Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Grafen von Altenschwerdt.
August Nie manu Roman von (Gotha).
(Forlschung.)

reiherr von Valdeghem ließ sich behaglich in einem Lehnstuhl nieder,
zog die Handschuhe von seinen weißen Händen, deren schmale und
schön gerundete Form er eine kleine Weile bewunderte, blickte dann
zur Gräfin hinüber, die im Sopha saß und ihn mit aufgestütztem
Kopfe voll Unruhe betrachtete und sagte lächelnd: Wie reizend
du bist, Sibylle! Deine frühere Schönheit hast du nicht gleich
andern weniger bevorzugten Wesen eingebüßt, sondern vervollkommnet. Wahr¬
haftig, es wäre eine abgedroschene Phrase, dir zu sagen, du wärest jünger ge¬
worden, aber du hast eine gewisse Majestät bekommen, die dem dir eigentümlichen
Genre gut steht, du wärest als Aphrodite vielleicht um eine Kleinigkeit zu mager,
aber jetzt als Juno bist du vollendet.

Bist du gekommen, um mir diese Albernheiten zu sagen? fragte sie hart
und scharf.

Welch eine grausame Bezeichnung für meine aufrichtigen Huldigungen!
entgegnete er seufzend. Du treibst die Bescheidenheit zu weit, liebe Sibylle,
wirklich, du treibst sie zu weit! Ich bin in der That voll Bewunderung für dich.
Wie geschickt bist du geworden seit jener schönen Jugendzeit, wo du dich
vertrauensvoll meiner Leitung überließest! Jetzt bist du meine Meisterin, und
ich könnte von dir lernen. Dein Sohn wird Besitzer von Eichhausen werden,
und du selbst, wenn meine Beobachtungsgabe mich nicht ganz verlassen hat,
führst den jetzigen Besitzer schon an deinen Triumphwagen gekettet mit dir.
Ich dagegen, immer noch der alte unpraktische Idealist, sehe mich so ziemlich
auf dem Trocknen und ziehe als alter Junggeselle heimatlos umher.

Willst du mir nun endlich wohl "sagen, was du von mir willst? fragte
die Gräfin von neuem.

Und du errätst es nicht, Sibylle? fragte er dagegen. Ach, wo ist die
Zeit geblieben, da kein Gedanke von mir dir unverständlich war! Du errätst
es nicht, welchen Grund ein vom Unglück mißhandelter Mann hat, um seine
im Glück schwelgende Freundin aufzusuchen? So muß ich es denn freilich in
dürren Worten sagen. Ich brauche Geld, mein liebes Herz, das ganz gemeine
Geld fehlt mir, der plebejische Mammon in seiner natürlichen Feindschaft gegen




Die Grafen von Altenschwerdt.
August Nie manu Roman von (Gotha).
(Forlschung.)

reiherr von Valdeghem ließ sich behaglich in einem Lehnstuhl nieder,
zog die Handschuhe von seinen weißen Händen, deren schmale und
schön gerundete Form er eine kleine Weile bewunderte, blickte dann
zur Gräfin hinüber, die im Sopha saß und ihn mit aufgestütztem
Kopfe voll Unruhe betrachtete und sagte lächelnd: Wie reizend
du bist, Sibylle! Deine frühere Schönheit hast du nicht gleich
andern weniger bevorzugten Wesen eingebüßt, sondern vervollkommnet. Wahr¬
haftig, es wäre eine abgedroschene Phrase, dir zu sagen, du wärest jünger ge¬
worden, aber du hast eine gewisse Majestät bekommen, die dem dir eigentümlichen
Genre gut steht, du wärest als Aphrodite vielleicht um eine Kleinigkeit zu mager,
aber jetzt als Juno bist du vollendet.

Bist du gekommen, um mir diese Albernheiten zu sagen? fragte sie hart
und scharf.

Welch eine grausame Bezeichnung für meine aufrichtigen Huldigungen!
entgegnete er seufzend. Du treibst die Bescheidenheit zu weit, liebe Sibylle,
wirklich, du treibst sie zu weit! Ich bin in der That voll Bewunderung für dich.
Wie geschickt bist du geworden seit jener schönen Jugendzeit, wo du dich
vertrauensvoll meiner Leitung überließest! Jetzt bist du meine Meisterin, und
ich könnte von dir lernen. Dein Sohn wird Besitzer von Eichhausen werden,
und du selbst, wenn meine Beobachtungsgabe mich nicht ganz verlassen hat,
führst den jetzigen Besitzer schon an deinen Triumphwagen gekettet mit dir.
Ich dagegen, immer noch der alte unpraktische Idealist, sehe mich so ziemlich
auf dem Trocknen und ziehe als alter Junggeselle heimatlos umher.

Willst du mir nun endlich wohl „sagen, was du von mir willst? fragte
die Gräfin von neuem.

Und du errätst es nicht, Sibylle? fragte er dagegen. Ach, wo ist die
Zeit geblieben, da kein Gedanke von mir dir unverständlich war! Du errätst
es nicht, welchen Grund ein vom Unglück mißhandelter Mann hat, um seine
im Glück schwelgende Freundin aufzusuchen? So muß ich es denn freilich in
dürren Worten sagen. Ich brauche Geld, mein liebes Herz, das ganz gemeine
Geld fehlt mir, der plebejische Mammon in seiner natürlichen Feindschaft gegen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0310" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153757"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Grafen von Altenschwerdt.<lb/><note type="byline"> August Nie manu </note> Roman von (Gotha).<lb/>
(Forlschung.)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1284"> reiherr von Valdeghem ließ sich behaglich in einem Lehnstuhl nieder,<lb/>
zog die Handschuhe von seinen weißen Händen, deren schmale und<lb/>
schön gerundete Form er eine kleine Weile bewunderte, blickte dann<lb/>
zur Gräfin hinüber, die im Sopha saß und ihn mit aufgestütztem<lb/>
Kopfe voll Unruhe betrachtete und sagte lächelnd: Wie reizend<lb/>
du bist, Sibylle! Deine frühere Schönheit hast du nicht gleich<lb/>
andern weniger bevorzugten Wesen eingebüßt, sondern vervollkommnet. Wahr¬<lb/>
haftig, es wäre eine abgedroschene Phrase, dir zu sagen, du wärest jünger ge¬<lb/>
worden, aber du hast eine gewisse Majestät bekommen, die dem dir eigentümlichen<lb/>
Genre gut steht, du wärest als Aphrodite vielleicht um eine Kleinigkeit zu mager,<lb/>
aber jetzt als Juno bist du vollendet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1285"> Bist du gekommen, um mir diese Albernheiten zu sagen? fragte sie hart<lb/>
und scharf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1286"> Welch eine grausame Bezeichnung für meine aufrichtigen Huldigungen!<lb/>
entgegnete er seufzend. Du treibst die Bescheidenheit zu weit, liebe Sibylle,<lb/>
wirklich, du treibst sie zu weit! Ich bin in der That voll Bewunderung für dich.<lb/>
Wie geschickt bist du geworden seit jener schönen Jugendzeit, wo du dich<lb/>
vertrauensvoll meiner Leitung überließest! Jetzt bist du meine Meisterin, und<lb/>
ich könnte von dir lernen. Dein Sohn wird Besitzer von Eichhausen werden,<lb/>
und du selbst, wenn meine Beobachtungsgabe mich nicht ganz verlassen hat,<lb/>
führst den jetzigen Besitzer schon an deinen Triumphwagen gekettet mit dir.<lb/>
Ich dagegen, immer noch der alte unpraktische Idealist, sehe mich so ziemlich<lb/>
auf dem Trocknen und ziehe als alter Junggeselle heimatlos umher.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1287"> Willst du mir nun endlich wohl &#x201E;sagen, was du von mir willst? fragte<lb/>
die Gräfin von neuem.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1288" next="#ID_1289"> Und du errätst es nicht, Sibylle? fragte er dagegen. Ach, wo ist die<lb/>
Zeit geblieben, da kein Gedanke von mir dir unverständlich war! Du errätst<lb/>
es nicht, welchen Grund ein vom Unglück mißhandelter Mann hat, um seine<lb/>
im Glück schwelgende Freundin aufzusuchen? So muß ich es denn freilich in<lb/>
dürren Worten sagen. Ich brauche Geld, mein liebes Herz, das ganz gemeine<lb/>
Geld fehlt mir, der plebejische Mammon in seiner natürlichen Feindschaft gegen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0310] Die Grafen von Altenschwerdt. August Nie manu Roman von (Gotha). (Forlschung.) reiherr von Valdeghem ließ sich behaglich in einem Lehnstuhl nieder, zog die Handschuhe von seinen weißen Händen, deren schmale und schön gerundete Form er eine kleine Weile bewunderte, blickte dann zur Gräfin hinüber, die im Sopha saß und ihn mit aufgestütztem Kopfe voll Unruhe betrachtete und sagte lächelnd: Wie reizend du bist, Sibylle! Deine frühere Schönheit hast du nicht gleich andern weniger bevorzugten Wesen eingebüßt, sondern vervollkommnet. Wahr¬ haftig, es wäre eine abgedroschene Phrase, dir zu sagen, du wärest jünger ge¬ worden, aber du hast eine gewisse Majestät bekommen, die dem dir eigentümlichen Genre gut steht, du wärest als Aphrodite vielleicht um eine Kleinigkeit zu mager, aber jetzt als Juno bist du vollendet. Bist du gekommen, um mir diese Albernheiten zu sagen? fragte sie hart und scharf. Welch eine grausame Bezeichnung für meine aufrichtigen Huldigungen! entgegnete er seufzend. Du treibst die Bescheidenheit zu weit, liebe Sibylle, wirklich, du treibst sie zu weit! Ich bin in der That voll Bewunderung für dich. Wie geschickt bist du geworden seit jener schönen Jugendzeit, wo du dich vertrauensvoll meiner Leitung überließest! Jetzt bist du meine Meisterin, und ich könnte von dir lernen. Dein Sohn wird Besitzer von Eichhausen werden, und du selbst, wenn meine Beobachtungsgabe mich nicht ganz verlassen hat, führst den jetzigen Besitzer schon an deinen Triumphwagen gekettet mit dir. Ich dagegen, immer noch der alte unpraktische Idealist, sehe mich so ziemlich auf dem Trocknen und ziehe als alter Junggeselle heimatlos umher. Willst du mir nun endlich wohl „sagen, was du von mir willst? fragte die Gräfin von neuem. Und du errätst es nicht, Sibylle? fragte er dagegen. Ach, wo ist die Zeit geblieben, da kein Gedanke von mir dir unverständlich war! Du errätst es nicht, welchen Grund ein vom Unglück mißhandelter Mann hat, um seine im Glück schwelgende Freundin aufzusuchen? So muß ich es denn freilich in dürren Worten sagen. Ich brauche Geld, mein liebes Herz, das ganz gemeine Geld fehlt mir, der plebejische Mammon in seiner natürlichen Feindschaft gegen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/310
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/310>, abgerufen am 08.09.2024.