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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozeßkosten.

als die entsprechenden Gerichtsgebührcn, sodaß der Anwalt immer um eine
Gebühr voraus ist. Und wenn daher der Prozeß nicht bis zur endlichen Ent¬
scheidung kommt, so ist für den Anwalt eine Hauptgebühr mehr reif geworden
als für das Gericht. Überdies ist auch dem Anwälte noch in einem vierten
Falle die volle Gebühr zugesichert, nämlich für die Mitwirkung bei einem abge¬
schlossenen Vergleiche (Vergleichsgcbühr). Dieser Gebühr steht keine entsprechende
Gerichtsgebühr gegenüber. Durch dies alles kann es kommen, daß schon in dem
Betrage der Hauptsätze die Anwaltsgebühreu die Gerichtsgebühren, auch soweit
diese in tussi höher sind, mehr oder minder überragen. Noch mehr kann dies auf
dem Gebiete der Nebengebühren eintreten, zumal nach der Herabsetzung derselben
bei den Gerichten durch das Gesetz vom 29. Juni 1881. Für das Verfahren
zur Sicherung des Beweises werden jetzt an Gerichtskosten nur noch drei lind
fünf Zehntel erhoben (Z 36); der Anwalt bezieht Prozeß-, Verhandlungs- und
Beweisgebühr je zu fünf Zehnteln nach wie vor (§ 22). Für das Mahnver¬
fahren sind die Gerichtskosten auf zwei und ein Zehntel herabgesetzt (A 37);
für den Anwalt sind die drei und zwei Zehntel beibehalten (Z 38). Hier ist
also schon das Ziel, welches vielen vorschwebt, erreicht, die Gerichtskosten herab¬
zusetzen, die Anwaltskosten aber in voller Höhe aufrechtzuhalten. Endlich
kommen die Schreibgebühren in Betracht, welche in den Anwaltsrechnuugen
eine noch größere Rollen spielen als in den Rechnungen der Gerichte, welche
weniger zu schreiben haben. Auf diesem Gebiete kommt es vor, daß sich recht
eigentlich die Kosten "zusammenläppern" zu "Apothekerrechnungen" von unver-
hültnismüßigen Beträgen. Alles in allem wird man annehmen können, daß in
vielen Prozessen jeder der beiden Anwälte ebensoviel bezieht, wie die Gerichts¬
kosten ausmachen, namentlich dann, wenn die Sache nur in unterer Instanz
anhängig gewesen ist. In den höhern Instanzen tritt ein relativ größeres Über¬
gewicht der Gerichtskosten dadurch ein, daß die Sätze derselben in der Berufnngs-
instcmz um ein Viertel, beim Reichsgericht um die Hälfte wachsen, während
die Anwaltskosten nur beim Reichsgericht um drei Zehntel wachsen. Um hiernach
nicht zu weit zu gehen, wollen wir in unsrer ferneren Betrachtung von der
Annahme ausgehen, daß die Kosten der beiden Anwälte durchschnittlich acht
Fünftel der Gerichtskosten betragen, daß also auf je 50 Mark der Gerichtskosten
80 Mark Anwaltskosten kommen, welche der im Prozeß unterliegende Teil neben
den Gerichtskosten zu zahlen hat.*)

Wir wenden uns nun zu der andern Frage: Inwieweit ist nach Lage
der Verhältnisse eine Herabsetzung der Gerichtskosten möglich? Wir
sind völlig damit einverstanden, daß der Staat aus seiner Justiz, die er im
Interesse aller übt, nicht einen Gewinn ziehen, d. h. mehr an Kosten erheben



*) Auch wenn man das Verhältnis noch geringer annehmen wollte, würde doch im
Ergebnis nur wenig sich ändern.
Die Höhe der Prozeßkosten.

als die entsprechenden Gerichtsgebührcn, sodaß der Anwalt immer um eine
Gebühr voraus ist. Und wenn daher der Prozeß nicht bis zur endlichen Ent¬
scheidung kommt, so ist für den Anwalt eine Hauptgebühr mehr reif geworden
als für das Gericht. Überdies ist auch dem Anwälte noch in einem vierten
Falle die volle Gebühr zugesichert, nämlich für die Mitwirkung bei einem abge¬
schlossenen Vergleiche (Vergleichsgcbühr). Dieser Gebühr steht keine entsprechende
Gerichtsgebühr gegenüber. Durch dies alles kann es kommen, daß schon in dem
Betrage der Hauptsätze die Anwaltsgebühreu die Gerichtsgebühren, auch soweit
diese in tussi höher sind, mehr oder minder überragen. Noch mehr kann dies auf
dem Gebiete der Nebengebühren eintreten, zumal nach der Herabsetzung derselben
bei den Gerichten durch das Gesetz vom 29. Juni 1881. Für das Verfahren
zur Sicherung des Beweises werden jetzt an Gerichtskosten nur noch drei lind
fünf Zehntel erhoben (Z 36); der Anwalt bezieht Prozeß-, Verhandlungs- und
Beweisgebühr je zu fünf Zehnteln nach wie vor (§ 22). Für das Mahnver¬
fahren sind die Gerichtskosten auf zwei und ein Zehntel herabgesetzt (A 37);
für den Anwalt sind die drei und zwei Zehntel beibehalten (Z 38). Hier ist
also schon das Ziel, welches vielen vorschwebt, erreicht, die Gerichtskosten herab¬
zusetzen, die Anwaltskosten aber in voller Höhe aufrechtzuhalten. Endlich
kommen die Schreibgebühren in Betracht, welche in den Anwaltsrechnuugen
eine noch größere Rollen spielen als in den Rechnungen der Gerichte, welche
weniger zu schreiben haben. Auf diesem Gebiete kommt es vor, daß sich recht
eigentlich die Kosten „zusammenläppern" zu „Apothekerrechnungen" von unver-
hültnismüßigen Beträgen. Alles in allem wird man annehmen können, daß in
vielen Prozessen jeder der beiden Anwälte ebensoviel bezieht, wie die Gerichts¬
kosten ausmachen, namentlich dann, wenn die Sache nur in unterer Instanz
anhängig gewesen ist. In den höhern Instanzen tritt ein relativ größeres Über¬
gewicht der Gerichtskosten dadurch ein, daß die Sätze derselben in der Berufnngs-
instcmz um ein Viertel, beim Reichsgericht um die Hälfte wachsen, während
die Anwaltskosten nur beim Reichsgericht um drei Zehntel wachsen. Um hiernach
nicht zu weit zu gehen, wollen wir in unsrer ferneren Betrachtung von der
Annahme ausgehen, daß die Kosten der beiden Anwälte durchschnittlich acht
Fünftel der Gerichtskosten betragen, daß also auf je 50 Mark der Gerichtskosten
80 Mark Anwaltskosten kommen, welche der im Prozeß unterliegende Teil neben
den Gerichtskosten zu zahlen hat.*)

Wir wenden uns nun zu der andern Frage: Inwieweit ist nach Lage
der Verhältnisse eine Herabsetzung der Gerichtskosten möglich? Wir
sind völlig damit einverstanden, daß der Staat aus seiner Justiz, die er im
Interesse aller übt, nicht einen Gewinn ziehen, d. h. mehr an Kosten erheben



*) Auch wenn man das Verhältnis noch geringer annehmen wollte, würde doch im
Ergebnis nur wenig sich ändern.
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[0671] Die Höhe der Prozeßkosten. als die entsprechenden Gerichtsgebührcn, sodaß der Anwalt immer um eine Gebühr voraus ist. Und wenn daher der Prozeß nicht bis zur endlichen Ent¬ scheidung kommt, so ist für den Anwalt eine Hauptgebühr mehr reif geworden als für das Gericht. Überdies ist auch dem Anwälte noch in einem vierten Falle die volle Gebühr zugesichert, nämlich für die Mitwirkung bei einem abge¬ schlossenen Vergleiche (Vergleichsgcbühr). Dieser Gebühr steht keine entsprechende Gerichtsgebühr gegenüber. Durch dies alles kann es kommen, daß schon in dem Betrage der Hauptsätze die Anwaltsgebühreu die Gerichtsgebühren, auch soweit diese in tussi höher sind, mehr oder minder überragen. Noch mehr kann dies auf dem Gebiete der Nebengebühren eintreten, zumal nach der Herabsetzung derselben bei den Gerichten durch das Gesetz vom 29. Juni 1881. Für das Verfahren zur Sicherung des Beweises werden jetzt an Gerichtskosten nur noch drei lind fünf Zehntel erhoben (Z 36); der Anwalt bezieht Prozeß-, Verhandlungs- und Beweisgebühr je zu fünf Zehnteln nach wie vor (§ 22). Für das Mahnver¬ fahren sind die Gerichtskosten auf zwei und ein Zehntel herabgesetzt (A 37); für den Anwalt sind die drei und zwei Zehntel beibehalten (Z 38). Hier ist also schon das Ziel, welches vielen vorschwebt, erreicht, die Gerichtskosten herab¬ zusetzen, die Anwaltskosten aber in voller Höhe aufrechtzuhalten. Endlich kommen die Schreibgebühren in Betracht, welche in den Anwaltsrechnuugen eine noch größere Rollen spielen als in den Rechnungen der Gerichte, welche weniger zu schreiben haben. Auf diesem Gebiete kommt es vor, daß sich recht eigentlich die Kosten „zusammenläppern" zu „Apothekerrechnungen" von unver- hültnismüßigen Beträgen. Alles in allem wird man annehmen können, daß in vielen Prozessen jeder der beiden Anwälte ebensoviel bezieht, wie die Gerichts¬ kosten ausmachen, namentlich dann, wenn die Sache nur in unterer Instanz anhängig gewesen ist. In den höhern Instanzen tritt ein relativ größeres Über¬ gewicht der Gerichtskosten dadurch ein, daß die Sätze derselben in der Berufnngs- instcmz um ein Viertel, beim Reichsgericht um die Hälfte wachsen, während die Anwaltskosten nur beim Reichsgericht um drei Zehntel wachsen. Um hiernach nicht zu weit zu gehen, wollen wir in unsrer ferneren Betrachtung von der Annahme ausgehen, daß die Kosten der beiden Anwälte durchschnittlich acht Fünftel der Gerichtskosten betragen, daß also auf je 50 Mark der Gerichtskosten 80 Mark Anwaltskosten kommen, welche der im Prozeß unterliegende Teil neben den Gerichtskosten zu zahlen hat.*) Wir wenden uns nun zu der andern Frage: Inwieweit ist nach Lage der Verhältnisse eine Herabsetzung der Gerichtskosten möglich? Wir sind völlig damit einverstanden, daß der Staat aus seiner Justiz, die er im Interesse aller übt, nicht einen Gewinn ziehen, d. h. mehr an Kosten erheben *) Auch wenn man das Verhältnis noch geringer annehmen wollte, würde doch im Ergebnis nur wenig sich ändern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/671>, abgerufen am 08.09.2024.