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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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einen so hervorragenden Anteil bei der Erziehung und religiöse" Heranbildung
und Unterweisung der Kinder hat. Die Mutter ist es, welche zumal den
Töchtern besonders nahe steht und auch auf ihre religiöse Stellung und Ge¬
sinnung ihren Einfluß äußert. Die Söhne lehnen sich ja zumeist, nicht immer,
besonders wenn sie mehr und mehr heranreifen und sich zu Amt und Beruf
vorbilden, an den Vater an; so soll denn auch die Konfession und Kirche des
Vaters die ihrige werden. Staat und Kirche gleicherweise müssen es erwarten,
daß die Väter ihren Einfluß auch auf die religiöse und kirchliche Haltung und
Richtung ihrer Söhne geltend machen.

Wird uns nun der Einwurf gemacht: Somit ist also die Einheit und
Eintracht der Ehen aufgehoben! so erwiedern wir: Bei Eingehung eines Ehe¬
bündnisses zwischen einem aufrichtigen Protestanten und einer getreuen Katho¬
likin fehlt es überhaupt an der innerlichsten und tiefsten Einheit der Ehe; diese
muß auch auf gleicher religiöser Grundlage beruhen. Die Einheit im Glanben
und der religiösen Richtung und Gesinnung der Herzen verbindet ohne Frage
und amalgamirt die Gemüter am meisten. Findet nun eine verschieden konfes¬
sionelle Kindererziehung statt, so kommt zum Ausdruck und offenbart sich auch bei
den Kindern, was bei Gründung und Eingehung der Ehe, wohl mehr latent und
unausgesprochen, aber doch vorhanden war. Will jemand mit dem Ehegenossen
ganz, auch im Heiligsten und Tiefsten, in Einheit der Gesinnung und des Glaubens
verbunden sein, so wähle er sich ein Ehegemahl seiner Konfession, nicht einer frem¬
den. Die evangelische Kirche wird, tolerant und rücksichtsvoll wie sie ist, keinen
Ehegatten zurückweisen, ihm keine Rechte vorenthalten, wenn er nur die Kinder
seines Geschlechts ihr zuführt. Daß auch diese, in der Regel so milde und
duldsame Kirche, gegen Väter ihres Bekenntnisses, wenn sie alle ihre Kinder der
römischen Kirche überlassen, sich schützt und Zuchtmaßregeln ergreift, dünkt uns
notwendig. Die römische Kirche wird einstweilen nur dann, wenn ihr alle
Kinder einer Ehe zufallen, möge dabei der Vater oder die Mutter protestantisch
sein, sich beruhigen; sie erweist sich besonders in der Frage der gemischten Ehen
meist sehr zäh, intolerant und unnachgiebig; sie hält es für ihr Recht, daß
alle Kinder ihr zu eigen gegeben werden. In der eklatantesten Weise gab sich
das neuerdings kund bei der Vermählung des Herzog Paul vou Mecklenburg-
Schwerin mit dessen katholischer Kousine, der Prinzessin Windischgrütz. Dr.
Gerlach erzählt auf Grund sicherer Quellen in seiner neuesten Kirchlichen Chronik
(1882, S. 103, Altona, Haendtle u. Lehmkuhl), die Braut sei erst dann zu
ihrem Gemahl gezogen und sei mit ihm in eheliche Lebensgemeinschaft einge¬
treten, als, vier Wochen nach der Trauung durch den lutherischen Hofprediger
zu Schwerin, das Paar auf einem Morgenspaziergange durch einen katholischen
Pastor gesegnet worden war. Die Ehe galt also offenbar nach der lutherischen
Trauung noch nicht als perfekt, und die katholischen Organe stellen es als ge¬
wiß dar, daß die katholische Erziehung sämtlicher Kinder versprochen worden


Gemischte Lhen.

einen so hervorragenden Anteil bei der Erziehung und religiöse» Heranbildung
und Unterweisung der Kinder hat. Die Mutter ist es, welche zumal den
Töchtern besonders nahe steht und auch auf ihre religiöse Stellung und Ge¬
sinnung ihren Einfluß äußert. Die Söhne lehnen sich ja zumeist, nicht immer,
besonders wenn sie mehr und mehr heranreifen und sich zu Amt und Beruf
vorbilden, an den Vater an; so soll denn auch die Konfession und Kirche des
Vaters die ihrige werden. Staat und Kirche gleicherweise müssen es erwarten,
daß die Väter ihren Einfluß auch auf die religiöse und kirchliche Haltung und
Richtung ihrer Söhne geltend machen.

Wird uns nun der Einwurf gemacht: Somit ist also die Einheit und
Eintracht der Ehen aufgehoben! so erwiedern wir: Bei Eingehung eines Ehe¬
bündnisses zwischen einem aufrichtigen Protestanten und einer getreuen Katho¬
likin fehlt es überhaupt an der innerlichsten und tiefsten Einheit der Ehe; diese
muß auch auf gleicher religiöser Grundlage beruhen. Die Einheit im Glanben
und der religiösen Richtung und Gesinnung der Herzen verbindet ohne Frage
und amalgamirt die Gemüter am meisten. Findet nun eine verschieden konfes¬
sionelle Kindererziehung statt, so kommt zum Ausdruck und offenbart sich auch bei
den Kindern, was bei Gründung und Eingehung der Ehe, wohl mehr latent und
unausgesprochen, aber doch vorhanden war. Will jemand mit dem Ehegenossen
ganz, auch im Heiligsten und Tiefsten, in Einheit der Gesinnung und des Glaubens
verbunden sein, so wähle er sich ein Ehegemahl seiner Konfession, nicht einer frem¬
den. Die evangelische Kirche wird, tolerant und rücksichtsvoll wie sie ist, keinen
Ehegatten zurückweisen, ihm keine Rechte vorenthalten, wenn er nur die Kinder
seines Geschlechts ihr zuführt. Daß auch diese, in der Regel so milde und
duldsame Kirche, gegen Väter ihres Bekenntnisses, wenn sie alle ihre Kinder der
römischen Kirche überlassen, sich schützt und Zuchtmaßregeln ergreift, dünkt uns
notwendig. Die römische Kirche wird einstweilen nur dann, wenn ihr alle
Kinder einer Ehe zufallen, möge dabei der Vater oder die Mutter protestantisch
sein, sich beruhigen; sie erweist sich besonders in der Frage der gemischten Ehen
meist sehr zäh, intolerant und unnachgiebig; sie hält es für ihr Recht, daß
alle Kinder ihr zu eigen gegeben werden. In der eklatantesten Weise gab sich
das neuerdings kund bei der Vermählung des Herzog Paul vou Mecklenburg-
Schwerin mit dessen katholischer Kousine, der Prinzessin Windischgrütz. Dr.
Gerlach erzählt auf Grund sicherer Quellen in seiner neuesten Kirchlichen Chronik
(1882, S. 103, Altona, Haendtle u. Lehmkuhl), die Braut sei erst dann zu
ihrem Gemahl gezogen und sei mit ihm in eheliche Lebensgemeinschaft einge¬
treten, als, vier Wochen nach der Trauung durch den lutherischen Hofprediger
zu Schwerin, das Paar auf einem Morgenspaziergange durch einen katholischen
Pastor gesegnet worden war. Die Ehe galt also offenbar nach der lutherischen
Trauung noch nicht als perfekt, und die katholischen Organe stellen es als ge¬
wiß dar, daß die katholische Erziehung sämtlicher Kinder versprochen worden


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[0135] Gemischte Lhen. einen so hervorragenden Anteil bei der Erziehung und religiöse» Heranbildung und Unterweisung der Kinder hat. Die Mutter ist es, welche zumal den Töchtern besonders nahe steht und auch auf ihre religiöse Stellung und Ge¬ sinnung ihren Einfluß äußert. Die Söhne lehnen sich ja zumeist, nicht immer, besonders wenn sie mehr und mehr heranreifen und sich zu Amt und Beruf vorbilden, an den Vater an; so soll denn auch die Konfession und Kirche des Vaters die ihrige werden. Staat und Kirche gleicherweise müssen es erwarten, daß die Väter ihren Einfluß auch auf die religiöse und kirchliche Haltung und Richtung ihrer Söhne geltend machen. Wird uns nun der Einwurf gemacht: Somit ist also die Einheit und Eintracht der Ehen aufgehoben! so erwiedern wir: Bei Eingehung eines Ehe¬ bündnisses zwischen einem aufrichtigen Protestanten und einer getreuen Katho¬ likin fehlt es überhaupt an der innerlichsten und tiefsten Einheit der Ehe; diese muß auch auf gleicher religiöser Grundlage beruhen. Die Einheit im Glanben und der religiösen Richtung und Gesinnung der Herzen verbindet ohne Frage und amalgamirt die Gemüter am meisten. Findet nun eine verschieden konfes¬ sionelle Kindererziehung statt, so kommt zum Ausdruck und offenbart sich auch bei den Kindern, was bei Gründung und Eingehung der Ehe, wohl mehr latent und unausgesprochen, aber doch vorhanden war. Will jemand mit dem Ehegenossen ganz, auch im Heiligsten und Tiefsten, in Einheit der Gesinnung und des Glaubens verbunden sein, so wähle er sich ein Ehegemahl seiner Konfession, nicht einer frem¬ den. Die evangelische Kirche wird, tolerant und rücksichtsvoll wie sie ist, keinen Ehegatten zurückweisen, ihm keine Rechte vorenthalten, wenn er nur die Kinder seines Geschlechts ihr zuführt. Daß auch diese, in der Regel so milde und duldsame Kirche, gegen Väter ihres Bekenntnisses, wenn sie alle ihre Kinder der römischen Kirche überlassen, sich schützt und Zuchtmaßregeln ergreift, dünkt uns notwendig. Die römische Kirche wird einstweilen nur dann, wenn ihr alle Kinder einer Ehe zufallen, möge dabei der Vater oder die Mutter protestantisch sein, sich beruhigen; sie erweist sich besonders in der Frage der gemischten Ehen meist sehr zäh, intolerant und unnachgiebig; sie hält es für ihr Recht, daß alle Kinder ihr zu eigen gegeben werden. In der eklatantesten Weise gab sich das neuerdings kund bei der Vermählung des Herzog Paul vou Mecklenburg- Schwerin mit dessen katholischer Kousine, der Prinzessin Windischgrütz. Dr. Gerlach erzählt auf Grund sicherer Quellen in seiner neuesten Kirchlichen Chronik (1882, S. 103, Altona, Haendtle u. Lehmkuhl), die Braut sei erst dann zu ihrem Gemahl gezogen und sei mit ihm in eheliche Lebensgemeinschaft einge¬ treten, als, vier Wochen nach der Trauung durch den lutherischen Hofprediger zu Schwerin, das Paar auf einem Morgenspaziergange durch einen katholischen Pastor gesegnet worden war. Die Ehe galt also offenbar nach der lutherischen Trauung noch nicht als perfekt, und die katholischen Organe stellen es als ge¬ wiß dar, daß die katholische Erziehung sämtlicher Kinder versprochen worden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/135>, abgerufen am 08.09.2024.