Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Der Krieg in Arran und Tonkin. starke Kriegsentschädigung in Geld. Bis dieselbe bezahlt ist, sollen die Truppen Das Verhältnis zwischen China und Frankreich ist noch immer ein ge¬ Der Krieg in Arran und Tonkin. starke Kriegsentschädigung in Geld. Bis dieselbe bezahlt ist, sollen die Truppen Das Verhältnis zwischen China und Frankreich ist noch immer ein ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0584" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154031"/> <fw type="header" place="top"> Der Krieg in Arran und Tonkin.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2528" prev="#ID_2527"> starke Kriegsentschädigung in Geld. Bis dieselbe bezahlt ist, sollen die Truppen<lb/> des Admirals Courbet die Festungswerke in und bei Huc, also die Forts, welche<lb/> diese Hauptstadt beherrschen, besetzt halten. Ist die Summe abgetragen, so wird<lb/> sich die französische Garnison zurückziehen. Während der Ordnung der finanziellen<lb/> Verhältnisse soll die annamitische Regierung ihre Soldaten, mit Einschluß der<lb/> im Delta des Roten Flusses befindlichen, unter französischen Oberbefehl stellen<lb/> und sie gegen die Räuber vou der Schwarzen Flagge (zu denen sehr wahr<lb/> scheinlich auch chinesische Truppen gehören) verwenden lassen, bis die Verteidiger<lb/> Tonkins aus dem Lande verjagt oder soweit zurückgeworfen sind, daß General<lb/> Bouet befriedigt ist. Die Provinz Dinthuan wird an Frankreich abgetreten.<lb/> Letzteres übernimmt die Zollverwaltung in ganz Arran. Endlich soll der Kaiser<lb/> von Arran eine förmliche Erklärung unterzeichnen, in welcher er die Behaup¬<lb/> tung anerkennt, daß Frankreich ein Recht ans die Schutzherrschaft über ganz<lb/> Arran besitzt, welches bewirken würde, daß Frankreich fortan Grenznachbar von<lb/> Siam und China wäre. Diese Ansprüche zeigen deutlich, daß das nächste Ziel<lb/> des Feldzugs der Franzosen die Erwerbung des ganzen Landes westlich wie<lb/> östlich von den Bergen Annäus ist, und daß das letzte Ziel, das man in Paris<lb/> ins Ange gefaßt hat, darin besteht, daß man den obern Lauf des Mekong er¬<lb/> reicht, Siam isolirt und dann einen Druck auf dasselbe ausüben kann, womit<lb/> man sich entscheidenden Einfluß auf das ganze Gebiet bis hinauf nach den<lb/> Grenzen von Birmci verschaffen würde. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser<lb/> Traktat in Peking die Unzufriedenheit mit Frankreich erheblich steigern wird.<lb/> Ein Telegramm aus Hongkong meldet, daß die Nachrichten aus Huc in China<lb/> großes Aufsehen erregt haben, und fügt hinzu, daß die Regierung bereits Truppen<lb/> nach Junnan abgesandt hat und den Norden Tonkins zu besetzen beabsichtigt,<lb/> bis ein Übereinkommen mit Frankreich erzielt worden ist. Ein solches wird<lb/> schwerlich rasch erfolgen, wenn die französische Regierung sich nicht entschließt,<lb/> den Stolz der Chinesen mehr als bisher zu schonen. Der neue Kaiser von<lb/> Arran hat im Drange der Umstände sich von Harmcmd nicht lange nötigen<lb/> lassen. Aber es fragt sich: Was hat diese rasche Nachgiebigkeit, diese plötzliche<lb/> Unterwerfung zu bedeuten? China wird protestiren, und der Kampf in Tonkin<lb/> wird fortgesetzt werden. China wird sich bei seinem Einsprüche darauf berufen,<lb/> daß der neue Herrscher in Huc vom Pekinger Hofe noch nicht anerkannt und<lb/> eingesetzt worden ist, und dieser wieder wird jeden Augenblick sich damit ent¬<lb/> schuldigen können, daß er auf deu Zwang hinweist, unter welchem er den Fran¬<lb/> zosen weitgehende Zugeständnisse gemacht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2529"> Das Verhältnis zwischen China und Frankreich ist noch immer ein ge¬<lb/> spanntes, der französische Gesandte in Shanghai, Trieou, hat mit seinen Unter¬<lb/> handlungen nichts ausgerichtet, und der chinesische Botschafter an den west¬<lb/> europäischen Höfen, Marquis Tseng, verweilt, verletzt von der Haltung des<lb/> Pariser auswärtigen Amtes, seit Monaten schon in London. Ein Versuch, in<lb/> Berlin zwischen dem dortigen französischen Botschafter de Conrcel und Li Fong<lb/> Pao, dem Vertreter des himmlischen Reichs beim deutschen Kaiser, neue Ver¬<lb/> handlungen über die Angelegenheit anzuknüpfen, ist fehlgeschlagen. Die Span¬<lb/> nung dauert fort, und es findet in der Sache keinerlei diplomatischer Verkehr<lb/> mehr statt, obwohl gerade jetzt der Takt und die Geduld, welche die Diplomatie<lb/> charakterisiren, dringend erforderlich sind, wenn ein gefährliches Zerwürfnis ver¬<lb/> mieden werden soll.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0584]
Der Krieg in Arran und Tonkin.
starke Kriegsentschädigung in Geld. Bis dieselbe bezahlt ist, sollen die Truppen
des Admirals Courbet die Festungswerke in und bei Huc, also die Forts, welche
diese Hauptstadt beherrschen, besetzt halten. Ist die Summe abgetragen, so wird
sich die französische Garnison zurückziehen. Während der Ordnung der finanziellen
Verhältnisse soll die annamitische Regierung ihre Soldaten, mit Einschluß der
im Delta des Roten Flusses befindlichen, unter französischen Oberbefehl stellen
und sie gegen die Räuber vou der Schwarzen Flagge (zu denen sehr wahr
scheinlich auch chinesische Truppen gehören) verwenden lassen, bis die Verteidiger
Tonkins aus dem Lande verjagt oder soweit zurückgeworfen sind, daß General
Bouet befriedigt ist. Die Provinz Dinthuan wird an Frankreich abgetreten.
Letzteres übernimmt die Zollverwaltung in ganz Arran. Endlich soll der Kaiser
von Arran eine förmliche Erklärung unterzeichnen, in welcher er die Behaup¬
tung anerkennt, daß Frankreich ein Recht ans die Schutzherrschaft über ganz
Arran besitzt, welches bewirken würde, daß Frankreich fortan Grenznachbar von
Siam und China wäre. Diese Ansprüche zeigen deutlich, daß das nächste Ziel
des Feldzugs der Franzosen die Erwerbung des ganzen Landes westlich wie
östlich von den Bergen Annäus ist, und daß das letzte Ziel, das man in Paris
ins Ange gefaßt hat, darin besteht, daß man den obern Lauf des Mekong er¬
reicht, Siam isolirt und dann einen Druck auf dasselbe ausüben kann, womit
man sich entscheidenden Einfluß auf das ganze Gebiet bis hinauf nach den
Grenzen von Birmci verschaffen würde. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser
Traktat in Peking die Unzufriedenheit mit Frankreich erheblich steigern wird.
Ein Telegramm aus Hongkong meldet, daß die Nachrichten aus Huc in China
großes Aufsehen erregt haben, und fügt hinzu, daß die Regierung bereits Truppen
nach Junnan abgesandt hat und den Norden Tonkins zu besetzen beabsichtigt,
bis ein Übereinkommen mit Frankreich erzielt worden ist. Ein solches wird
schwerlich rasch erfolgen, wenn die französische Regierung sich nicht entschließt,
den Stolz der Chinesen mehr als bisher zu schonen. Der neue Kaiser von
Arran hat im Drange der Umstände sich von Harmcmd nicht lange nötigen
lassen. Aber es fragt sich: Was hat diese rasche Nachgiebigkeit, diese plötzliche
Unterwerfung zu bedeuten? China wird protestiren, und der Kampf in Tonkin
wird fortgesetzt werden. China wird sich bei seinem Einsprüche darauf berufen,
daß der neue Herrscher in Huc vom Pekinger Hofe noch nicht anerkannt und
eingesetzt worden ist, und dieser wieder wird jeden Augenblick sich damit ent¬
schuldigen können, daß er auf deu Zwang hinweist, unter welchem er den Fran¬
zosen weitgehende Zugeständnisse gemacht hat.
Das Verhältnis zwischen China und Frankreich ist noch immer ein ge¬
spanntes, der französische Gesandte in Shanghai, Trieou, hat mit seinen Unter¬
handlungen nichts ausgerichtet, und der chinesische Botschafter an den west¬
europäischen Höfen, Marquis Tseng, verweilt, verletzt von der Haltung des
Pariser auswärtigen Amtes, seit Monaten schon in London. Ein Versuch, in
Berlin zwischen dem dortigen französischen Botschafter de Conrcel und Li Fong
Pao, dem Vertreter des himmlischen Reichs beim deutschen Kaiser, neue Ver¬
handlungen über die Angelegenheit anzuknüpfen, ist fehlgeschlagen. Die Span¬
nung dauert fort, und es findet in der Sache keinerlei diplomatischer Verkehr
mehr statt, obwohl gerade jetzt der Takt und die Geduld, welche die Diplomatie
charakterisiren, dringend erforderlich sind, wenn ein gefährliches Zerwürfnis ver¬
mieden werden soll.
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