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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Jllustrirte Prachtwerke des und 1^6. Jahrhunderts.

daß er in epochemachenden Prachtpublikationen das geeignetste Mittel zur Er¬
reichung dieses Zweckes gefunden zu haben glaubte. Die drei illustrirten Bücher,
welche der Kaiser vorbereitete, waren der "Theuerdank," der "Weißkunig" und
der "Freydal." Augsburg war seine Lieblingsstadt; hier wirkte sein kunstsinniger
Freund Dr, Konrad Peutinger, der den ganzen praktischen Teil der Unternehmung
mit Verständnis leiten konnte; hier lebte sein Bankier Hans Baumgartner, der
immer zu helfen bereit war, wenn sein kaiserlicher Herr die ihm zu Gebote
stehenden Geldmittel überschätzt hatte. Augsburg kam also als Druckort für
die vorbereiteten Prachtwerke zuerst in Frage. Der Drucker, welchen der Kaiser
ausersehen hatte, war Hans Schönsperger, der bereits im Jahre 1508 zum
Hofbuchdrucker bestellt war. Als Illustrator wurde neben Augsburgs größtem
Künstler, Hans Burgkmair, der junge, in Dürers Werkstatt gebildete Hans
Schäufelein gewählt. Um die Zeichnungen dieser beiden Meister in Holz zu
übertragen, gründete man eine eigne Formschneiderschule, die unter der Leitung
des tüchtigen, eigens zu diesem Zwecke aus Antwerpen herbeigerufenen Jost
Dienecker stand. Leider wurde von den drei großen Prachtwerken zu Lebzeiten
des Kaisers nur der "Theuerdank" vollendet, worin in allegorischer Form die
Abenteuer vorgeführt wurden, die Max zu bestehen hatte, ehe er in den Besitz
seiner Gemahlin, der schönen und reichen Maria von Burgund, gelangte. Jedes
der 118 Kapitel des Buches ist mit großen Holzschnitten illustrirt, die dar¬
stellen, wie Max nach Burgund aufbricht, wie die drei Hauptleute Fürwittich,
Uufalo und Neidclhart sich gegen ihn verschwören und ihm auf der Jagd, im
Kriege und auf der See die größten Gefahren bereiten, bis sie schließlich ent¬
larvt und bestraft werden. Als der Verfertiger der Illustrationen des Buches
hat von Anfang an Hans Schäufelein gegolten. Leider ist der Stoff, den er
zu bearbeiten hatte, uns sehr fremd geworden. Gerade diejenigen Partien des
Gedichtes, welche die Zeitgenossen am meisten bewundert haben mögen: die Ge¬
fahren, die Theuerdank auf Anstiften Fürwittichs, Unfalos und Neidelharts zu
bestehen hat, lassen uns am meisten kalt. Die eintönigen allegorischen Figuren,
die auf jedem Holzschnitt unthätig und ohne wahre Beziehung zur Handlung
im Vordergründe stehen, ermüden. Gleich im Anfange werden wir es über¬
drüssig, den Theuerdank immer wieder arglos in die Falle des Gegners gehen
zu sehen, obwohl er dessen Tücke schon beim zweitenmale hätte durchschauen
können. Im übrigen führen Schäufeleins Illustrationen in das rastlose, ge¬
fahrvolle Leben und Treiben des Helden zu Wasser und Lande sehr lebendig
ein, sodaß mit Recht bei den Zeitgenossen das Buch die größte Bewunderung
fand und sehr viele Auflagen erlebte.

Neben diesen so glänzenden Schicksalen des "Theuerdank" erscheint der
"Weißkunig" fast wie ein durch feindliches Schicksal von Anbeginn her der
Vergessenheit verfallenes Werk. Und doch war er recht eigentlich ein Zwillings¬
bruder des "Theuerdank," denn der Kaiser hatte sich mit beiden Werken, die


Jllustrirte Prachtwerke des und 1^6. Jahrhunderts.

daß er in epochemachenden Prachtpublikationen das geeignetste Mittel zur Er¬
reichung dieses Zweckes gefunden zu haben glaubte. Die drei illustrirten Bücher,
welche der Kaiser vorbereitete, waren der „Theuerdank," der „Weißkunig" und
der „Freydal." Augsburg war seine Lieblingsstadt; hier wirkte sein kunstsinniger
Freund Dr, Konrad Peutinger, der den ganzen praktischen Teil der Unternehmung
mit Verständnis leiten konnte; hier lebte sein Bankier Hans Baumgartner, der
immer zu helfen bereit war, wenn sein kaiserlicher Herr die ihm zu Gebote
stehenden Geldmittel überschätzt hatte. Augsburg kam also als Druckort für
die vorbereiteten Prachtwerke zuerst in Frage. Der Drucker, welchen der Kaiser
ausersehen hatte, war Hans Schönsperger, der bereits im Jahre 1508 zum
Hofbuchdrucker bestellt war. Als Illustrator wurde neben Augsburgs größtem
Künstler, Hans Burgkmair, der junge, in Dürers Werkstatt gebildete Hans
Schäufelein gewählt. Um die Zeichnungen dieser beiden Meister in Holz zu
übertragen, gründete man eine eigne Formschneiderschule, die unter der Leitung
des tüchtigen, eigens zu diesem Zwecke aus Antwerpen herbeigerufenen Jost
Dienecker stand. Leider wurde von den drei großen Prachtwerken zu Lebzeiten
des Kaisers nur der „Theuerdank" vollendet, worin in allegorischer Form die
Abenteuer vorgeführt wurden, die Max zu bestehen hatte, ehe er in den Besitz
seiner Gemahlin, der schönen und reichen Maria von Burgund, gelangte. Jedes
der 118 Kapitel des Buches ist mit großen Holzschnitten illustrirt, die dar¬
stellen, wie Max nach Burgund aufbricht, wie die drei Hauptleute Fürwittich,
Uufalo und Neidclhart sich gegen ihn verschwören und ihm auf der Jagd, im
Kriege und auf der See die größten Gefahren bereiten, bis sie schließlich ent¬
larvt und bestraft werden. Als der Verfertiger der Illustrationen des Buches
hat von Anfang an Hans Schäufelein gegolten. Leider ist der Stoff, den er
zu bearbeiten hatte, uns sehr fremd geworden. Gerade diejenigen Partien des
Gedichtes, welche die Zeitgenossen am meisten bewundert haben mögen: die Ge¬
fahren, die Theuerdank auf Anstiften Fürwittichs, Unfalos und Neidelharts zu
bestehen hat, lassen uns am meisten kalt. Die eintönigen allegorischen Figuren,
die auf jedem Holzschnitt unthätig und ohne wahre Beziehung zur Handlung
im Vordergründe stehen, ermüden. Gleich im Anfange werden wir es über¬
drüssig, den Theuerdank immer wieder arglos in die Falle des Gegners gehen
zu sehen, obwohl er dessen Tücke schon beim zweitenmale hätte durchschauen
können. Im übrigen führen Schäufeleins Illustrationen in das rastlose, ge¬
fahrvolle Leben und Treiben des Helden zu Wasser und Lande sehr lebendig
ein, sodaß mit Recht bei den Zeitgenossen das Buch die größte Bewunderung
fand und sehr viele Auflagen erlebte.

Neben diesen so glänzenden Schicksalen des „Theuerdank" erscheint der
„Weißkunig" fast wie ein durch feindliches Schicksal von Anbeginn her der
Vergessenheit verfallenes Werk. Und doch war er recht eigentlich ein Zwillings¬
bruder des „Theuerdank," denn der Kaiser hatte sich mit beiden Werken, die


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[0148] Jllustrirte Prachtwerke des und 1^6. Jahrhunderts. daß er in epochemachenden Prachtpublikationen das geeignetste Mittel zur Er¬ reichung dieses Zweckes gefunden zu haben glaubte. Die drei illustrirten Bücher, welche der Kaiser vorbereitete, waren der „Theuerdank," der „Weißkunig" und der „Freydal." Augsburg war seine Lieblingsstadt; hier wirkte sein kunstsinniger Freund Dr, Konrad Peutinger, der den ganzen praktischen Teil der Unternehmung mit Verständnis leiten konnte; hier lebte sein Bankier Hans Baumgartner, der immer zu helfen bereit war, wenn sein kaiserlicher Herr die ihm zu Gebote stehenden Geldmittel überschätzt hatte. Augsburg kam also als Druckort für die vorbereiteten Prachtwerke zuerst in Frage. Der Drucker, welchen der Kaiser ausersehen hatte, war Hans Schönsperger, der bereits im Jahre 1508 zum Hofbuchdrucker bestellt war. Als Illustrator wurde neben Augsburgs größtem Künstler, Hans Burgkmair, der junge, in Dürers Werkstatt gebildete Hans Schäufelein gewählt. Um die Zeichnungen dieser beiden Meister in Holz zu übertragen, gründete man eine eigne Formschneiderschule, die unter der Leitung des tüchtigen, eigens zu diesem Zwecke aus Antwerpen herbeigerufenen Jost Dienecker stand. Leider wurde von den drei großen Prachtwerken zu Lebzeiten des Kaisers nur der „Theuerdank" vollendet, worin in allegorischer Form die Abenteuer vorgeführt wurden, die Max zu bestehen hatte, ehe er in den Besitz seiner Gemahlin, der schönen und reichen Maria von Burgund, gelangte. Jedes der 118 Kapitel des Buches ist mit großen Holzschnitten illustrirt, die dar¬ stellen, wie Max nach Burgund aufbricht, wie die drei Hauptleute Fürwittich, Uufalo und Neidclhart sich gegen ihn verschwören und ihm auf der Jagd, im Kriege und auf der See die größten Gefahren bereiten, bis sie schließlich ent¬ larvt und bestraft werden. Als der Verfertiger der Illustrationen des Buches hat von Anfang an Hans Schäufelein gegolten. Leider ist der Stoff, den er zu bearbeiten hatte, uns sehr fremd geworden. Gerade diejenigen Partien des Gedichtes, welche die Zeitgenossen am meisten bewundert haben mögen: die Ge¬ fahren, die Theuerdank auf Anstiften Fürwittichs, Unfalos und Neidelharts zu bestehen hat, lassen uns am meisten kalt. Die eintönigen allegorischen Figuren, die auf jedem Holzschnitt unthätig und ohne wahre Beziehung zur Handlung im Vordergründe stehen, ermüden. Gleich im Anfange werden wir es über¬ drüssig, den Theuerdank immer wieder arglos in die Falle des Gegners gehen zu sehen, obwohl er dessen Tücke schon beim zweitenmale hätte durchschauen können. Im übrigen führen Schäufeleins Illustrationen in das rastlose, ge¬ fahrvolle Leben und Treiben des Helden zu Wasser und Lande sehr lebendig ein, sodaß mit Recht bei den Zeitgenossen das Buch die größte Bewunderung fand und sehr viele Auflagen erlebte. Neben diesen so glänzenden Schicksalen des „Theuerdank" erscheint der „Weißkunig" fast wie ein durch feindliches Schicksal von Anbeginn her der Vergessenheit verfallenes Werk. Und doch war er recht eigentlich ein Zwillings¬ bruder des „Theuerdank," denn der Kaiser hatte sich mit beiden Werken, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/148>, abgerufen am 08.09.2024.