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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer welwusstellnng in Berlin.

nate abgedrungen worden sei. Man müsse annehmen, das? sich Rietschel bei Ver¬
werfung seiner eignen schon vollendeten Arbeit in einer krankhaften Stimmung
befunden haben s. . w.

Gegenüber dieser Kampfweise scheint es an der Zeit, eine einzige schlichte,
aber die ganze Angelegenheit bedenklich erhellende Frage zu thun. Und diese
Frage lautet: Wie kommt es, daß der Retter des "echten" Lntherkovfcs, welcher
an der Ausführung des Wormser Refvrinationsdenkmals in hervorragender Weise
beteiligt war, seiner Zeit nicht gegen die angebliche pietätlose Einschmnggelung
einer fremden Arbeit Protest erhoben hat, daß er den Guß und die Aufstellung
der Statue geschehen ließ, um nun, zweiundzwanzig Jahre nach Rietschels Tode,
unter völlig veränderten Verhältnissen mit seiner Anschauung hervorzutreten?
Bis auf diese Frage keine befriedigende Antwort erfolgt, werden wir in dem
Streit um deu Wormser Lutherkopf keineswegs einen Akt der Pietät, sondern
einen Ausfluß der trübsten Sensations- und Skandalsucht erblicken, die sich in
unsern Tagen freilich mit besondern wohlklingenden Namen zu schmücken pflegt.




Die Ausstellung in Amsterdam
und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.
von Adolf Rosenberg. 1.

or einigen Wochen ist in Berlin nnter dem Vorsitze des Herzogs
von Ratibor, dessen Name mit der Gründung und Förderung des
dortige" Kunstgewerbemuseums aufs engste verknüpft ist, eine An¬
zahl namhafter Persönlichkeiten aus den Kreisen der Kunst, der
Kunstindustrie und der Knnstvcrwaltnng zusammengetreten, um
eine Eingabe an den Reichskanzler zu richten, in welcher das Projekt einer
deutsch-österreichischen Ausstellung für Kunstgewerbe und dekorative Kunst für
das Jahr 1885 angeregt und mit Wärme befürwortet wird. Als Terrain wird
der gegenwärtig von der Hygieineansstellnng eingenommene Platz mit seinem
feuersichern Palast aus Eise" und Glas in Vorschlag gebracht. Dieses Projekt
hat augenblicklich in Wien, wo man teils immer noch mit Angst und Schrecken
an die Folgen der Weltausstellung von 1873 denkt, teils mit einer Anzahl von
Fachausstellungen für das laufende Jahr beschäftigt ist, keine besonders großen
Sympathien hervorgerufen. Aber anch einige Berliner Preßorgane haben das
Projekt zu Gunsten einer allgemeinen Weltausstellung in Berlin bekämpft. Man


Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer welwusstellnng in Berlin.

nate abgedrungen worden sei. Man müsse annehmen, das? sich Rietschel bei Ver¬
werfung seiner eignen schon vollendeten Arbeit in einer krankhaften Stimmung
befunden haben s. . w.

Gegenüber dieser Kampfweise scheint es an der Zeit, eine einzige schlichte,
aber die ganze Angelegenheit bedenklich erhellende Frage zu thun. Und diese
Frage lautet: Wie kommt es, daß der Retter des „echten" Lntherkovfcs, welcher
an der Ausführung des Wormser Refvrinationsdenkmals in hervorragender Weise
beteiligt war, seiner Zeit nicht gegen die angebliche pietätlose Einschmnggelung
einer fremden Arbeit Protest erhoben hat, daß er den Guß und die Aufstellung
der Statue geschehen ließ, um nun, zweiundzwanzig Jahre nach Rietschels Tode,
unter völlig veränderten Verhältnissen mit seiner Anschauung hervorzutreten?
Bis auf diese Frage keine befriedigende Antwort erfolgt, werden wir in dem
Streit um deu Wormser Lutherkopf keineswegs einen Akt der Pietät, sondern
einen Ausfluß der trübsten Sensations- und Skandalsucht erblicken, die sich in
unsern Tagen freilich mit besondern wohlklingenden Namen zu schmücken pflegt.




Die Ausstellung in Amsterdam
und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.
von Adolf Rosenberg. 1.

or einigen Wochen ist in Berlin nnter dem Vorsitze des Herzogs
von Ratibor, dessen Name mit der Gründung und Förderung des
dortige» Kunstgewerbemuseums aufs engste verknüpft ist, eine An¬
zahl namhafter Persönlichkeiten aus den Kreisen der Kunst, der
Kunstindustrie und der Knnstvcrwaltnng zusammengetreten, um
eine Eingabe an den Reichskanzler zu richten, in welcher das Projekt einer
deutsch-österreichischen Ausstellung für Kunstgewerbe und dekorative Kunst für
das Jahr 1885 angeregt und mit Wärme befürwortet wird. Als Terrain wird
der gegenwärtig von der Hygieineansstellnng eingenommene Platz mit seinem
feuersichern Palast aus Eise» und Glas in Vorschlag gebracht. Dieses Projekt
hat augenblicklich in Wien, wo man teils immer noch mit Angst und Schrecken
an die Folgen der Weltausstellung von 1873 denkt, teils mit einer Anzahl von
Fachausstellungen für das laufende Jahr beschäftigt ist, keine besonders großen
Sympathien hervorgerufen. Aber anch einige Berliner Preßorgane haben das
Projekt zu Gunsten einer allgemeinen Weltausstellung in Berlin bekämpft. Man


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[0398] Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer welwusstellnng in Berlin. nate abgedrungen worden sei. Man müsse annehmen, das? sich Rietschel bei Ver¬ werfung seiner eignen schon vollendeten Arbeit in einer krankhaften Stimmung befunden haben s. . w. Gegenüber dieser Kampfweise scheint es an der Zeit, eine einzige schlichte, aber die ganze Angelegenheit bedenklich erhellende Frage zu thun. Und diese Frage lautet: Wie kommt es, daß der Retter des „echten" Lntherkovfcs, welcher an der Ausführung des Wormser Refvrinationsdenkmals in hervorragender Weise beteiligt war, seiner Zeit nicht gegen die angebliche pietätlose Einschmnggelung einer fremden Arbeit Protest erhoben hat, daß er den Guß und die Aufstellung der Statue geschehen ließ, um nun, zweiundzwanzig Jahre nach Rietschels Tode, unter völlig veränderten Verhältnissen mit seiner Anschauung hervorzutreten? Bis auf diese Frage keine befriedigende Antwort erfolgt, werden wir in dem Streit um deu Wormser Lutherkopf keineswegs einen Akt der Pietät, sondern einen Ausfluß der trübsten Sensations- und Skandalsucht erblicken, die sich in unsern Tagen freilich mit besondern wohlklingenden Namen zu schmücken pflegt. Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin. von Adolf Rosenberg. 1. or einigen Wochen ist in Berlin nnter dem Vorsitze des Herzogs von Ratibor, dessen Name mit der Gründung und Förderung des dortige» Kunstgewerbemuseums aufs engste verknüpft ist, eine An¬ zahl namhafter Persönlichkeiten aus den Kreisen der Kunst, der Kunstindustrie und der Knnstvcrwaltnng zusammengetreten, um eine Eingabe an den Reichskanzler zu richten, in welcher das Projekt einer deutsch-österreichischen Ausstellung für Kunstgewerbe und dekorative Kunst für das Jahr 1885 angeregt und mit Wärme befürwortet wird. Als Terrain wird der gegenwärtig von der Hygieineansstellnng eingenommene Platz mit seinem feuersichern Palast aus Eise» und Glas in Vorschlag gebracht. Dieses Projekt hat augenblicklich in Wien, wo man teils immer noch mit Angst und Schrecken an die Folgen der Weltausstellung von 1873 denkt, teils mit einer Anzahl von Fachausstellungen für das laufende Jahr beschäftigt ist, keine besonders großen Sympathien hervorgerufen. Aber anch einige Berliner Preßorgane haben das Projekt zu Gunsten einer allgemeinen Weltausstellung in Berlin bekämpft. Man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/398>, abgerufen am 08.09.2024.