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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Notizen.

Es war Herr Eschenburg, ein Maler, zu Befehl.
Wohnt er im Schlosse? fragte der Herr.

Zu Befehl, nein. Er wohnt in Scholldorf, eine Stunde von hier.

Mein lieber Dürrfeld, sagte der Herr, indem er sich zu dem Husarenobersten
wandte, der sich damit abquälte, ein Paar enge Glnceehandschuhe über seine
breiten Hände zu ziehen, ich habe dir nun den Gefallen gethan, dich hierher zu
begleiten, weil ich dir den Spaß nicht verderben wollte. Aber du siehst wohl
selbst ein, daß es völlig unpassend wäre, wenn ich mich als Fremder, ungeladen
und noch dazu verspätet, hier eindrängen wollte. Ich werde deinen Wagen jetzt
zur Rückfahrt benutzen und ihn von Hvlzfurt wieder schicken.

Geh zum Henker! antwortete der Oberst mit ärgerlichem Tone. Hier auf
dem Lande bei stundenlanger Entfernung kann von Verspätungen garnicht die
Rede sein, und wenn ich dich mitbringe, bist du geladen. Es ist ja gerade für
mich die beste Entschuldigung, wenn ich dich mitbringe. Du hast mich über¬
raschend besucht, und deshalb kommen wir beide so spät.

Nein, mein alter Junge, sagte der andre. Ich weiß, ihr habt hier die
schöne Gewohnheit der Gastlichkeit g, t-out, sxrsuvs beibehalten, aber ich habe
mir abgewöhnt, sie auszunutzen. Auch ist mein Magen von deinem Burgunder
so aufgewärmt, daß ich den Hitzegrad nicht noch mit Verlobungssekt und der¬
gleichen steigern möchte. Meine Nerven sind in dieser Hinsicht nicht stärker als
die einer Konfirmandin. Also, amüsire dich gut. Auf Wiedersehen!

Er hatte während dieser Worte dem Diener gewinkt, ihm seinen Mantel
wiederzuholen und ging jetzt, ohne eine fernere Entgegnung abzuwarten, davon.
Der Oberst sah ihm'mit einigen leise gemurmelten Flüchen nach, er aber stieg vor
dem Portal in den Wagen, der beide Herren hergeführt hatte, und fuhr, das
Gesicht in nachdenkliche Falten gelegt, nach Holzfurt zurück.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Zur deutschen Konjugation.

Bekanntlich gehört es zu den Haupt¬
grundsätzen der neuhochdeutschen Konjugation, daß der Uhland des Präteritums
im Singular und Plural übereinstimmt. Was in den mittelhochdeutschen rein
ablautenden Konjugationen, mit Ausnahme derjenigen, welche im Präteritum
no zeigt (tiaZe, truoc,, timoZvn, gstraAsn), durchgehende Regel ist, Verschiedenheit
des Lautes für Singular und Plural, fällt im neuhochdeutschen weg. Nur ein
einzigesmal wird die ältere Weise beibehalten, in ward, wurden (analog wäre
"worden"; vergl. starb, starben, mittels. ses-rb, swidM); diese Ausnahme verliert
jedoch an Bedeutung durch den Eindrang der unorganischen, mit falschem e ver¬
sehenen Singularform wurde (für "würd," nach Analogie von "sunt, suis, sturb,
sung" des ältern neuhochdeutschen und "dung, Schund" des heutigen Gebrauchs oder
Mißbrauchs).


Notizen.

Es war Herr Eschenburg, ein Maler, zu Befehl.
Wohnt er im Schlosse? fragte der Herr.

Zu Befehl, nein. Er wohnt in Scholldorf, eine Stunde von hier.

Mein lieber Dürrfeld, sagte der Herr, indem er sich zu dem Husarenobersten
wandte, der sich damit abquälte, ein Paar enge Glnceehandschuhe über seine
breiten Hände zu ziehen, ich habe dir nun den Gefallen gethan, dich hierher zu
begleiten, weil ich dir den Spaß nicht verderben wollte. Aber du siehst wohl
selbst ein, daß es völlig unpassend wäre, wenn ich mich als Fremder, ungeladen
und noch dazu verspätet, hier eindrängen wollte. Ich werde deinen Wagen jetzt
zur Rückfahrt benutzen und ihn von Hvlzfurt wieder schicken.

Geh zum Henker! antwortete der Oberst mit ärgerlichem Tone. Hier auf
dem Lande bei stundenlanger Entfernung kann von Verspätungen garnicht die
Rede sein, und wenn ich dich mitbringe, bist du geladen. Es ist ja gerade für
mich die beste Entschuldigung, wenn ich dich mitbringe. Du hast mich über¬
raschend besucht, und deshalb kommen wir beide so spät.

Nein, mein alter Junge, sagte der andre. Ich weiß, ihr habt hier die
schöne Gewohnheit der Gastlichkeit g, t-out, sxrsuvs beibehalten, aber ich habe
mir abgewöhnt, sie auszunutzen. Auch ist mein Magen von deinem Burgunder
so aufgewärmt, daß ich den Hitzegrad nicht noch mit Verlobungssekt und der¬
gleichen steigern möchte. Meine Nerven sind in dieser Hinsicht nicht stärker als
die einer Konfirmandin. Also, amüsire dich gut. Auf Wiedersehen!

Er hatte während dieser Worte dem Diener gewinkt, ihm seinen Mantel
wiederzuholen und ging jetzt, ohne eine fernere Entgegnung abzuwarten, davon.
Der Oberst sah ihm'mit einigen leise gemurmelten Flüchen nach, er aber stieg vor
dem Portal in den Wagen, der beide Herren hergeführt hatte, und fuhr, das
Gesicht in nachdenkliche Falten gelegt, nach Holzfurt zurück.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Zur deutschen Konjugation.

Bekanntlich gehört es zu den Haupt¬
grundsätzen der neuhochdeutschen Konjugation, daß der Uhland des Präteritums
im Singular und Plural übereinstimmt. Was in den mittelhochdeutschen rein
ablautenden Konjugationen, mit Ausnahme derjenigen, welche im Präteritum
no zeigt (tiaZe, truoc,, timoZvn, gstraAsn), durchgehende Regel ist, Verschiedenheit
des Lautes für Singular und Plural, fällt im neuhochdeutschen weg. Nur ein
einzigesmal wird die ältere Weise beibehalten, in ward, wurden (analog wäre
„worden"; vergl. starb, starben, mittels. ses-rb, swidM); diese Ausnahme verliert
jedoch an Bedeutung durch den Eindrang der unorganischen, mit falschem e ver¬
sehenen Singularform wurde (für „würd," nach Analogie von „sunt, suis, sturb,
sung" des ältern neuhochdeutschen und „dung, Schund" des heutigen Gebrauchs oder
Mißbrauchs).


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[0173] Notizen. Es war Herr Eschenburg, ein Maler, zu Befehl. Wohnt er im Schlosse? fragte der Herr. Zu Befehl, nein. Er wohnt in Scholldorf, eine Stunde von hier. Mein lieber Dürrfeld, sagte der Herr, indem er sich zu dem Husarenobersten wandte, der sich damit abquälte, ein Paar enge Glnceehandschuhe über seine breiten Hände zu ziehen, ich habe dir nun den Gefallen gethan, dich hierher zu begleiten, weil ich dir den Spaß nicht verderben wollte. Aber du siehst wohl selbst ein, daß es völlig unpassend wäre, wenn ich mich als Fremder, ungeladen und noch dazu verspätet, hier eindrängen wollte. Ich werde deinen Wagen jetzt zur Rückfahrt benutzen und ihn von Hvlzfurt wieder schicken. Geh zum Henker! antwortete der Oberst mit ärgerlichem Tone. Hier auf dem Lande bei stundenlanger Entfernung kann von Verspätungen garnicht die Rede sein, und wenn ich dich mitbringe, bist du geladen. Es ist ja gerade für mich die beste Entschuldigung, wenn ich dich mitbringe. Du hast mich über¬ raschend besucht, und deshalb kommen wir beide so spät. Nein, mein alter Junge, sagte der andre. Ich weiß, ihr habt hier die schöne Gewohnheit der Gastlichkeit g, t-out, sxrsuvs beibehalten, aber ich habe mir abgewöhnt, sie auszunutzen. Auch ist mein Magen von deinem Burgunder so aufgewärmt, daß ich den Hitzegrad nicht noch mit Verlobungssekt und der¬ gleichen steigern möchte. Meine Nerven sind in dieser Hinsicht nicht stärker als die einer Konfirmandin. Also, amüsire dich gut. Auf Wiedersehen! Er hatte während dieser Worte dem Diener gewinkt, ihm seinen Mantel wiederzuholen und ging jetzt, ohne eine fernere Entgegnung abzuwarten, davon. Der Oberst sah ihm'mit einigen leise gemurmelten Flüchen nach, er aber stieg vor dem Portal in den Wagen, der beide Herren hergeführt hatte, und fuhr, das Gesicht in nachdenkliche Falten gelegt, nach Holzfurt zurück. (Fortsetzung folgt.) Notizen. Zur deutschen Konjugation. Bekanntlich gehört es zu den Haupt¬ grundsätzen der neuhochdeutschen Konjugation, daß der Uhland des Präteritums im Singular und Plural übereinstimmt. Was in den mittelhochdeutschen rein ablautenden Konjugationen, mit Ausnahme derjenigen, welche im Präteritum no zeigt (tiaZe, truoc,, timoZvn, gstraAsn), durchgehende Regel ist, Verschiedenheit des Lautes für Singular und Plural, fällt im neuhochdeutschen weg. Nur ein einzigesmal wird die ältere Weise beibehalten, in ward, wurden (analog wäre „worden"; vergl. starb, starben, mittels. ses-rb, swidM); diese Ausnahme verliert jedoch an Bedeutung durch den Eindrang der unorganischen, mit falschem e ver¬ sehenen Singularform wurde (für „würd," nach Analogie von „sunt, suis, sturb, sung" des ältern neuhochdeutschen und „dung, Schund" des heutigen Gebrauchs oder Mißbrauchs).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/173>, abgerufen am 08.09.2024.