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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozeßkoston.

zu haben. Auch die Verhältnisse von Elsaß-Lothringen, wo die hohen fran¬
zösischen Kosten noch bestanden, dürften dabei einen Einfluß geübt haben.
Dazu kamen die finanziellen Sorgen. Man übersah die Folgen des neuen Ver¬
fahrens in keiner Weise und glaubte doch darauf halten zu müssen, daß sich
die Einkünfte der Justiz nicht verminderten. So entstand der Entwurf für die
Gerichtskosten, bei dem man die bisherigen preußischen Kosten durchschnittlich
um zwanzig Prozent zu überschreiten beabsichtigte, der aber durch manche, in
ihren Folgen wohl kaum genügend berechnete Zusätze (z. B. durch die sehr ins
Fleisch schneidenden Schreib- und Zustellungsgebühren, die man, abweichend
vom preußischen Prozeß, noch besonders den Parteien auflud) weit darüber
hinausging. In den Motiven war in völlig loyaler Weise gesagt, man könne
nicht früh und nicht unverhohlen genug betonen, daß das Werk nur ein Ver¬
such sei, der voraussichtlich nach wenigen Jahren die auf Erfahrung sich stützende
und erst dann sichere Hand der Revision herausfordern werde.

Ohne längere Verhandlung wurde im Reichstage der Entwurf einer Kom¬
mission von 21 Mitgliedern überwiesen. Diese war in einer schwierigen Lage.
Ein Gesetz, welches aus einer Unsumme einzelner, je für sich zu beurteilender,
aber doch wieder in einem gewissen Zusammenhange stehender Zcchlenansütze
besteht, bietet für jeden Versuch der Umgestaltung unendliche Schwierigkeiten.
Seine Grundlage hatte das Gesetz in den neuerlaffenen, noch nicht in praktischer
Übung befindlichen Justizgesetzen. Wer aber hatte diese Gesetze so im Kopfe,
daß er auf dieser Grundlage alles überblickte? Überdies versicherten die Re¬
gierungsvertreter unablässig, daß die hohen Gebührensätze im finanziellen Interesse
nicht zu entbehren seien. Gleichwohl erhoben sich in der Kommission Stimmen,
welche die Sätze als entschieden zu hoch bezeichneten. Zu den einzelnen Para¬
graphen wurden eine Menge auf Abminderung gerichteter Anträge gestellt, diese
teilweise auch angenommen, viele aber auch abgelehnt.

Die Hauptfrage lag in der Gebührenskala des Z 8. Ähnlich dem preu¬
ßischen Gebührensystem ging der Entwurf davon aus, für gewisse Proze߬
abschnitte im Ganzen eine bestimmte "volle Gebühr" eintreten zu lassen, welche
sich je nach dem Werte des Streitgegenstandes steigerte. Während aber die
Steigerung der preußischen Gebühren nach sehr kleinen Stufen sich bemaß,
waren hier größere Stufen herausgegriffen, und zwar für die Werte von 0 bis
10 000 Mark 18 Stufen. Auch noch von da an sollte sich die "volle Gebühr"
für je hinzukommende 2000 Mark des Wertes um 10 Mark, und zwar bis ins
Unendliche steigern. Diese "volle Gebühr" war zugleich die Grundlage für das
ganze weitere System. Denn es war vorgeschrieben, daß bei jeder geringern,
selbständig mit Kosten zu betastenden Handlung wiederum die gedachte Gebühr,
jedoch nur zur Hälfte, zu einem Viertel oder zu einem Zehntel in Anwendung
komme. Der Z 8 enthielt nun die Skala für diese "volle Gebühr," und deren
Regulirung beherrschte das ganze Gesetz. Dieser Paragraph wurde einer auf


Die Höhe der Prozeßkoston.

zu haben. Auch die Verhältnisse von Elsaß-Lothringen, wo die hohen fran¬
zösischen Kosten noch bestanden, dürften dabei einen Einfluß geübt haben.
Dazu kamen die finanziellen Sorgen. Man übersah die Folgen des neuen Ver¬
fahrens in keiner Weise und glaubte doch darauf halten zu müssen, daß sich
die Einkünfte der Justiz nicht verminderten. So entstand der Entwurf für die
Gerichtskosten, bei dem man die bisherigen preußischen Kosten durchschnittlich
um zwanzig Prozent zu überschreiten beabsichtigte, der aber durch manche, in
ihren Folgen wohl kaum genügend berechnete Zusätze (z. B. durch die sehr ins
Fleisch schneidenden Schreib- und Zustellungsgebühren, die man, abweichend
vom preußischen Prozeß, noch besonders den Parteien auflud) weit darüber
hinausging. In den Motiven war in völlig loyaler Weise gesagt, man könne
nicht früh und nicht unverhohlen genug betonen, daß das Werk nur ein Ver¬
such sei, der voraussichtlich nach wenigen Jahren die auf Erfahrung sich stützende
und erst dann sichere Hand der Revision herausfordern werde.

Ohne längere Verhandlung wurde im Reichstage der Entwurf einer Kom¬
mission von 21 Mitgliedern überwiesen. Diese war in einer schwierigen Lage.
Ein Gesetz, welches aus einer Unsumme einzelner, je für sich zu beurteilender,
aber doch wieder in einem gewissen Zusammenhange stehender Zcchlenansütze
besteht, bietet für jeden Versuch der Umgestaltung unendliche Schwierigkeiten.
Seine Grundlage hatte das Gesetz in den neuerlaffenen, noch nicht in praktischer
Übung befindlichen Justizgesetzen. Wer aber hatte diese Gesetze so im Kopfe,
daß er auf dieser Grundlage alles überblickte? Überdies versicherten die Re¬
gierungsvertreter unablässig, daß die hohen Gebührensätze im finanziellen Interesse
nicht zu entbehren seien. Gleichwohl erhoben sich in der Kommission Stimmen,
welche die Sätze als entschieden zu hoch bezeichneten. Zu den einzelnen Para¬
graphen wurden eine Menge auf Abminderung gerichteter Anträge gestellt, diese
teilweise auch angenommen, viele aber auch abgelehnt.

Die Hauptfrage lag in der Gebührenskala des Z 8. Ähnlich dem preu¬
ßischen Gebührensystem ging der Entwurf davon aus, für gewisse Proze߬
abschnitte im Ganzen eine bestimmte „volle Gebühr" eintreten zu lassen, welche
sich je nach dem Werte des Streitgegenstandes steigerte. Während aber die
Steigerung der preußischen Gebühren nach sehr kleinen Stufen sich bemaß,
waren hier größere Stufen herausgegriffen, und zwar für die Werte von 0 bis
10 000 Mark 18 Stufen. Auch noch von da an sollte sich die „volle Gebühr"
für je hinzukommende 2000 Mark des Wertes um 10 Mark, und zwar bis ins
Unendliche steigern. Diese „volle Gebühr" war zugleich die Grundlage für das
ganze weitere System. Denn es war vorgeschrieben, daß bei jeder geringern,
selbständig mit Kosten zu betastenden Handlung wiederum die gedachte Gebühr,
jedoch nur zur Hälfte, zu einem Viertel oder zu einem Zehntel in Anwendung
komme. Der Z 8 enthielt nun die Skala für diese „volle Gebühr," und deren
Regulirung beherrschte das ganze Gesetz. Dieser Paragraph wurde einer auf


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[0608] Die Höhe der Prozeßkoston. zu haben. Auch die Verhältnisse von Elsaß-Lothringen, wo die hohen fran¬ zösischen Kosten noch bestanden, dürften dabei einen Einfluß geübt haben. Dazu kamen die finanziellen Sorgen. Man übersah die Folgen des neuen Ver¬ fahrens in keiner Weise und glaubte doch darauf halten zu müssen, daß sich die Einkünfte der Justiz nicht verminderten. So entstand der Entwurf für die Gerichtskosten, bei dem man die bisherigen preußischen Kosten durchschnittlich um zwanzig Prozent zu überschreiten beabsichtigte, der aber durch manche, in ihren Folgen wohl kaum genügend berechnete Zusätze (z. B. durch die sehr ins Fleisch schneidenden Schreib- und Zustellungsgebühren, die man, abweichend vom preußischen Prozeß, noch besonders den Parteien auflud) weit darüber hinausging. In den Motiven war in völlig loyaler Weise gesagt, man könne nicht früh und nicht unverhohlen genug betonen, daß das Werk nur ein Ver¬ such sei, der voraussichtlich nach wenigen Jahren die auf Erfahrung sich stützende und erst dann sichere Hand der Revision herausfordern werde. Ohne längere Verhandlung wurde im Reichstage der Entwurf einer Kom¬ mission von 21 Mitgliedern überwiesen. Diese war in einer schwierigen Lage. Ein Gesetz, welches aus einer Unsumme einzelner, je für sich zu beurteilender, aber doch wieder in einem gewissen Zusammenhange stehender Zcchlenansütze besteht, bietet für jeden Versuch der Umgestaltung unendliche Schwierigkeiten. Seine Grundlage hatte das Gesetz in den neuerlaffenen, noch nicht in praktischer Übung befindlichen Justizgesetzen. Wer aber hatte diese Gesetze so im Kopfe, daß er auf dieser Grundlage alles überblickte? Überdies versicherten die Re¬ gierungsvertreter unablässig, daß die hohen Gebührensätze im finanziellen Interesse nicht zu entbehren seien. Gleichwohl erhoben sich in der Kommission Stimmen, welche die Sätze als entschieden zu hoch bezeichneten. Zu den einzelnen Para¬ graphen wurden eine Menge auf Abminderung gerichteter Anträge gestellt, diese teilweise auch angenommen, viele aber auch abgelehnt. Die Hauptfrage lag in der Gebührenskala des Z 8. Ähnlich dem preu¬ ßischen Gebührensystem ging der Entwurf davon aus, für gewisse Proze߬ abschnitte im Ganzen eine bestimmte „volle Gebühr" eintreten zu lassen, welche sich je nach dem Werte des Streitgegenstandes steigerte. Während aber die Steigerung der preußischen Gebühren nach sehr kleinen Stufen sich bemaß, waren hier größere Stufen herausgegriffen, und zwar für die Werte von 0 bis 10 000 Mark 18 Stufen. Auch noch von da an sollte sich die „volle Gebühr" für je hinzukommende 2000 Mark des Wertes um 10 Mark, und zwar bis ins Unendliche steigern. Diese „volle Gebühr" war zugleich die Grundlage für das ganze weitere System. Denn es war vorgeschrieben, daß bei jeder geringern, selbständig mit Kosten zu betastenden Handlung wiederum die gedachte Gebühr, jedoch nur zur Hälfte, zu einem Viertel oder zu einem Zehntel in Anwendung komme. Der Z 8 enthielt nun die Skala für diese „volle Gebühr," und deren Regulirung beherrschte das ganze Gesetz. Dieser Paragraph wurde einer auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/608>, abgerufen am 08.09.2024.