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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Friedrich Prellet.

Besprechung ziehen. Allein hier ist die Kürze zur Kargheit geworden, und die
Thatsache, daß der Biograph von den Bildern dieser Periode nur einen kleinern
Teil kannte und das letzte Urteil über dieselbe wie billig dem Kunsthistoriker
überläßt, durfte ihn doch nicht hindern, ein etwas deutlicheres Bild der Person
lieben Existenz des Meisters in jenen Jahren zu geben.

Mit dem entscheidenden Jahre 1856, in welchem Preller den zweiten
Cyklus seiner Odysseedarstellungen begann, nimmt anch die Darstellung Ro-
quettes den frischesten Aufschwung. Außerordentlich lebendig und anziehend
schildert er, wie aus einem schlichten Anfang, einer bloßen Umkomposition der
Gemälde im Härtelschen Hause, nach und nach das Hauptwerk Prellers erwuchs.
Wir entnehmen aus seiner Erzählung, daß die immerhin noch bescheidene äußere
Lage des Künstlers doch damals eine insoweit befestigte und glückliche war, daß
er einer Lieblingsschöpfung Zeit und Kraft widmen konnte, bei der es zunächst
nur seine Selbstbefriedigung galt und für die keinerlei Ertragsaussichten vor¬
handen waren. "Von Düsternbrook nach Weimar zurückgekehrt, gab sich Preller
der neuen Arbeit sogleich hin, und zwar^mit einer Freude des Schaffens, wie
sie nur denjenigen erwärmt, der für sein innerstes Wollen und Können den
endgiltigen Ausdruck gefunden hat."

Bei dieser Episode von Prellers Leben und Roqnettes Erzählung ist es
abermals, wo wir den Unterschied zwischen dem Künstlergeschlecht von einst und
von heute merklich empfinden. Künstler wie Dichter haben sich die Not des
Bedürfnisses -- wenn das Bedürfnis Sekt und echte Habana heißt, um so
schlimmer! -- derart über den Kopf wachsen lassen, daß für eine Lieblings¬
aufgabe, für ein Ausleben in großen, von niemand bestellten Arbeiten weder
Zeit noch Atem vorhanden ist. Und es gewinnt wahrlich den Anschein, als
ob die Ältern bei einer gewissen uns fremden Dürftigkeit des täglichen Lebens
sich freier und vornehmer erhalten hätten als die Neuesten in ihren blendenden
und auf die Verblüffung der Gründer berechneten Ateliers. Es ist im höchsten
Grade erquicklich, der liebevollen und so viel als möglich mit Prellers eignen
Worten berichtenden Erzählung Roquettes zu folgen und die Odysfeebilder gleichsam
entstehen zu sehen. Den Kartons, welche die historische Kunstausstellung zu
München im Jahre 1858 schmückten, ward jener große Erfolg zu Teil, der
Preller bis dahin gefehlt, dessen Mangel ihn aber nie gehindert hatte, nach dem
Höchsten zu streben und sich Mut und Kraft zu selbständiger Kunstübung zu
erhalten. Mit dem Auftrage, den prächtigen Cyklus in Fresken in einer be¬
sonders dafür zu erbauenden Halle auszuführen, einem Auftrage, den ihm sein
Landesfürst Großherzog Karl Alexander von Weimar erteilte, ging Preller 1869
zum zweitenmal auf zwei glückliche Jahre nach Italien. Nach der Rückkehr be¬
gann die letzte Ausführung, nur daß an die Stelle einer Halle im Weimarischen
Park eine besondre Galerie des Weimarischen Museums und an die Stelle der
Fresken enkaustisch gemalte Wandbilder traten. Der treuen Lebensgefährtin,


Friedrich Prellet.

Besprechung ziehen. Allein hier ist die Kürze zur Kargheit geworden, und die
Thatsache, daß der Biograph von den Bildern dieser Periode nur einen kleinern
Teil kannte und das letzte Urteil über dieselbe wie billig dem Kunsthistoriker
überläßt, durfte ihn doch nicht hindern, ein etwas deutlicheres Bild der Person
lieben Existenz des Meisters in jenen Jahren zu geben.

Mit dem entscheidenden Jahre 1856, in welchem Preller den zweiten
Cyklus seiner Odysseedarstellungen begann, nimmt anch die Darstellung Ro-
quettes den frischesten Aufschwung. Außerordentlich lebendig und anziehend
schildert er, wie aus einem schlichten Anfang, einer bloßen Umkomposition der
Gemälde im Härtelschen Hause, nach und nach das Hauptwerk Prellers erwuchs.
Wir entnehmen aus seiner Erzählung, daß die immerhin noch bescheidene äußere
Lage des Künstlers doch damals eine insoweit befestigte und glückliche war, daß
er einer Lieblingsschöpfung Zeit und Kraft widmen konnte, bei der es zunächst
nur seine Selbstbefriedigung galt und für die keinerlei Ertragsaussichten vor¬
handen waren. „Von Düsternbrook nach Weimar zurückgekehrt, gab sich Preller
der neuen Arbeit sogleich hin, und zwar^mit einer Freude des Schaffens, wie
sie nur denjenigen erwärmt, der für sein innerstes Wollen und Können den
endgiltigen Ausdruck gefunden hat."

Bei dieser Episode von Prellers Leben und Roqnettes Erzählung ist es
abermals, wo wir den Unterschied zwischen dem Künstlergeschlecht von einst und
von heute merklich empfinden. Künstler wie Dichter haben sich die Not des
Bedürfnisses — wenn das Bedürfnis Sekt und echte Habana heißt, um so
schlimmer! — derart über den Kopf wachsen lassen, daß für eine Lieblings¬
aufgabe, für ein Ausleben in großen, von niemand bestellten Arbeiten weder
Zeit noch Atem vorhanden ist. Und es gewinnt wahrlich den Anschein, als
ob die Ältern bei einer gewissen uns fremden Dürftigkeit des täglichen Lebens
sich freier und vornehmer erhalten hätten als die Neuesten in ihren blendenden
und auf die Verblüffung der Gründer berechneten Ateliers. Es ist im höchsten
Grade erquicklich, der liebevollen und so viel als möglich mit Prellers eignen
Worten berichtenden Erzählung Roquettes zu folgen und die Odysfeebilder gleichsam
entstehen zu sehen. Den Kartons, welche die historische Kunstausstellung zu
München im Jahre 1858 schmückten, ward jener große Erfolg zu Teil, der
Preller bis dahin gefehlt, dessen Mangel ihn aber nie gehindert hatte, nach dem
Höchsten zu streben und sich Mut und Kraft zu selbständiger Kunstübung zu
erhalten. Mit dem Auftrage, den prächtigen Cyklus in Fresken in einer be¬
sonders dafür zu erbauenden Halle auszuführen, einem Auftrage, den ihm sein
Landesfürst Großherzog Karl Alexander von Weimar erteilte, ging Preller 1869
zum zweitenmal auf zwei glückliche Jahre nach Italien. Nach der Rückkehr be¬
gann die letzte Ausführung, nur daß an die Stelle einer Halle im Weimarischen
Park eine besondre Galerie des Weimarischen Museums und an die Stelle der
Fresken enkaustisch gemalte Wandbilder traten. Der treuen Lebensgefährtin,


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[0042] Friedrich Prellet. Besprechung ziehen. Allein hier ist die Kürze zur Kargheit geworden, und die Thatsache, daß der Biograph von den Bildern dieser Periode nur einen kleinern Teil kannte und das letzte Urteil über dieselbe wie billig dem Kunsthistoriker überläßt, durfte ihn doch nicht hindern, ein etwas deutlicheres Bild der Person lieben Existenz des Meisters in jenen Jahren zu geben. Mit dem entscheidenden Jahre 1856, in welchem Preller den zweiten Cyklus seiner Odysseedarstellungen begann, nimmt anch die Darstellung Ro- quettes den frischesten Aufschwung. Außerordentlich lebendig und anziehend schildert er, wie aus einem schlichten Anfang, einer bloßen Umkomposition der Gemälde im Härtelschen Hause, nach und nach das Hauptwerk Prellers erwuchs. Wir entnehmen aus seiner Erzählung, daß die immerhin noch bescheidene äußere Lage des Künstlers doch damals eine insoweit befestigte und glückliche war, daß er einer Lieblingsschöpfung Zeit und Kraft widmen konnte, bei der es zunächst nur seine Selbstbefriedigung galt und für die keinerlei Ertragsaussichten vor¬ handen waren. „Von Düsternbrook nach Weimar zurückgekehrt, gab sich Preller der neuen Arbeit sogleich hin, und zwar^mit einer Freude des Schaffens, wie sie nur denjenigen erwärmt, der für sein innerstes Wollen und Können den endgiltigen Ausdruck gefunden hat." Bei dieser Episode von Prellers Leben und Roqnettes Erzählung ist es abermals, wo wir den Unterschied zwischen dem Künstlergeschlecht von einst und von heute merklich empfinden. Künstler wie Dichter haben sich die Not des Bedürfnisses — wenn das Bedürfnis Sekt und echte Habana heißt, um so schlimmer! — derart über den Kopf wachsen lassen, daß für eine Lieblings¬ aufgabe, für ein Ausleben in großen, von niemand bestellten Arbeiten weder Zeit noch Atem vorhanden ist. Und es gewinnt wahrlich den Anschein, als ob die Ältern bei einer gewissen uns fremden Dürftigkeit des täglichen Lebens sich freier und vornehmer erhalten hätten als die Neuesten in ihren blendenden und auf die Verblüffung der Gründer berechneten Ateliers. Es ist im höchsten Grade erquicklich, der liebevollen und so viel als möglich mit Prellers eignen Worten berichtenden Erzählung Roquettes zu folgen und die Odysfeebilder gleichsam entstehen zu sehen. Den Kartons, welche die historische Kunstausstellung zu München im Jahre 1858 schmückten, ward jener große Erfolg zu Teil, der Preller bis dahin gefehlt, dessen Mangel ihn aber nie gehindert hatte, nach dem Höchsten zu streben und sich Mut und Kraft zu selbständiger Kunstübung zu erhalten. Mit dem Auftrage, den prächtigen Cyklus in Fresken in einer be¬ sonders dafür zu erbauenden Halle auszuführen, einem Auftrage, den ihm sein Landesfürst Großherzog Karl Alexander von Weimar erteilte, ging Preller 1869 zum zweitenmal auf zwei glückliche Jahre nach Italien. Nach der Rückkehr be¬ gann die letzte Ausführung, nur daß an die Stelle einer Halle im Weimarischen Park eine besondre Galerie des Weimarischen Museums und an die Stelle der Fresken enkaustisch gemalte Wandbilder traten. Der treuen Lebensgefährtin,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/42>, abgerufen am 08.09.2024.