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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung i" Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

Vollen Blumen aus gefärbtem Glas oder Porzellan den französischen Fabrikaten
erheblich überlegen.

Von einem Eifer, sich an fremden Ausstellungen zu beteiligen, ist also in
Österreich wenig zu spüren. Mit größerer Sympathie würde man vielleicht das
umgekehrte Projekt begrüßen, Wien zum Schauplätze einer deutsch-österreichischen
Ausstellung zu wählen, weil man in Wien jedes Mittel, mit welchem eine nicht
allzugroße Gefahr verbunden ist, versucht, um den Strom des Fremdenverkehrs
zeitweilig nach Wien zu lenken. Unter diesem Gesichtspunkte sind wohl auch
nur die Wiener Ausstellungen dieses Jahres zu betrachten. Für eine elektro¬
technische Ausstellung liegt wenigstens nach den kurz vorausgegcmgueu gleich¬
artigen Unternehmungen in Paris und München nicht das geringste Bedürf¬
nis vor.

Wir sehen also, daß auch die Aussichten für eine deutsch-österreichische
Kunstindustrieausstellung in Berlin keineswegs günstig sind, wenn wir nur die
absolute Bedürfnisfrage in den Vordergrund stellen. Von welcher Seite wir
auch das Projekt betrachten mögen, immer werden wir auf die unruhigen Pläne¬
macher in München zurückgeführt, welche Jahr aus Jahr ein ihr Fest haben
wollen, um die nach Italien durchreisenden Fremden ein paar Tage länger fest¬
halten zu können. Sollte dieser mit Leidenschaft betriebene Ausstellungssport
der deutschen Neichsregieruug nicht einmal die Frage nahe legen, ob es sich
nicht nach dem Vorgange Frankreichs empfehlen dürfte, das Ausstellungsweseu
von Staatswegen in die Hand zu nehmen und einen ständigen Kommissar für
dasselbe zu ernennen? Dann wäre der Unfug, welcher gegenwärtig unleugbar
mit den Ausstellungen getrieben wird, mit einem Schlage beseitigt. Seit Frank¬
reich in der Person des Herrn Georges Lafenestre einen " Generalkommisfar
für Kunstausstellungen" besitzt, hat es sich noch niemals auf einer auswärtigen
Ausstellung blamirt, sondern es ist stets aus jedem Wetteifer mit äußern Ehren
hervorgegangen. Die deutsche Kunst und die deutsche Industrie können es ganz
gewiß vertragen, wenn die Blamagen vor dem Auslande endlich einmal auf¬
hören. Sowohl in Berlin wie in München giebt es genug Persönlichkeiten,
welche mit Freuden den ephemeren Glanz eines Präsidenten irgend einer Spezial-
oder Lokalausstellung mit der dauerhafter" Aureole eines "Generalkommisfars
für das Nusstellungswescn" vertauschen würden.

Die Ausstellung in Amsterdam ist gerade zur rechten Zeit gekommen, um
zu lehren, was bei Unternehmungen herauskommt, die von Privatpersonen ins
Leben gerufen werden, ohne daß die Bedürfnis- oder die Ortsfrage genügend
erörtert wird. Ein französischer Spekulant, Namens Agostini, wird gewahr, daß
Holland noch nicht für die Zwecke einer Weltausstellung ausgebeutet worden ist.
Um den wegen ihrer Unzugänglichkeit und Zähigkeit bekannten Holländern sein
Projekt in einem möglichst verführerischen Lichte erscheinen zu lassen, sucht er
sie bei ihrer schwachen Seite, bei den Kolonien, zu fassen, indem er ihnen ans-


Die Ausstellung i» Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

Vollen Blumen aus gefärbtem Glas oder Porzellan den französischen Fabrikaten
erheblich überlegen.

Von einem Eifer, sich an fremden Ausstellungen zu beteiligen, ist also in
Österreich wenig zu spüren. Mit größerer Sympathie würde man vielleicht das
umgekehrte Projekt begrüßen, Wien zum Schauplätze einer deutsch-österreichischen
Ausstellung zu wählen, weil man in Wien jedes Mittel, mit welchem eine nicht
allzugroße Gefahr verbunden ist, versucht, um den Strom des Fremdenverkehrs
zeitweilig nach Wien zu lenken. Unter diesem Gesichtspunkte sind wohl auch
nur die Wiener Ausstellungen dieses Jahres zu betrachten. Für eine elektro¬
technische Ausstellung liegt wenigstens nach den kurz vorausgegcmgueu gleich¬
artigen Unternehmungen in Paris und München nicht das geringste Bedürf¬
nis vor.

Wir sehen also, daß auch die Aussichten für eine deutsch-österreichische
Kunstindustrieausstellung in Berlin keineswegs günstig sind, wenn wir nur die
absolute Bedürfnisfrage in den Vordergrund stellen. Von welcher Seite wir
auch das Projekt betrachten mögen, immer werden wir auf die unruhigen Pläne¬
macher in München zurückgeführt, welche Jahr aus Jahr ein ihr Fest haben
wollen, um die nach Italien durchreisenden Fremden ein paar Tage länger fest¬
halten zu können. Sollte dieser mit Leidenschaft betriebene Ausstellungssport
der deutschen Neichsregieruug nicht einmal die Frage nahe legen, ob es sich
nicht nach dem Vorgange Frankreichs empfehlen dürfte, das Ausstellungsweseu
von Staatswegen in die Hand zu nehmen und einen ständigen Kommissar für
dasselbe zu ernennen? Dann wäre der Unfug, welcher gegenwärtig unleugbar
mit den Ausstellungen getrieben wird, mit einem Schlage beseitigt. Seit Frank¬
reich in der Person des Herrn Georges Lafenestre einen „ Generalkommisfar
für Kunstausstellungen" besitzt, hat es sich noch niemals auf einer auswärtigen
Ausstellung blamirt, sondern es ist stets aus jedem Wetteifer mit äußern Ehren
hervorgegangen. Die deutsche Kunst und die deutsche Industrie können es ganz
gewiß vertragen, wenn die Blamagen vor dem Auslande endlich einmal auf¬
hören. Sowohl in Berlin wie in München giebt es genug Persönlichkeiten,
welche mit Freuden den ephemeren Glanz eines Präsidenten irgend einer Spezial-
oder Lokalausstellung mit der dauerhafter» Aureole eines „Generalkommisfars
für das Nusstellungswescn" vertauschen würden.

Die Ausstellung in Amsterdam ist gerade zur rechten Zeit gekommen, um
zu lehren, was bei Unternehmungen herauskommt, die von Privatpersonen ins
Leben gerufen werden, ohne daß die Bedürfnis- oder die Ortsfrage genügend
erörtert wird. Ein französischer Spekulant, Namens Agostini, wird gewahr, daß
Holland noch nicht für die Zwecke einer Weltausstellung ausgebeutet worden ist.
Um den wegen ihrer Unzugänglichkeit und Zähigkeit bekannten Holländern sein
Projekt in einem möglichst verführerischen Lichte erscheinen zu lassen, sucht er
sie bei ihrer schwachen Seite, bei den Kolonien, zu fassen, indem er ihnen ans-


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[0515] Die Ausstellung i» Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin. Vollen Blumen aus gefärbtem Glas oder Porzellan den französischen Fabrikaten erheblich überlegen. Von einem Eifer, sich an fremden Ausstellungen zu beteiligen, ist also in Österreich wenig zu spüren. Mit größerer Sympathie würde man vielleicht das umgekehrte Projekt begrüßen, Wien zum Schauplätze einer deutsch-österreichischen Ausstellung zu wählen, weil man in Wien jedes Mittel, mit welchem eine nicht allzugroße Gefahr verbunden ist, versucht, um den Strom des Fremdenverkehrs zeitweilig nach Wien zu lenken. Unter diesem Gesichtspunkte sind wohl auch nur die Wiener Ausstellungen dieses Jahres zu betrachten. Für eine elektro¬ technische Ausstellung liegt wenigstens nach den kurz vorausgegcmgueu gleich¬ artigen Unternehmungen in Paris und München nicht das geringste Bedürf¬ nis vor. Wir sehen also, daß auch die Aussichten für eine deutsch-österreichische Kunstindustrieausstellung in Berlin keineswegs günstig sind, wenn wir nur die absolute Bedürfnisfrage in den Vordergrund stellen. Von welcher Seite wir auch das Projekt betrachten mögen, immer werden wir auf die unruhigen Pläne¬ macher in München zurückgeführt, welche Jahr aus Jahr ein ihr Fest haben wollen, um die nach Italien durchreisenden Fremden ein paar Tage länger fest¬ halten zu können. Sollte dieser mit Leidenschaft betriebene Ausstellungssport der deutschen Neichsregieruug nicht einmal die Frage nahe legen, ob es sich nicht nach dem Vorgange Frankreichs empfehlen dürfte, das Ausstellungsweseu von Staatswegen in die Hand zu nehmen und einen ständigen Kommissar für dasselbe zu ernennen? Dann wäre der Unfug, welcher gegenwärtig unleugbar mit den Ausstellungen getrieben wird, mit einem Schlage beseitigt. Seit Frank¬ reich in der Person des Herrn Georges Lafenestre einen „ Generalkommisfar für Kunstausstellungen" besitzt, hat es sich noch niemals auf einer auswärtigen Ausstellung blamirt, sondern es ist stets aus jedem Wetteifer mit äußern Ehren hervorgegangen. Die deutsche Kunst und die deutsche Industrie können es ganz gewiß vertragen, wenn die Blamagen vor dem Auslande endlich einmal auf¬ hören. Sowohl in Berlin wie in München giebt es genug Persönlichkeiten, welche mit Freuden den ephemeren Glanz eines Präsidenten irgend einer Spezial- oder Lokalausstellung mit der dauerhafter» Aureole eines „Generalkommisfars für das Nusstellungswescn" vertauschen würden. Die Ausstellung in Amsterdam ist gerade zur rechten Zeit gekommen, um zu lehren, was bei Unternehmungen herauskommt, die von Privatpersonen ins Leben gerufen werden, ohne daß die Bedürfnis- oder die Ortsfrage genügend erörtert wird. Ein französischer Spekulant, Namens Agostini, wird gewahr, daß Holland noch nicht für die Zwecke einer Weltausstellung ausgebeutet worden ist. Um den wegen ihrer Unzugänglichkeit und Zähigkeit bekannten Holländern sein Projekt in einem möglichst verführerischen Lichte erscheinen zu lassen, sucht er sie bei ihrer schwachen Seite, bei den Kolonien, zu fassen, indem er ihnen ans-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/515>, abgerufen am 08.09.2024.