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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Zu^ Geschichte der Gegenreformation.

See zu beherrschen, desto nachdrücklicher richtete es seine sinkenden Kräfte auf
die Beherrschung Frankreichs und der westdeutschen Lande. Daher die energische
Förderung der Gegenreformation am Niederrhein, das Eingreifen in den jülich-
klevischen Erbfolgestreit.

Es liegt etwas Großartiges, aber auch etwas Furchtbares in der starren
Konsequenz dieser spanisch-römischen Politik. Ihr galt alles die katholische
Idee, das Glück der Völker nichts. Es ist wahr, sie hat ihr Ziel keineswegs
allein mit äußerlichen Mitteln verfolgt, sie wußte auch die Geister zu beherrschen,
indem sie der Schule sich bemächtigte, mehr und mehr die Deutschen in ihre
Bildungsanstalten selbst nach Italien zog und aus ihnen ihre besten Werkzeuge
schuf. Hier empfingen Männer wie Johann von Hoya, Neubert von Kerßen-
broick, Wilhelm steck, der Münstersche Kanzler, die entscheidenden Eindrücke ihres
Lebens, nach Nom sollte man auch die klevischen Prinzen senden, und für die
Münsterschen Domherren gab Gregor XIII. ausdrücklich die Borschrift, daß sie
in den vollen Genuß ihrer Pfründen erst dann eintreten sollten, wenn sie im
Collegium Germcmieum zu Rom studirt hätten (1584), während das bisher
nur von dem Besuche französischer Universitäten abhängig gemacht worden war.
Aber im ganzen und großen begnügte sich die Reaktion bei der damaligen
Generation damit, die äußerliche Unterwerfung zu erzwingen; wie es im Herzen
aussah, darnach fragte sie nicht. Und wenn dies System das sittliche Leben
verwüstete, so war die Gesinnung, die sie dem heranwachsenden Geschlechte ein¬
flößte, römisch, jesuitisch, jedenfalls alles andre als deutsch. Sittliche Ver¬
flachung auf der einen, Entnationalisirung auf der andern Seite, das sind die
Früchte dieser Bestrebungen gewesen, und darin liegt die Schuld derer, die sie
vertreten haben und nach ihrer Überzeugung vertreten mußten. Hätte es noch
eine wirkliche Reichsgewalt gegeben, bei der Stimmung, wie sie weite Kreise
beherrschte, es wäre selbst nach 1565 eine mehr nationale Gestaltung des deutschen
Katholizismus nicht unmöglich gewesen. Da sie fehlte, geschah das Schlimmste,
was überhaupt geschehen konnte: große Teile Deutschlands ließen sich die
Gesetze ihres Lebens durch Spanien und Rom aufzwingen, von denen das eine
jedem fremden Volkstume mit hochmütigem Stolze gegenüberstand, das andre
überhaupt jedes Volkstum negirte.




Zu^ Geschichte der Gegenreformation.

See zu beherrschen, desto nachdrücklicher richtete es seine sinkenden Kräfte auf
die Beherrschung Frankreichs und der westdeutschen Lande. Daher die energische
Förderung der Gegenreformation am Niederrhein, das Eingreifen in den jülich-
klevischen Erbfolgestreit.

Es liegt etwas Großartiges, aber auch etwas Furchtbares in der starren
Konsequenz dieser spanisch-römischen Politik. Ihr galt alles die katholische
Idee, das Glück der Völker nichts. Es ist wahr, sie hat ihr Ziel keineswegs
allein mit äußerlichen Mitteln verfolgt, sie wußte auch die Geister zu beherrschen,
indem sie der Schule sich bemächtigte, mehr und mehr die Deutschen in ihre
Bildungsanstalten selbst nach Italien zog und aus ihnen ihre besten Werkzeuge
schuf. Hier empfingen Männer wie Johann von Hoya, Neubert von Kerßen-
broick, Wilhelm steck, der Münstersche Kanzler, die entscheidenden Eindrücke ihres
Lebens, nach Nom sollte man auch die klevischen Prinzen senden, und für die
Münsterschen Domherren gab Gregor XIII. ausdrücklich die Borschrift, daß sie
in den vollen Genuß ihrer Pfründen erst dann eintreten sollten, wenn sie im
Collegium Germcmieum zu Rom studirt hätten (1584), während das bisher
nur von dem Besuche französischer Universitäten abhängig gemacht worden war.
Aber im ganzen und großen begnügte sich die Reaktion bei der damaligen
Generation damit, die äußerliche Unterwerfung zu erzwingen; wie es im Herzen
aussah, darnach fragte sie nicht. Und wenn dies System das sittliche Leben
verwüstete, so war die Gesinnung, die sie dem heranwachsenden Geschlechte ein¬
flößte, römisch, jesuitisch, jedenfalls alles andre als deutsch. Sittliche Ver¬
flachung auf der einen, Entnationalisirung auf der andern Seite, das sind die
Früchte dieser Bestrebungen gewesen, und darin liegt die Schuld derer, die sie
vertreten haben und nach ihrer Überzeugung vertreten mußten. Hätte es noch
eine wirkliche Reichsgewalt gegeben, bei der Stimmung, wie sie weite Kreise
beherrschte, es wäre selbst nach 1565 eine mehr nationale Gestaltung des deutschen
Katholizismus nicht unmöglich gewesen. Da sie fehlte, geschah das Schlimmste,
was überhaupt geschehen konnte: große Teile Deutschlands ließen sich die
Gesetze ihres Lebens durch Spanien und Rom aufzwingen, von denen das eine
jedem fremden Volkstume mit hochmütigem Stolze gegenüberstand, das andre
überhaupt jedes Volkstum negirte.




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[0304] Zu^ Geschichte der Gegenreformation. See zu beherrschen, desto nachdrücklicher richtete es seine sinkenden Kräfte auf die Beherrschung Frankreichs und der westdeutschen Lande. Daher die energische Förderung der Gegenreformation am Niederrhein, das Eingreifen in den jülich- klevischen Erbfolgestreit. Es liegt etwas Großartiges, aber auch etwas Furchtbares in der starren Konsequenz dieser spanisch-römischen Politik. Ihr galt alles die katholische Idee, das Glück der Völker nichts. Es ist wahr, sie hat ihr Ziel keineswegs allein mit äußerlichen Mitteln verfolgt, sie wußte auch die Geister zu beherrschen, indem sie der Schule sich bemächtigte, mehr und mehr die Deutschen in ihre Bildungsanstalten selbst nach Italien zog und aus ihnen ihre besten Werkzeuge schuf. Hier empfingen Männer wie Johann von Hoya, Neubert von Kerßen- broick, Wilhelm steck, der Münstersche Kanzler, die entscheidenden Eindrücke ihres Lebens, nach Nom sollte man auch die klevischen Prinzen senden, und für die Münsterschen Domherren gab Gregor XIII. ausdrücklich die Borschrift, daß sie in den vollen Genuß ihrer Pfründen erst dann eintreten sollten, wenn sie im Collegium Germcmieum zu Rom studirt hätten (1584), während das bisher nur von dem Besuche französischer Universitäten abhängig gemacht worden war. Aber im ganzen und großen begnügte sich die Reaktion bei der damaligen Generation damit, die äußerliche Unterwerfung zu erzwingen; wie es im Herzen aussah, darnach fragte sie nicht. Und wenn dies System das sittliche Leben verwüstete, so war die Gesinnung, die sie dem heranwachsenden Geschlechte ein¬ flößte, römisch, jesuitisch, jedenfalls alles andre als deutsch. Sittliche Ver¬ flachung auf der einen, Entnationalisirung auf der andern Seite, das sind die Früchte dieser Bestrebungen gewesen, und darin liegt die Schuld derer, die sie vertreten haben und nach ihrer Überzeugung vertreten mußten. Hätte es noch eine wirkliche Reichsgewalt gegeben, bei der Stimmung, wie sie weite Kreise beherrschte, es wäre selbst nach 1565 eine mehr nationale Gestaltung des deutschen Katholizismus nicht unmöglich gewesen. Da sie fehlte, geschah das Schlimmste, was überhaupt geschehen konnte: große Teile Deutschlands ließen sich die Gesetze ihres Lebens durch Spanien und Rom aufzwingen, von denen das eine jedem fremden Volkstume mit hochmütigem Stolze gegenüberstand, das andre überhaupt jedes Volkstum negirte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/304>, abgerufen am 08.09.2024.