Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Die Grafen von Altenschwerdt. einen Ehrenmann mit dem andern verbindet, jene unsichtbare und ungreifbare Seiner geraden und mutigen Natur gemäß ging er jetzt ohne Umschweife Eberhardts Brust hob sich höher, und in einer kurzen Sekunde durchfühlte Und was hat Sie bewogen, mein Herr, sich unter einem andern Namen Es ist eine traurige Geschichte, die Geschichte des gebrochenen Herzens Er nahm den Stuhl, welchem ihn Baron Sextus anbot, setzte sich dem alten Baron Sextus hörte dieser Erzählung mit der Empfindung zu, daß die¬ Die Grafen von Altenschwerdt. einen Ehrenmann mit dem andern verbindet, jene unsichtbare und ungreifbare Seiner geraden und mutigen Natur gemäß ging er jetzt ohne Umschweife Eberhardts Brust hob sich höher, und in einer kurzen Sekunde durchfühlte Und was hat Sie bewogen, mein Herr, sich unter einem andern Namen Es ist eine traurige Geschichte, die Geschichte des gebrochenen Herzens Er nahm den Stuhl, welchem ihn Baron Sextus anbot, setzte sich dem alten Baron Sextus hörte dieser Erzählung mit der Empfindung zu, daß die¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153929"/> <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwerdt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2137" prev="#ID_2136"> einen Ehrenmann mit dem andern verbindet, jene unsichtbare und ungreifbare<lb/> Verwandtschaft der Seelenstimmung, auf welche der Baron so hohen Wert legte,<lb/> zog ihn sofort an, sodaß es ihm selbst in diesem Augenblicke unbegreiflich er¬<lb/> schien, wie es möglich gewesen sei, daß er so lange in Zweifel über Eberhardts<lb/> wahren Charakter hatte sein können. Es lag ein edler Freimut, eine vornehme<lb/> Ruhe und eine Sicherheit der Persönlichkeit in Eberhardts Auftreten, die den<lb/> Baron, schon ehe er seine beabsichtigten Fragen that, von der guten Sache<lb/> dieses Mannes überzeugten, und er konnte nicht ohne Beschämung daran denke»,<lb/> daß er sich durch Einflüsse unreiner Art solange hatte davon abhalten lassen,<lb/> seinem Grundsatze gemäß Auge in Auge zu prüfen, mit wem er es zu thun<lb/> gehabt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2138"> Seiner geraden und mutigen Natur gemäß ging er jetzt ohne Umschweife<lb/> auf das Ziel los, indem er fragte: Mein Herr, welches ist Ihr wahrer Name?<lb/> Ist der Name, unter welchem Sie sich bei uns einführten, Ihr wahrer und<lb/> richtiger Name, oder wer sind Sie?</p><lb/> <p xml:id="ID_2139"> Eberhardts Brust hob sich höher, und in einer kurzen Sekunde durchfühlte<lb/> er noch einmal in der Erinnerung die Seelenkämpfe, welche er siegreich bestanden<lb/> hatte, dachte an das Versprechen, welches er seiner Mutter gegeben, aber anch<lb/> an die Worte, welche sie ihm selbst gesagt und durch den treuen Andrew ihm<lb/> übersandt hatte: daß er nämlich zu seiner Verteidigung das Geheimnis seiner<lb/> Abkunft verraten dürfe. Dann erwiederte er mit stolz erhobenem Haupte und<lb/> ruhiger Stimme: Ich bin der Graf Eberhardt von Altenschwerdt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2140"> Und was hat Sie bewogen, mein Herr, sich unter einem andern Namen<lb/> vorzustellen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2141"> Es ist eine traurige Geschichte, die Geschichte des gebrochenen Herzens<lb/> meiner Mutter, welche ich Ihnen zur Erklärung zu berichten habe, sagte Eber¬<lb/> hardt mit umflorter Stimme.</p><lb/> <p xml:id="ID_2142"> Er nahm den Stuhl, welchem ihn Baron Sextus anbot, setzte sich dem alten<lb/> Herrn gegenüber und erzählte ihm von der Vergangenheit, von der Liebe zwischen<lb/> dem heißblütigen, wankelmütigen und stolzen Grafen und dem Mädchen bürger¬<lb/> licher Herkunft, von der stillen, aufopfernden Liebe der verratenen Frau, von<lb/> der Zurückgezogenheit seiner Jugend bei den Shakern im fernen Amerika und<lb/> von dem Wunsche der verstorbenen Mutter, das Geheimnis ihrer Liebe möge<lb/> heilig erhalten bleiben, damit das Andenken jenes verräterischen und doch so<lb/> heißgeliebten Mannes nicht getrübt und die süße Erinnerung einer unvergäng¬<lb/> lichen Neigung nicht vor den Augen der großen Welt in den Staub gezogen<lb/> werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_2143" next="#ID_2144"> Baron Sextus hörte dieser Erzählung mit der Empfindung zu, daß die¬<lb/> selbe wahr sein müsse, auch wenn die Thatsachen, welche Eberhardt berichtete<lb/> und mit Dokumenten beweisen zu können erklärte, nicht durch solche äußerliche<lb/> Beglaubigungen getragen wären. So sehr trug diese Erzählung in Eberhardts<lb/> Munde das Gepräge der Wahrheit in sich selbst. Er begriff jetzt, indem er<lb/> Eberhardts Bericht mit den Mitteilungen des Freiherrn von Valdeghem und<lb/> mit den Bruchstücken verglich, die ihm die Gräfin über ihre Geschichte und jene<lb/> selben Gegenstände vorgetragen hatte, den Zusammenhang der Intrigue, welcher<lb/> er eine Zeit lang zum Opfer gefallen war, und er ward von Zorn und Schrecken<lb/> bewegt, als er bedachte, welche Gefahr ihm in seiner vertrauensvollen Hingebung<lb/> an jene gefährliche Frau gedroht habe. Er bewunderte die Zurückhaltung und<lb/> den Stolz dieses jungen Mannes, der in einer Ritterlichkeit der Gesinnung, wie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
Die Grafen von Altenschwerdt.
einen Ehrenmann mit dem andern verbindet, jene unsichtbare und ungreifbare
Verwandtschaft der Seelenstimmung, auf welche der Baron so hohen Wert legte,
zog ihn sofort an, sodaß es ihm selbst in diesem Augenblicke unbegreiflich er¬
schien, wie es möglich gewesen sei, daß er so lange in Zweifel über Eberhardts
wahren Charakter hatte sein können. Es lag ein edler Freimut, eine vornehme
Ruhe und eine Sicherheit der Persönlichkeit in Eberhardts Auftreten, die den
Baron, schon ehe er seine beabsichtigten Fragen that, von der guten Sache
dieses Mannes überzeugten, und er konnte nicht ohne Beschämung daran denke»,
daß er sich durch Einflüsse unreiner Art solange hatte davon abhalten lassen,
seinem Grundsatze gemäß Auge in Auge zu prüfen, mit wem er es zu thun
gehabt hatte.
Seiner geraden und mutigen Natur gemäß ging er jetzt ohne Umschweife
auf das Ziel los, indem er fragte: Mein Herr, welches ist Ihr wahrer Name?
Ist der Name, unter welchem Sie sich bei uns einführten, Ihr wahrer und
richtiger Name, oder wer sind Sie?
Eberhardts Brust hob sich höher, und in einer kurzen Sekunde durchfühlte
er noch einmal in der Erinnerung die Seelenkämpfe, welche er siegreich bestanden
hatte, dachte an das Versprechen, welches er seiner Mutter gegeben, aber anch
an die Worte, welche sie ihm selbst gesagt und durch den treuen Andrew ihm
übersandt hatte: daß er nämlich zu seiner Verteidigung das Geheimnis seiner
Abkunft verraten dürfe. Dann erwiederte er mit stolz erhobenem Haupte und
ruhiger Stimme: Ich bin der Graf Eberhardt von Altenschwerdt.
Und was hat Sie bewogen, mein Herr, sich unter einem andern Namen
vorzustellen?
Es ist eine traurige Geschichte, die Geschichte des gebrochenen Herzens
meiner Mutter, welche ich Ihnen zur Erklärung zu berichten habe, sagte Eber¬
hardt mit umflorter Stimme.
Er nahm den Stuhl, welchem ihn Baron Sextus anbot, setzte sich dem alten
Herrn gegenüber und erzählte ihm von der Vergangenheit, von der Liebe zwischen
dem heißblütigen, wankelmütigen und stolzen Grafen und dem Mädchen bürger¬
licher Herkunft, von der stillen, aufopfernden Liebe der verratenen Frau, von
der Zurückgezogenheit seiner Jugend bei den Shakern im fernen Amerika und
von dem Wunsche der verstorbenen Mutter, das Geheimnis ihrer Liebe möge
heilig erhalten bleiben, damit das Andenken jenes verräterischen und doch so
heißgeliebten Mannes nicht getrübt und die süße Erinnerung einer unvergäng¬
lichen Neigung nicht vor den Augen der großen Welt in den Staub gezogen
werde.
Baron Sextus hörte dieser Erzählung mit der Empfindung zu, daß die¬
selbe wahr sein müsse, auch wenn die Thatsachen, welche Eberhardt berichtete
und mit Dokumenten beweisen zu können erklärte, nicht durch solche äußerliche
Beglaubigungen getragen wären. So sehr trug diese Erzählung in Eberhardts
Munde das Gepräge der Wahrheit in sich selbst. Er begriff jetzt, indem er
Eberhardts Bericht mit den Mitteilungen des Freiherrn von Valdeghem und
mit den Bruchstücken verglich, die ihm die Gräfin über ihre Geschichte und jene
selben Gegenstände vorgetragen hatte, den Zusammenhang der Intrigue, welcher
er eine Zeit lang zum Opfer gefallen war, und er ward von Zorn und Schrecken
bewegt, als er bedachte, welche Gefahr ihm in seiner vertrauensvollen Hingebung
an jene gefährliche Frau gedroht habe. Er bewunderte die Zurückhaltung und
den Stolz dieses jungen Mannes, der in einer Ritterlichkeit der Gesinnung, wie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |