Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Die Höhe der Prozeßkosten. In seiner Einleitung bemerkte der Berichterstatter, daß die Kommission in Die Höhe der Prozeßkosten. In seiner Einleitung bemerkte der Berichterstatter, daß die Kommission in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0614" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154061"/> <fw type="header" place="top"> Die Höhe der Prozeßkosten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2657"> In seiner Einleitung bemerkte der Berichterstatter, daß die Kommission in<lb/> den äußersten Grenzen der Mäßigung sich gehalten habe, indem die von ihr<lb/> erhöhten Sätze noch weit hinter dem zurückblieben, was in den Kreisen der<lb/> Standesgenossen als notwendig und angemessen erachtet werde. Gleichwohl<lb/> stellten zwei höhere Richter (die Abgeordneten Baldr und P. Reichensperger) den<lb/> Antrag, an die Stelle der vorgeschlagenen Skala eine niedrigere zu setzen, welche<lb/> sich dem ersten Entwurf des Reichsjustizamts wieder näherte, diesen jedoch noch<lb/> etwas überstieg. Sie bewegte sich zwischen den Sätzen von 1 und 56 Mark<lb/> und ergab als Summe die Zahl 448. Ju der Begründung wurde gesagt, daß,<lb/> wenn auch dem beschäftigten Anwälte ein reichliches und anständiges Auskommen<lb/> gebühre, dies doch nicht zu einer übermäßigen Verteuerung der Prozesse führen<lb/> dürfe, eine solche aber bei den vorgeschlagenen Gebührensätzen in sicherer Aussicht<lb/> stehe. „Die ganze Freiheit des Rechtsweges wird illusorisch, wenn der Prozeß so<lb/> hoch mit Kosten belastet wird, daß das Prozeßführen zum Unsinn wird." Unter¬<lb/> stützt wurde der Antrag von den Konservativen, in deren Namen der Abgeordnete<lb/> von Goßler (der jetzige preußische Kultusminister) das Wort ergriff. Gleichwohl<lb/> fand der Antrag keine Mehrheit. Aber auch der Antrag der Kominisston wurde<lb/> mit 126 gegen 96 Stimmen abgelehnt, dagegen die Skala des Regieruugseutwurfs<lb/> angenommen. Ebenso unterlag die Kommission mit einem andern Hanptantmg,<lb/> mit der in Anspruch genommenen Berechtigung zur Einfvrderung eines Extra¬<lb/> Honorars auch ohne vorgängigcs Versprechen. Dagegen gelangten in einigen<lb/> minder bedeutenden Punkten ihre Anträge zur Annahme. Namentlich gelang es<lb/> ihr, noch eine Erhöhung der Schreibgcbühren durchzusetzen. Warme Fürsprecher für<lb/> die Anträge der Kommission waren die Abgeordneten Pfaffcrvtt, Windthorst (beide<lb/> im Gegensatz zu ihren Fraktionsgenvssen, den beiden Reichensperger), ferner Mar-<lb/> quardsen und die Anwälte Stellter, Eysoldt und Wolffson. Letzterer erging sich<lb/> in besondrer Indignation über diejenigen, welche den Ansprüchen der Anwälte<lb/> entgegenzutreten wagten. Wiederholt wurde auch geltend gemacht, daß, nachdem<lb/> der Reichstag so hohe Gerichtsgebühren bewilligt, er auch ver¬<lb/> pflichtet sei, den Anwälten hohe Gebühren zu bewilligen. Den An¬<lb/> sprüchen der Anwälte entgegen trat auch der preußische Regierungskommissar.<lb/> Er bezeichnete die neue Gebührenordnung als ein „Experiment" und warnte,<lb/> damit allzuweit zu gehen. Interessant war dabei noch folgende Episode. Es<lb/> war darauf hingewiesen worden, daß die hannoverschen Anwälte dnrch die<lb/> neue Gebührenordnung noch verlieren würden. Dem gegenüber wies der<lb/> Regiern»gskommissar in drastischer Darstellung darauf hin, in wie hohem<lb/> Maße die hannoversche Prozeßordnung Gelegenheit zur Ausbeutung des<lb/> Prozesses gegeben habe. Die begeisterten Lobsprüche, mit welchen lange<lb/> Jahre hindurch Juristen Hannovers ihre Prozeßordnung vor ganz Deutsch¬<lb/> land zu preisen pflegten, wurden dadurch in ein eigentümliches Licht ge¬<lb/> stellt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0614]
Die Höhe der Prozeßkosten.
In seiner Einleitung bemerkte der Berichterstatter, daß die Kommission in
den äußersten Grenzen der Mäßigung sich gehalten habe, indem die von ihr
erhöhten Sätze noch weit hinter dem zurückblieben, was in den Kreisen der
Standesgenossen als notwendig und angemessen erachtet werde. Gleichwohl
stellten zwei höhere Richter (die Abgeordneten Baldr und P. Reichensperger) den
Antrag, an die Stelle der vorgeschlagenen Skala eine niedrigere zu setzen, welche
sich dem ersten Entwurf des Reichsjustizamts wieder näherte, diesen jedoch noch
etwas überstieg. Sie bewegte sich zwischen den Sätzen von 1 und 56 Mark
und ergab als Summe die Zahl 448. Ju der Begründung wurde gesagt, daß,
wenn auch dem beschäftigten Anwälte ein reichliches und anständiges Auskommen
gebühre, dies doch nicht zu einer übermäßigen Verteuerung der Prozesse führen
dürfe, eine solche aber bei den vorgeschlagenen Gebührensätzen in sicherer Aussicht
stehe. „Die ganze Freiheit des Rechtsweges wird illusorisch, wenn der Prozeß so
hoch mit Kosten belastet wird, daß das Prozeßführen zum Unsinn wird." Unter¬
stützt wurde der Antrag von den Konservativen, in deren Namen der Abgeordnete
von Goßler (der jetzige preußische Kultusminister) das Wort ergriff. Gleichwohl
fand der Antrag keine Mehrheit. Aber auch der Antrag der Kominisston wurde
mit 126 gegen 96 Stimmen abgelehnt, dagegen die Skala des Regieruugseutwurfs
angenommen. Ebenso unterlag die Kommission mit einem andern Hanptantmg,
mit der in Anspruch genommenen Berechtigung zur Einfvrderung eines Extra¬
Honorars auch ohne vorgängigcs Versprechen. Dagegen gelangten in einigen
minder bedeutenden Punkten ihre Anträge zur Annahme. Namentlich gelang es
ihr, noch eine Erhöhung der Schreibgcbühren durchzusetzen. Warme Fürsprecher für
die Anträge der Kommission waren die Abgeordneten Pfaffcrvtt, Windthorst (beide
im Gegensatz zu ihren Fraktionsgenvssen, den beiden Reichensperger), ferner Mar-
quardsen und die Anwälte Stellter, Eysoldt und Wolffson. Letzterer erging sich
in besondrer Indignation über diejenigen, welche den Ansprüchen der Anwälte
entgegenzutreten wagten. Wiederholt wurde auch geltend gemacht, daß, nachdem
der Reichstag so hohe Gerichtsgebühren bewilligt, er auch ver¬
pflichtet sei, den Anwälten hohe Gebühren zu bewilligen. Den An¬
sprüchen der Anwälte entgegen trat auch der preußische Regierungskommissar.
Er bezeichnete die neue Gebührenordnung als ein „Experiment" und warnte,
damit allzuweit zu gehen. Interessant war dabei noch folgende Episode. Es
war darauf hingewiesen worden, daß die hannoverschen Anwälte dnrch die
neue Gebührenordnung noch verlieren würden. Dem gegenüber wies der
Regiern»gskommissar in drastischer Darstellung darauf hin, in wie hohem
Maße die hannoversche Prozeßordnung Gelegenheit zur Ausbeutung des
Prozesses gegeben habe. Die begeisterten Lobsprüche, mit welchen lange
Jahre hindurch Juristen Hannovers ihre Prozeßordnung vor ganz Deutsch¬
land zu preisen pflegten, wurden dadurch in ein eigentümliches Licht ge¬
stellt.
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