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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Die Publikationen der Berliner Museen.

nun ein Mann der Wissenschaft an die Spitze eines Instituts von unermeßlicher
Bedeutung, und damit zog ein wissenschaftlicher Geist in Räume ein, in
welchen bisher nur Dilettantismus und, was schlimmer ist, Unverstand und
Willkür gehaust hatten. An den Namen des ersten Generaldirektors sind für
alle Zeiten beklagenswerte Verluste unsrer Gemäldegalerie verknüpft. Unter der
Leitung und auf Veranlassung des Herrn von Olfers sind drei Perlen der Ga¬
lerie, die "Bußfertigen Sünder vor Christo" von van Dyk, der "Raub der Proser¬
pina" von Rembrandt und die ..Thronerbe Maria mit dem Kinde und Heiligen"
von Andrea del Sarto, einer verständnislosen Restauration unterzogen worden,
welche einer vollkommenen Vernichtung dieser köstlichen Bilder gleichkam. Be¬
kanntlich hat dieser Akt den damaligen Direktor der Gemäldegalerie, den alten
um die Kunstwissenschaft hochverdienten Waagen, in ein frühes Grab getrieben.
Der zweite Generaldirektor ließ es ruhig geschehen, daß die antiken Gipsabgüsse,
eine in ihrer Art einzig dastehende Sammlung, mit Ölfarbe überschmiert und
dadurch für das wissenschaftliche Studium unbrauchbar gemacht wurden.

Im Frühjahr 1880 erfolgte die definitive Ernennung des Geheimrath
Schöne zum Generaldirektor der Museen, und als das Institut am 3. August
desselben Jahres das Jubiläum seines funfzigjährigen Bestehens feiern durfte,
hatten sich bereits in allen Abteilungen Spuren einer kräftigen Reorganisation
bemerkbar gemacht. Schon vor der Berufung Schönes waren einige wichtige
Direktorcnstellen durch tüchtige Männer der Wissenschaft besetzt worden, zuerst
die der Gemäldegalerie durch I)r. Julius Meyer und Dr. Wilhelm Bode, dann
die des Kupferstichkabinets durch Dr. Lippmann und endlich die der Galerie
antiker Skulpturen durch Professor Conze. Unter der Leitung dieser bewährten
Männer nahmen zunächst die Sammlungen einen bedeutenden Aufschwung. Es
ist bekannt, wie Schlag auf Schlag, dank der unvergleichlichen Liberalität
der königlichen Staatsbehörden und des Landtages, die glänzendsten Erwerbungen
einander folgten. Mit dem Anlauf der Galerie Suermondt begann diese Reihe,
und mit der Erwerbung der Hcimiltonschcn Sammlung von Manuskripten und
Miniaturen hat sie einen vorläufigen Abschluß gefunden. Zwischen diese großen
Erwerbungen fallen noch einzelne Ankäufe von hervorragender Bedeutung, unter
denen wir nur den der Marmorstatue des jugendlichen Johannes des Täufers
von der Hand Michelangelos, des Porträts des Senators Muffel von Dürer
und der beiden farbigen Rembrandts, einer "Susanna im Bade" von 1647 und
einer "Frau des Potiphar, welche den Joseph verklagt," von 1655 hervorheben
wollen. Eine unmittelbare Folge dieser Reorganisation und unablässigen Be¬
reicherung der Sammlungen war es, daß auch die wissenschaftliche Ausbeutung
derselben und in erster Linie die lange schmerzlich vermißte Katalvgisirung von
jenen Männern unternommen wurden, welche an die Spitze derselben berufen
worden waren. Die Direktoren der Gemäldegalerie begannen die Reihe mit
einem Verzeichnis der Sammlung Suermondt, welches nach den vom kunst-


Die Publikationen der Berliner Museen.

nun ein Mann der Wissenschaft an die Spitze eines Instituts von unermeßlicher
Bedeutung, und damit zog ein wissenschaftlicher Geist in Räume ein, in
welchen bisher nur Dilettantismus und, was schlimmer ist, Unverstand und
Willkür gehaust hatten. An den Namen des ersten Generaldirektors sind für
alle Zeiten beklagenswerte Verluste unsrer Gemäldegalerie verknüpft. Unter der
Leitung und auf Veranlassung des Herrn von Olfers sind drei Perlen der Ga¬
lerie, die „Bußfertigen Sünder vor Christo" von van Dyk, der „Raub der Proser¬
pina" von Rembrandt und die ..Thronerbe Maria mit dem Kinde und Heiligen"
von Andrea del Sarto, einer verständnislosen Restauration unterzogen worden,
welche einer vollkommenen Vernichtung dieser köstlichen Bilder gleichkam. Be¬
kanntlich hat dieser Akt den damaligen Direktor der Gemäldegalerie, den alten
um die Kunstwissenschaft hochverdienten Waagen, in ein frühes Grab getrieben.
Der zweite Generaldirektor ließ es ruhig geschehen, daß die antiken Gipsabgüsse,
eine in ihrer Art einzig dastehende Sammlung, mit Ölfarbe überschmiert und
dadurch für das wissenschaftliche Studium unbrauchbar gemacht wurden.

Im Frühjahr 1880 erfolgte die definitive Ernennung des Geheimrath
Schöne zum Generaldirektor der Museen, und als das Institut am 3. August
desselben Jahres das Jubiläum seines funfzigjährigen Bestehens feiern durfte,
hatten sich bereits in allen Abteilungen Spuren einer kräftigen Reorganisation
bemerkbar gemacht. Schon vor der Berufung Schönes waren einige wichtige
Direktorcnstellen durch tüchtige Männer der Wissenschaft besetzt worden, zuerst
die der Gemäldegalerie durch I)r. Julius Meyer und Dr. Wilhelm Bode, dann
die des Kupferstichkabinets durch Dr. Lippmann und endlich die der Galerie
antiker Skulpturen durch Professor Conze. Unter der Leitung dieser bewährten
Männer nahmen zunächst die Sammlungen einen bedeutenden Aufschwung. Es
ist bekannt, wie Schlag auf Schlag, dank der unvergleichlichen Liberalität
der königlichen Staatsbehörden und des Landtages, die glänzendsten Erwerbungen
einander folgten. Mit dem Anlauf der Galerie Suermondt begann diese Reihe,
und mit der Erwerbung der Hcimiltonschcn Sammlung von Manuskripten und
Miniaturen hat sie einen vorläufigen Abschluß gefunden. Zwischen diese großen
Erwerbungen fallen noch einzelne Ankäufe von hervorragender Bedeutung, unter
denen wir nur den der Marmorstatue des jugendlichen Johannes des Täufers
von der Hand Michelangelos, des Porträts des Senators Muffel von Dürer
und der beiden farbigen Rembrandts, einer „Susanna im Bade" von 1647 und
einer „Frau des Potiphar, welche den Joseph verklagt," von 1655 hervorheben
wollen. Eine unmittelbare Folge dieser Reorganisation und unablässigen Be¬
reicherung der Sammlungen war es, daß auch die wissenschaftliche Ausbeutung
derselben und in erster Linie die lange schmerzlich vermißte Katalvgisirung von
jenen Männern unternommen wurden, welche an die Spitze derselben berufen
worden waren. Die Direktoren der Gemäldegalerie begannen die Reihe mit
einem Verzeichnis der Sammlung Suermondt, welches nach den vom kunst-


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[0207] Die Publikationen der Berliner Museen. nun ein Mann der Wissenschaft an die Spitze eines Instituts von unermeßlicher Bedeutung, und damit zog ein wissenschaftlicher Geist in Räume ein, in welchen bisher nur Dilettantismus und, was schlimmer ist, Unverstand und Willkür gehaust hatten. An den Namen des ersten Generaldirektors sind für alle Zeiten beklagenswerte Verluste unsrer Gemäldegalerie verknüpft. Unter der Leitung und auf Veranlassung des Herrn von Olfers sind drei Perlen der Ga¬ lerie, die „Bußfertigen Sünder vor Christo" von van Dyk, der „Raub der Proser¬ pina" von Rembrandt und die ..Thronerbe Maria mit dem Kinde und Heiligen" von Andrea del Sarto, einer verständnislosen Restauration unterzogen worden, welche einer vollkommenen Vernichtung dieser köstlichen Bilder gleichkam. Be¬ kanntlich hat dieser Akt den damaligen Direktor der Gemäldegalerie, den alten um die Kunstwissenschaft hochverdienten Waagen, in ein frühes Grab getrieben. Der zweite Generaldirektor ließ es ruhig geschehen, daß die antiken Gipsabgüsse, eine in ihrer Art einzig dastehende Sammlung, mit Ölfarbe überschmiert und dadurch für das wissenschaftliche Studium unbrauchbar gemacht wurden. Im Frühjahr 1880 erfolgte die definitive Ernennung des Geheimrath Schöne zum Generaldirektor der Museen, und als das Institut am 3. August desselben Jahres das Jubiläum seines funfzigjährigen Bestehens feiern durfte, hatten sich bereits in allen Abteilungen Spuren einer kräftigen Reorganisation bemerkbar gemacht. Schon vor der Berufung Schönes waren einige wichtige Direktorcnstellen durch tüchtige Männer der Wissenschaft besetzt worden, zuerst die der Gemäldegalerie durch I)r. Julius Meyer und Dr. Wilhelm Bode, dann die des Kupferstichkabinets durch Dr. Lippmann und endlich die der Galerie antiker Skulpturen durch Professor Conze. Unter der Leitung dieser bewährten Männer nahmen zunächst die Sammlungen einen bedeutenden Aufschwung. Es ist bekannt, wie Schlag auf Schlag, dank der unvergleichlichen Liberalität der königlichen Staatsbehörden und des Landtages, die glänzendsten Erwerbungen einander folgten. Mit dem Anlauf der Galerie Suermondt begann diese Reihe, und mit der Erwerbung der Hcimiltonschcn Sammlung von Manuskripten und Miniaturen hat sie einen vorläufigen Abschluß gefunden. Zwischen diese großen Erwerbungen fallen noch einzelne Ankäufe von hervorragender Bedeutung, unter denen wir nur den der Marmorstatue des jugendlichen Johannes des Täufers von der Hand Michelangelos, des Porträts des Senators Muffel von Dürer und der beiden farbigen Rembrandts, einer „Susanna im Bade" von 1647 und einer „Frau des Potiphar, welche den Joseph verklagt," von 1655 hervorheben wollen. Eine unmittelbare Folge dieser Reorganisation und unablässigen Be¬ reicherung der Sammlungen war es, daß auch die wissenschaftliche Ausbeutung derselben und in erster Linie die lange schmerzlich vermißte Katalvgisirung von jenen Männern unternommen wurden, welche an die Spitze derselben berufen worden waren. Die Direktoren der Gemäldegalerie begannen die Reihe mit einem Verzeichnis der Sammlung Suermondt, welches nach den vom kunst-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/207>, abgerufen am 27.07.2024.