimmten Ertrag ohne Einschränkung auf Zeit oder Bedingungen
gewährleistet hat. Erster» Falles ist an verschiedne lokale Unternehmungen
(Vizinalbahnen, Pferdeeisenbahnen, Gas-, Wasser-, Badeanstalten) gedacht, deren
Zustandekommen bei einer zu großen Quote der Einzelbeteiligung gefährdet
sein würde. Letzten Falles wird Vorsorge getroffen, daß das kleine Kapital
eine sichere Anlage findet und sich nicht etwa in ausländische Spekulationen
ergießt.

Dabei räumt der Entwurf noch einen andern Übelstand aus dem Wege.
Verschiedne Gesellschaften, namentlich Eisenbahnen, die genötigt waren, bei Er¬
weiterung ihres Unternehmens — Herr Stroußberg hat es sogar gleich an¬
fangs gethan — neue Kapitalien aufzunehmen, haben zu diesem Zwecke oft Aktien
von verschiedner Berechtigung ausgegeben, die im Verkehr als Stammprioritäts¬
und Prioritätsaktien, nach verschiednen Serien, Buchstaben, u. s. w. figuriren. Das
Rechtsverhältnis dieser verschieden berechtigten Aktionäre ist ein sehr mannich-
faltiges, sodaß nicht selten über einzelne Fragen zahlreiche Prozesse angestellt
werden mußten. Der Entwurf hat sich zwar der Lösung dieser Fragen enthalten
müssen, weil sie zu sehr von den konkreten Verhältnissen abhängen und zum Teil
auf wohlerworbenen Rechten beruhen. Allein er hat doch Vorsorge getroffen,
daß einmal das Stimmverhältnis der verschiedne» Arten untereinander und sodann
die wichtigsten Rechte derselben im Statut geregelt werden müssen. Jeder Ak¬
tionär soll klar wissen, welche Rechte ihm zustehen.

Der Erhöhung des Nominalbetrages der Aktie wäre aber keine Bedeutung
beizulegen, wenn nicht Hand in Hand damit eine Reform des bisherigen Rechts
über die Haftung aus der Zeichnung verknüpft wäre. Unter der Herrschaft der
Novelle von 1870 konnte statutenmäßig eine Befreiung der ersten Zeichner von
den 40 Prozent übersteigenden Einzahlungen ausgesprochen werden, und von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/292>, abgerufen am 28.07.2024.