Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Zur Erhöhung der Brcmntmeiusteuer. Durch die richtige Ausnutzung der Vorteile, welche die Spiritusbrennerei Es kann der Einwand gemacht werden, daß eine höhere Steuer auch Zur Erhöhung der Brcmntmeiusteuer. Durch die richtige Ausnutzung der Vorteile, welche die Spiritusbrennerei Es kann der Einwand gemacht werden, daß eine höhere Steuer auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153815"/> <fw type="header" place="top"> Zur Erhöhung der Brcmntmeiusteuer.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1543"> Durch die richtige Ausnutzung der Vorteile, welche die Spiritusbrennerei<lb/> dem Landwirt bietet, und durch die mit ihr verbundne angestrengte Arbeit ist<lb/> es möglich geworden, bisher unkultivirte Bodenflächen schlechter Qualität in<lb/> ertragreiche, menschcnernährende Äcker umzuwandeln, dadurch die Steuerkraft<lb/> der Bevölkerung zu heben und diese selbst durch reichlich lohnende Beschäftigung<lb/> an die Scholle des Vaterlandes zu fesseln. Die Herren, welche diesem dem<lb/> Lande zum Segen gereichenden Gewerbe durch höhere Besteuerung einen Hemm¬<lb/> schuh anlegen wollen, weil der baare Gewinn aus dem Spirituserlös für den<lb/> Fabrikanten ein enorm hoher sei, übersehen in ihrem Eifer ganz — oder sollten<lb/> es die fortschrittlichen Volkswirte wirklich nicht wissen? —, daß keine einzige<lb/> unsrer großen Spiritusbrennereien des Spiritusgewinns wegen gebaut worden<lb/> ist. Dieser ist stets und überall, wo von einer Spiritusindustrie die Rede ist<lb/> — wir schließen natürlich das Gewerbe der Kornbranntweinbrennereien aus —,<lb/> nur das Mittel zum Zweck, durch Erhaltung der stickstoffhaltigen Nährstoffe<lb/> der gewonnenen Bodenfrüchte und durch Gewinn eines kräftigen Stalldüngers<lb/> — beides wird durch Verfütterung des bei der Spiritusfabrikatiou als Schlempe<lb/> gewonnenen Rückstandes erzielt — den Acker zu kultiviren und ertragreicher zu<lb/> machen. Eklatante Erfolge durch diese landwirtschaftliche Industrie haben be¬<lb/> reits die Provinzen Brandenburg und Schlesien erreicht; Posen, die so lange<lb/> bei den westlichen Stammesgenossen verkannte Schwesterprovinz, reiht sich als<lb/> würdiges drittes Glied dem Bunde an, und schon fangen auch die Sandsteppen<lb/> und abgeholzte« Haideflächen des ostpreußischen Masuren an, überall dort, wo<lb/> durch Errichtung einer rationellen Spiritusfabrik ein intensiver Kartoffelbau ein¬<lb/> geführt worden ist, ihren lockern Boden zu binden und nicht nur der Kartoffel,<lb/> sondern auch ihren cerealen Nachfrüchten Saft und Kraft zum Gedeihen zu<lb/> geben. Aber noch harren tausende von Hektaren leichten Bodens der allein<lb/> durch die Spiritusindustrie möglichen Melioration, und diese würde in vielen<lb/> Fällen erschwert, wenn nicht unausführbar gemacht werden durch eine Erhöhung<lb/> der Brennsteuer. Aber auch viele der schon bestehenden Brennereien würden in<lb/> diesem Falle geschlossen werden müssen, denn nicht jeder ihrer Besitzer hat das<lb/> bei erhöhter Steuer auch notwendige größere Betriebskapital.</p><lb/> <p xml:id="ID_1544"> Es kann der Einwand gemacht werden, daß eine höhere Steuer auch<lb/> höhere Spirituspreise erzeugen, und daß durch die erzielte Mehreinnahme die<lb/> größere Steuerausgabe gedeckt sein würde. Leider ist es aber eine Thatsache,<lb/> daß nur in seltenen Jahren die baaren, durch den Verkauf des Spiritus<lb/> erzielten Einnahmen die auf seine Gewinnung gehabten Unkosten an Rohmaterial,<lb/> Steuer, Heizungsmaterial, Arbeitslöhnen, Zinsen und Transportkosten decken;<lb/> in der Regel muß mit einem Teil derselben auch noch der Rückstand aus der<lb/> Fabrikation, die als Viehfutter dienende Schlempe, belastet werden, Eine Er¬<lb/> höhung der Steuer würde demnach dem Landwirt neben andern Konsequenzen<lb/> in den meisten Jahren noch die Verteuerung seines Viehfutters bringen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0368]
Zur Erhöhung der Brcmntmeiusteuer.
Durch die richtige Ausnutzung der Vorteile, welche die Spiritusbrennerei
dem Landwirt bietet, und durch die mit ihr verbundne angestrengte Arbeit ist
es möglich geworden, bisher unkultivirte Bodenflächen schlechter Qualität in
ertragreiche, menschcnernährende Äcker umzuwandeln, dadurch die Steuerkraft
der Bevölkerung zu heben und diese selbst durch reichlich lohnende Beschäftigung
an die Scholle des Vaterlandes zu fesseln. Die Herren, welche diesem dem
Lande zum Segen gereichenden Gewerbe durch höhere Besteuerung einen Hemm¬
schuh anlegen wollen, weil der baare Gewinn aus dem Spirituserlös für den
Fabrikanten ein enorm hoher sei, übersehen in ihrem Eifer ganz — oder sollten
es die fortschrittlichen Volkswirte wirklich nicht wissen? —, daß keine einzige
unsrer großen Spiritusbrennereien des Spiritusgewinns wegen gebaut worden
ist. Dieser ist stets und überall, wo von einer Spiritusindustrie die Rede ist
— wir schließen natürlich das Gewerbe der Kornbranntweinbrennereien aus —,
nur das Mittel zum Zweck, durch Erhaltung der stickstoffhaltigen Nährstoffe
der gewonnenen Bodenfrüchte und durch Gewinn eines kräftigen Stalldüngers
— beides wird durch Verfütterung des bei der Spiritusfabrikatiou als Schlempe
gewonnenen Rückstandes erzielt — den Acker zu kultiviren und ertragreicher zu
machen. Eklatante Erfolge durch diese landwirtschaftliche Industrie haben be¬
reits die Provinzen Brandenburg und Schlesien erreicht; Posen, die so lange
bei den westlichen Stammesgenossen verkannte Schwesterprovinz, reiht sich als
würdiges drittes Glied dem Bunde an, und schon fangen auch die Sandsteppen
und abgeholzte« Haideflächen des ostpreußischen Masuren an, überall dort, wo
durch Errichtung einer rationellen Spiritusfabrik ein intensiver Kartoffelbau ein¬
geführt worden ist, ihren lockern Boden zu binden und nicht nur der Kartoffel,
sondern auch ihren cerealen Nachfrüchten Saft und Kraft zum Gedeihen zu
geben. Aber noch harren tausende von Hektaren leichten Bodens der allein
durch die Spiritusindustrie möglichen Melioration, und diese würde in vielen
Fällen erschwert, wenn nicht unausführbar gemacht werden durch eine Erhöhung
der Brennsteuer. Aber auch viele der schon bestehenden Brennereien würden in
diesem Falle geschlossen werden müssen, denn nicht jeder ihrer Besitzer hat das
bei erhöhter Steuer auch notwendige größere Betriebskapital.
Es kann der Einwand gemacht werden, daß eine höhere Steuer auch
höhere Spirituspreise erzeugen, und daß durch die erzielte Mehreinnahme die
größere Steuerausgabe gedeckt sein würde. Leider ist es aber eine Thatsache,
daß nur in seltenen Jahren die baaren, durch den Verkauf des Spiritus
erzielten Einnahmen die auf seine Gewinnung gehabten Unkosten an Rohmaterial,
Steuer, Heizungsmaterial, Arbeitslöhnen, Zinsen und Transportkosten decken;
in der Regel muß mit einem Teil derselben auch noch der Rückstand aus der
Fabrikation, die als Viehfutter dienende Schlempe, belastet werden, Eine Er¬
höhung der Steuer würde demnach dem Landwirt neben andern Konsequenzen
in den meisten Jahren noch die Verteuerung seines Viehfutters bringen.
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