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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozeßkosten.

Schiedsrichteramt hinauslaufen, und das brauchte sich eine Macht wie Frankreich
nicht bieten zu lassen.

Was Deutschland betrifft, so steht es dem Streite zwischen Frankreich und
China gleichgiltig gegeuüber wie allen Bestrebungen der französischen Politik außer¬
halb Europas. Hier, in Europa, wird es durch Rat und Vermittlung auf diplo¬
matischem Wege mit seinen Verbündeten allezeit bemüht sein, den Frieden zu
erhalten. Was dagegen Frankreichs Bestrebungen in andern Weltteilen angeht,
so hat es keinerlei Interesse, das ihm gehste, denselben in den Weg zu treten.
Es könnte sie sogar mit Wohlwollen betrachten und, wenn es zu einer Ein¬
mischung aufgefordert würde, sie fördern, immer vorausgesetzt, daß man sich
endlich in Frankreich entschlösse, die Abmachungen von 1871 als endgiltig an¬
zusehen. Wenn die englische Presse uns den Beruf zuschreiben möchte, anders
zu urteilen und zu Verfahren, wenn sie den jetzigen Streit als Bedrohung des
Weltfriedens darstellt, das Vorgehen der Franzosen in Arran als Verletzung
der politischen Moral aufgefaßt sehen will, gegen die auch andre Mächte Ein¬
spruch erheben müßten, so befindet sie sich im Irrtum. Die Sache berührt
abgesehen von den beiden streitenden Parteien, einzig und allein die Interessen
Englands, vor allem die der englischen Fabrikanten, Kaufleute und Rheder, und
Deutschland hat hier wie bei frühern ähnlichen Fällen nicht entfernt die Ver¬
pflichtung, diesen Herrschaften die Kastanien aus dem Feuer zu holen.




Die Höhe der Prozeßkosten.
(Schluß.)

aum war der neue Prozeß ins Leben getreten, so ergab sich das,
was die Gegner der hohen Anwaltsgebühren vorausgesagt hatten:
überall wurde von den Rechtsuchenden die ungemeine Verteue¬
rung des Prozesses schwer empfunden. Und nun erscholl der
Ruf: Die Gerichtskosten sind zu hoch. Im Reichstag ergriffen
bereits bei der Etatsberatung am 24. Februar 1880 die Abgeordneten Stellter
und Windthorst (dieselben, welche noch vor nenn Monaten mit solchem Eifer
für die höchsten Anwaltsgebühren gekämpft hatten) über diese Beschwerde das
Wort. Der Abgeordnete Windthorst sagte nun mit Emphase: "Die Justiz könne
unmöglich alsMnnahmequelle behandelt werden." Auch von der rechten Seite
des Hauses wurde die Klage über die "Höhe der Gerichtskosten" bestätigt. Am


Die Höhe der Prozeßkosten.

Schiedsrichteramt hinauslaufen, und das brauchte sich eine Macht wie Frankreich
nicht bieten zu lassen.

Was Deutschland betrifft, so steht es dem Streite zwischen Frankreich und
China gleichgiltig gegeuüber wie allen Bestrebungen der französischen Politik außer¬
halb Europas. Hier, in Europa, wird es durch Rat und Vermittlung auf diplo¬
matischem Wege mit seinen Verbündeten allezeit bemüht sein, den Frieden zu
erhalten. Was dagegen Frankreichs Bestrebungen in andern Weltteilen angeht,
so hat es keinerlei Interesse, das ihm gehste, denselben in den Weg zu treten.
Es könnte sie sogar mit Wohlwollen betrachten und, wenn es zu einer Ein¬
mischung aufgefordert würde, sie fördern, immer vorausgesetzt, daß man sich
endlich in Frankreich entschlösse, die Abmachungen von 1871 als endgiltig an¬
zusehen. Wenn die englische Presse uns den Beruf zuschreiben möchte, anders
zu urteilen und zu Verfahren, wenn sie den jetzigen Streit als Bedrohung des
Weltfriedens darstellt, das Vorgehen der Franzosen in Arran als Verletzung
der politischen Moral aufgefaßt sehen will, gegen die auch andre Mächte Ein¬
spruch erheben müßten, so befindet sie sich im Irrtum. Die Sache berührt
abgesehen von den beiden streitenden Parteien, einzig und allein die Interessen
Englands, vor allem die der englischen Fabrikanten, Kaufleute und Rheder, und
Deutschland hat hier wie bei frühern ähnlichen Fällen nicht entfernt die Ver¬
pflichtung, diesen Herrschaften die Kastanien aus dem Feuer zu holen.




Die Höhe der Prozeßkosten.
(Schluß.)

aum war der neue Prozeß ins Leben getreten, so ergab sich das,
was die Gegner der hohen Anwaltsgebühren vorausgesagt hatten:
überall wurde von den Rechtsuchenden die ungemeine Verteue¬
rung des Prozesses schwer empfunden. Und nun erscholl der
Ruf: Die Gerichtskosten sind zu hoch. Im Reichstag ergriffen
bereits bei der Etatsberatung am 24. Februar 1880 die Abgeordneten Stellter
und Windthorst (dieselben, welche noch vor nenn Monaten mit solchem Eifer
für die höchsten Anwaltsgebühren gekämpft hatten) über diese Beschwerde das
Wort. Der Abgeordnete Windthorst sagte nun mit Emphase: „Die Justiz könne
unmöglich alsMnnahmequelle behandelt werden." Auch von der rechten Seite
des Hauses wurde die Klage über die „Höhe der Gerichtskosten" bestätigt. Am


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[0662] Die Höhe der Prozeßkosten. Schiedsrichteramt hinauslaufen, und das brauchte sich eine Macht wie Frankreich nicht bieten zu lassen. Was Deutschland betrifft, so steht es dem Streite zwischen Frankreich und China gleichgiltig gegeuüber wie allen Bestrebungen der französischen Politik außer¬ halb Europas. Hier, in Europa, wird es durch Rat und Vermittlung auf diplo¬ matischem Wege mit seinen Verbündeten allezeit bemüht sein, den Frieden zu erhalten. Was dagegen Frankreichs Bestrebungen in andern Weltteilen angeht, so hat es keinerlei Interesse, das ihm gehste, denselben in den Weg zu treten. Es könnte sie sogar mit Wohlwollen betrachten und, wenn es zu einer Ein¬ mischung aufgefordert würde, sie fördern, immer vorausgesetzt, daß man sich endlich in Frankreich entschlösse, die Abmachungen von 1871 als endgiltig an¬ zusehen. Wenn die englische Presse uns den Beruf zuschreiben möchte, anders zu urteilen und zu Verfahren, wenn sie den jetzigen Streit als Bedrohung des Weltfriedens darstellt, das Vorgehen der Franzosen in Arran als Verletzung der politischen Moral aufgefaßt sehen will, gegen die auch andre Mächte Ein¬ spruch erheben müßten, so befindet sie sich im Irrtum. Die Sache berührt abgesehen von den beiden streitenden Parteien, einzig und allein die Interessen Englands, vor allem die der englischen Fabrikanten, Kaufleute und Rheder, und Deutschland hat hier wie bei frühern ähnlichen Fällen nicht entfernt die Ver¬ pflichtung, diesen Herrschaften die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Die Höhe der Prozeßkosten. (Schluß.) aum war der neue Prozeß ins Leben getreten, so ergab sich das, was die Gegner der hohen Anwaltsgebühren vorausgesagt hatten: überall wurde von den Rechtsuchenden die ungemeine Verteue¬ rung des Prozesses schwer empfunden. Und nun erscholl der Ruf: Die Gerichtskosten sind zu hoch. Im Reichstag ergriffen bereits bei der Etatsberatung am 24. Februar 1880 die Abgeordneten Stellter und Windthorst (dieselben, welche noch vor nenn Monaten mit solchem Eifer für die höchsten Anwaltsgebühren gekämpft hatten) über diese Beschwerde das Wort. Der Abgeordnete Windthorst sagte nun mit Emphase: „Die Justiz könne unmöglich alsMnnahmequelle behandelt werden." Auch von der rechten Seite des Hauses wurde die Klage über die „Höhe der Gerichtskosten" bestätigt. Am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/662>, abgerufen am 08.09.2024.