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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Sinne behalten, daß die Nebenkosten, Schreibgebühren ze. in ihrem unvermin¬
derten Bestände jenes Verhältnis noch tiefer Herabdrücken würden. Wäre denn
nun mit einer solchen Abmindernng den Prozeßführenden geholfen? Die
Laien, welche für jenen Antrag stimmten, täuschten sich völlig, wenn sie glaubten,
damit etwas zu erreichen.

Aber wir gehen weiter. Wir wollen annehmen, die verbündeten Regie¬
rungen entschlössen sich -- wir halten dies für das Maximum dessen, was zur
Zeit möglich wäre --, die Gerichtskosten durchweg um ein Fünftel herabzusetzen.
Es sollten also statt bisher je 50 Mark 40 Mark erhoben werden. Dann
würden zu diesen 40 Mark doch wieder die 80 Mark Anwaltskostcn sich un¬
vermindert hinzuaddiren, und die Verminderung bestünde effektiv darin, daß statt
je 130 Mark 120 Mark, oder statt je 13 Mark 12 Mark erhoben würden.
Die Verminderung betrüge also ein Dreizehntel der bisherigen Prozeßkvsten;
und dieser Bruchteil würde auch hier wieder durch die unverminderten Neben¬
kosten noch weiter herabgedrückt werden. Würde das nun als eine Wohlthat
empfunden werden? Sicherlich nicht! Die Prozeßführenden würden nach wie vor
das Übermaß der Kosten schwer fühlen.

Will man also den Prozeß von dem Übermaß an Kosten entlasten, so muß
man in gleicher Weise die Gerichtskosten und die Anwaltslvsten herab¬
setzen. Nur dadurch wird eine fühlbare Erleichterung der Rechtsuchenden her¬
beigeführt. Den Regierungen aber zuzumuten, zum Nachteil der Staatsfincmzeii
die Gerichtskosten erheblich herabzusetzen, den Anwälten aber, deren hohe Ge¬
bühren seinerzeit mit der Höhe der Gerichtskosten motivirt wurden, die Kosten
in ihrer ganzen Höhe zu belassen, ist ein durchaus unbilliges und vom Stand¬
punkte des beteiligten Publikums unpraktisches Verlangen. Und zwar dürfte die
Herabsetzung der Gerichtskosten nur in Verbindung mit der gleichzeitigen
Herabsetzung der Anwaltskosten in Angriff zu nehmen sein, da sonst der letztern
unabsehbare Schwierigkeiten bereitet werden würden.

Würden nur die Gerichtskosten ohne die Anwaltskosten herabgesetzt, so
würden allerdings wohl die Notrufe aufhören. Die Anwälte würden solche
nicht mehr erheben. Auch von den Richtern würde nicht leicht einer den Mut
dazu finden. Der prozeßführende Laie aber, welcher die Kosten bezahlen muß,
ist wie der stumme Gaul, der, wenn Kutscher und Passagier einig sind, laufen
muß, wie diesen beliebt, ohne einen Laut der Klage. Die Not freilich würde
fortbestehen.

Ohne Zweifel wird dem Versuche, die Auwaltskosten zu verringern, ent¬
gegengesetzt werden, daß die Anwälte dies nicht ertragen könnten. Wir wollen,
um unliebsame Erörterungen zu vermeiden, auf diese Frage nicht eingehen.
Nur zwei Punkte wollen wir noch näher besprechen.

Bereits bei Verhandlung der Auwaltsgebührenordnung im Reichstage wurde
vorausgesagt, daß die hohen Gebühren, in Verbindung mit der Freigebung der


Grenzboten III. 1883. 84

Sinne behalten, daß die Nebenkosten, Schreibgebühren ze. in ihrem unvermin¬
derten Bestände jenes Verhältnis noch tiefer Herabdrücken würden. Wäre denn
nun mit einer solchen Abmindernng den Prozeßführenden geholfen? Die
Laien, welche für jenen Antrag stimmten, täuschten sich völlig, wenn sie glaubten,
damit etwas zu erreichen.

Aber wir gehen weiter. Wir wollen annehmen, die verbündeten Regie¬
rungen entschlössen sich — wir halten dies für das Maximum dessen, was zur
Zeit möglich wäre —, die Gerichtskosten durchweg um ein Fünftel herabzusetzen.
Es sollten also statt bisher je 50 Mark 40 Mark erhoben werden. Dann
würden zu diesen 40 Mark doch wieder die 80 Mark Anwaltskostcn sich un¬
vermindert hinzuaddiren, und die Verminderung bestünde effektiv darin, daß statt
je 130 Mark 120 Mark, oder statt je 13 Mark 12 Mark erhoben würden.
Die Verminderung betrüge also ein Dreizehntel der bisherigen Prozeßkvsten;
und dieser Bruchteil würde auch hier wieder durch die unverminderten Neben¬
kosten noch weiter herabgedrückt werden. Würde das nun als eine Wohlthat
empfunden werden? Sicherlich nicht! Die Prozeßführenden würden nach wie vor
das Übermaß der Kosten schwer fühlen.

Will man also den Prozeß von dem Übermaß an Kosten entlasten, so muß
man in gleicher Weise die Gerichtskosten und die Anwaltslvsten herab¬
setzen. Nur dadurch wird eine fühlbare Erleichterung der Rechtsuchenden her¬
beigeführt. Den Regierungen aber zuzumuten, zum Nachteil der Staatsfincmzeii
die Gerichtskosten erheblich herabzusetzen, den Anwälten aber, deren hohe Ge¬
bühren seinerzeit mit der Höhe der Gerichtskosten motivirt wurden, die Kosten
in ihrer ganzen Höhe zu belassen, ist ein durchaus unbilliges und vom Stand¬
punkte des beteiligten Publikums unpraktisches Verlangen. Und zwar dürfte die
Herabsetzung der Gerichtskosten nur in Verbindung mit der gleichzeitigen
Herabsetzung der Anwaltskosten in Angriff zu nehmen sein, da sonst der letztern
unabsehbare Schwierigkeiten bereitet werden würden.

Würden nur die Gerichtskosten ohne die Anwaltskosten herabgesetzt, so
würden allerdings wohl die Notrufe aufhören. Die Anwälte würden solche
nicht mehr erheben. Auch von den Richtern würde nicht leicht einer den Mut
dazu finden. Der prozeßführende Laie aber, welcher die Kosten bezahlen muß,
ist wie der stumme Gaul, der, wenn Kutscher und Passagier einig sind, laufen
muß, wie diesen beliebt, ohne einen Laut der Klage. Die Not freilich würde
fortbestehen.

Ohne Zweifel wird dem Versuche, die Auwaltskosten zu verringern, ent¬
gegengesetzt werden, daß die Anwälte dies nicht ertragen könnten. Wir wollen,
um unliebsame Erörterungen zu vermeiden, auf diese Frage nicht eingehen.
Nur zwei Punkte wollen wir noch näher besprechen.

Bereits bei Verhandlung der Auwaltsgebührenordnung im Reichstage wurde
vorausgesagt, daß die hohen Gebühren, in Verbindung mit der Freigebung der


Grenzboten III. 1883. 84
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[0673] Sinne behalten, daß die Nebenkosten, Schreibgebühren ze. in ihrem unvermin¬ derten Bestände jenes Verhältnis noch tiefer Herabdrücken würden. Wäre denn nun mit einer solchen Abmindernng den Prozeßführenden geholfen? Die Laien, welche für jenen Antrag stimmten, täuschten sich völlig, wenn sie glaubten, damit etwas zu erreichen. Aber wir gehen weiter. Wir wollen annehmen, die verbündeten Regie¬ rungen entschlössen sich — wir halten dies für das Maximum dessen, was zur Zeit möglich wäre —, die Gerichtskosten durchweg um ein Fünftel herabzusetzen. Es sollten also statt bisher je 50 Mark 40 Mark erhoben werden. Dann würden zu diesen 40 Mark doch wieder die 80 Mark Anwaltskostcn sich un¬ vermindert hinzuaddiren, und die Verminderung bestünde effektiv darin, daß statt je 130 Mark 120 Mark, oder statt je 13 Mark 12 Mark erhoben würden. Die Verminderung betrüge also ein Dreizehntel der bisherigen Prozeßkvsten; und dieser Bruchteil würde auch hier wieder durch die unverminderten Neben¬ kosten noch weiter herabgedrückt werden. Würde das nun als eine Wohlthat empfunden werden? Sicherlich nicht! Die Prozeßführenden würden nach wie vor das Übermaß der Kosten schwer fühlen. Will man also den Prozeß von dem Übermaß an Kosten entlasten, so muß man in gleicher Weise die Gerichtskosten und die Anwaltslvsten herab¬ setzen. Nur dadurch wird eine fühlbare Erleichterung der Rechtsuchenden her¬ beigeführt. Den Regierungen aber zuzumuten, zum Nachteil der Staatsfincmzeii die Gerichtskosten erheblich herabzusetzen, den Anwälten aber, deren hohe Ge¬ bühren seinerzeit mit der Höhe der Gerichtskosten motivirt wurden, die Kosten in ihrer ganzen Höhe zu belassen, ist ein durchaus unbilliges und vom Stand¬ punkte des beteiligten Publikums unpraktisches Verlangen. Und zwar dürfte die Herabsetzung der Gerichtskosten nur in Verbindung mit der gleichzeitigen Herabsetzung der Anwaltskosten in Angriff zu nehmen sein, da sonst der letztern unabsehbare Schwierigkeiten bereitet werden würden. Würden nur die Gerichtskosten ohne die Anwaltskosten herabgesetzt, so würden allerdings wohl die Notrufe aufhören. Die Anwälte würden solche nicht mehr erheben. Auch von den Richtern würde nicht leicht einer den Mut dazu finden. Der prozeßführende Laie aber, welcher die Kosten bezahlen muß, ist wie der stumme Gaul, der, wenn Kutscher und Passagier einig sind, laufen muß, wie diesen beliebt, ohne einen Laut der Klage. Die Not freilich würde fortbestehen. Ohne Zweifel wird dem Versuche, die Auwaltskosten zu verringern, ent¬ gegengesetzt werden, daß die Anwälte dies nicht ertragen könnten. Wir wollen, um unliebsame Erörterungen zu vermeiden, auf diese Frage nicht eingehen. Nur zwei Punkte wollen wir noch näher besprechen. Bereits bei Verhandlung der Auwaltsgebührenordnung im Reichstage wurde vorausgesagt, daß die hohen Gebühren, in Verbindung mit der Freigebung der Grenzboten III. 1883. 84

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/673>, abgerufen am 08.09.2024.