Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dem Schuldbnche der Fortschrittspartei.

bis zum letzten Augenblicke gegen die Willkür, welche mit dem Schicksale Deutsch¬
lands ein unverantwortliches Spiel treibt. Treu seinem patriotischen Berufe
erhebt der Nationalvercin seine Stimme gegen einen Bruch des deutschen Land¬
friedens, dessen Schuld wie ein Fluch auf das Haupt seiner Urheber zurückfallen
wird, Noch ist indessen nicht jede Aussicht auf el" Einlenken der Kabinetspolitik
in die Bahnen des nationalen Rechtes und der nationalen Interessen sdie der
Nationalvercin selbstverständlich allein kannte und vertrat, wie ja schon sein
Name klärlich bewies^ abgeschnitten. Der erste in dieser Richtung zu machende
Schritt ist die endliche Lösung der Schleswig-holsteinischen Frage. Das wirt-
sanfte Mittel zum Zwecke wäre ohne Zweifel die unverweilte Einberufung des
deutschen Parlaments als obersten Schiedsrichters der streitigen politischen und
Rechtsansprüche. Der am 9. April bei dem Bundestage eingebrachte preußische
Antrag jedoch >er ging in seinem zweiten Teile auf Berufung eines durch direkte
Volkswahl nach allgemeinem Stimmrechte zu schaffenden Parlaments zur Mit¬
wirkung bei der Umgestaltung der Verfassung des deutschen Bundes j ist bei der
Unbestimmtheit seines Inhaltes und in Betracht des Systems der Regierung,
von welcher er ausgeht, nicht geeignet, das Vertrauen des deutschen Volkes und
die ganze warme Teilnahme desselben zu gewinnen, ohne welche die natürlichen
Schwierigkeiten der Aufgabe und insbesondre der unausbleibliche Widerstand
der mittelstaatlichcn Kabinette nimmermehr überwunden werdeu können. Soll
das deutsche Volk für Parlament und Bundesreform mit Ernst und Nachdruck
eintreten, so müssen ihm dieselben in der bestimmten Gestalt geboten werden,
welche ihnen die Geschichte der Jahre 1848 und 1849 ^mit ihrem höchst kläg¬
lichen Ausgangs gegeben hat, so muß vor allen Dingen die Regierung, welche
die Gesamtverfassung der Nation umgestalten will, ganz andre Beweise von
konstitutioneller Gesinnung jseU. Unterwürfigkeit unter herrschsüchtige Demokraten!
und Verfassungstreue gegeben haben, als es von seiten der preußischen Re¬
gierung bisher geschehen ist. So lange die preußische Verfassung ein toter
Buchstabe ist, wird unsre Nation niemals an eine Verfassung glauben, welche
ihr von Preußen in Aussicht gestellt wird, geschweige denn sich durch eine
solche Aussicht in tiefgehende Bewegung setzen lassen. Ju Übereinstimmung
mit sich selbst und seiner Vergangenheit hält der Nationalverein in der deutschen
Verfafsungssache fest an seinem Programm und an seinen Beschlüssen. Er ver¬
langt nach wie vor die Berufung einer nach den Grundsätzen des Neichswahl-
gesetzes gewählten Nationalversammlung, in welcher allein Deutschland jnach
Analogie der Jahre 1848 und 1849 ?j die sichere Gewähr finden wird gegen
Bürgerkrieg und Landesverrat, die feste Bürgschaft für die nationale Freiheit,
Einheit und Macht." Und so weiter. Wir verschonen die Leser mit der
Fortsetzung dieses Bombardements, dessen Geschütze nur mit Selbstüberhebung
und leeren Phrasen geladen waren und so nur nutzlosen Spektakel leisten
konnten.


Aus dem Schuldbnche der Fortschrittspartei.

bis zum letzten Augenblicke gegen die Willkür, welche mit dem Schicksale Deutsch¬
lands ein unverantwortliches Spiel treibt. Treu seinem patriotischen Berufe
erhebt der Nationalvercin seine Stimme gegen einen Bruch des deutschen Land¬
friedens, dessen Schuld wie ein Fluch auf das Haupt seiner Urheber zurückfallen
wird, Noch ist indessen nicht jede Aussicht auf el» Einlenken der Kabinetspolitik
in die Bahnen des nationalen Rechtes und der nationalen Interessen sdie der
Nationalvercin selbstverständlich allein kannte und vertrat, wie ja schon sein
Name klärlich bewies^ abgeschnitten. Der erste in dieser Richtung zu machende
Schritt ist die endliche Lösung der Schleswig-holsteinischen Frage. Das wirt-
sanfte Mittel zum Zwecke wäre ohne Zweifel die unverweilte Einberufung des
deutschen Parlaments als obersten Schiedsrichters der streitigen politischen und
Rechtsansprüche. Der am 9. April bei dem Bundestage eingebrachte preußische
Antrag jedoch >er ging in seinem zweiten Teile auf Berufung eines durch direkte
Volkswahl nach allgemeinem Stimmrechte zu schaffenden Parlaments zur Mit¬
wirkung bei der Umgestaltung der Verfassung des deutschen Bundes j ist bei der
Unbestimmtheit seines Inhaltes und in Betracht des Systems der Regierung,
von welcher er ausgeht, nicht geeignet, das Vertrauen des deutschen Volkes und
die ganze warme Teilnahme desselben zu gewinnen, ohne welche die natürlichen
Schwierigkeiten der Aufgabe und insbesondre der unausbleibliche Widerstand
der mittelstaatlichcn Kabinette nimmermehr überwunden werdeu können. Soll
das deutsche Volk für Parlament und Bundesreform mit Ernst und Nachdruck
eintreten, so müssen ihm dieselben in der bestimmten Gestalt geboten werden,
welche ihnen die Geschichte der Jahre 1848 und 1849 ^mit ihrem höchst kläg¬
lichen Ausgangs gegeben hat, so muß vor allen Dingen die Regierung, welche
die Gesamtverfassung der Nation umgestalten will, ganz andre Beweise von
konstitutioneller Gesinnung jseU. Unterwürfigkeit unter herrschsüchtige Demokraten!
und Verfassungstreue gegeben haben, als es von seiten der preußischen Re¬
gierung bisher geschehen ist. So lange die preußische Verfassung ein toter
Buchstabe ist, wird unsre Nation niemals an eine Verfassung glauben, welche
ihr von Preußen in Aussicht gestellt wird, geschweige denn sich durch eine
solche Aussicht in tiefgehende Bewegung setzen lassen. Ju Übereinstimmung
mit sich selbst und seiner Vergangenheit hält der Nationalverein in der deutschen
Verfafsungssache fest an seinem Programm und an seinen Beschlüssen. Er ver¬
langt nach wie vor die Berufung einer nach den Grundsätzen des Neichswahl-
gesetzes gewählten Nationalversammlung, in welcher allein Deutschland jnach
Analogie der Jahre 1848 und 1849 ?j die sichere Gewähr finden wird gegen
Bürgerkrieg und Landesverrat, die feste Bürgschaft für die nationale Freiheit,
Einheit und Macht." Und so weiter. Wir verschonen die Leser mit der
Fortsetzung dieses Bombardements, dessen Geschütze nur mit Selbstüberhebung
und leeren Phrasen geladen waren und so nur nutzlosen Spektakel leisten
konnten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153576"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dem Schuldbnche der Fortschrittspartei.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_531" prev="#ID_530"> bis zum letzten Augenblicke gegen die Willkür, welche mit dem Schicksale Deutsch¬<lb/>
lands ein unverantwortliches Spiel treibt. Treu seinem patriotischen Berufe<lb/>
erhebt der Nationalvercin seine Stimme gegen einen Bruch des deutschen Land¬<lb/>
friedens, dessen Schuld wie ein Fluch auf das Haupt seiner Urheber zurückfallen<lb/>
wird, Noch ist indessen nicht jede Aussicht auf el» Einlenken der Kabinetspolitik<lb/>
in die Bahnen des nationalen Rechtes und der nationalen Interessen sdie der<lb/>
Nationalvercin selbstverständlich allein kannte und vertrat, wie ja schon sein<lb/>
Name klärlich bewies^ abgeschnitten. Der erste in dieser Richtung zu machende<lb/>
Schritt ist die endliche Lösung der Schleswig-holsteinischen Frage. Das wirt-<lb/>
sanfte Mittel zum Zwecke wäre ohne Zweifel die unverweilte Einberufung des<lb/>
deutschen Parlaments als obersten Schiedsrichters der streitigen politischen und<lb/>
Rechtsansprüche. Der am 9. April bei dem Bundestage eingebrachte preußische<lb/>
Antrag jedoch &gt;er ging in seinem zweiten Teile auf Berufung eines durch direkte<lb/>
Volkswahl nach allgemeinem Stimmrechte zu schaffenden Parlaments zur Mit¬<lb/>
wirkung bei der Umgestaltung der Verfassung des deutschen Bundes j ist bei der<lb/>
Unbestimmtheit seines Inhaltes und in Betracht des Systems der Regierung,<lb/>
von welcher er ausgeht, nicht geeignet, das Vertrauen des deutschen Volkes und<lb/>
die ganze warme Teilnahme desselben zu gewinnen, ohne welche die natürlichen<lb/>
Schwierigkeiten der Aufgabe und insbesondre der unausbleibliche Widerstand<lb/>
der mittelstaatlichcn Kabinette nimmermehr überwunden werdeu können. Soll<lb/>
das deutsche Volk für Parlament und Bundesreform mit Ernst und Nachdruck<lb/>
eintreten, so müssen ihm dieselben in der bestimmten Gestalt geboten werden,<lb/>
welche ihnen die Geschichte der Jahre 1848 und 1849 ^mit ihrem höchst kläg¬<lb/>
lichen Ausgangs gegeben hat, so muß vor allen Dingen die Regierung, welche<lb/>
die Gesamtverfassung der Nation umgestalten will, ganz andre Beweise von<lb/>
konstitutioneller Gesinnung jseU. Unterwürfigkeit unter herrschsüchtige Demokraten!<lb/>
und Verfassungstreue gegeben haben, als es von seiten der preußischen Re¬<lb/>
gierung bisher geschehen ist. So lange die preußische Verfassung ein toter<lb/>
Buchstabe ist, wird unsre Nation niemals an eine Verfassung glauben, welche<lb/>
ihr von Preußen in Aussicht gestellt wird, geschweige denn sich durch eine<lb/>
solche Aussicht in tiefgehende Bewegung setzen lassen. Ju Übereinstimmung<lb/>
mit sich selbst und seiner Vergangenheit hält der Nationalverein in der deutschen<lb/>
Verfafsungssache fest an seinem Programm und an seinen Beschlüssen. Er ver¬<lb/>
langt nach wie vor die Berufung einer nach den Grundsätzen des Neichswahl-<lb/>
gesetzes gewählten Nationalversammlung, in welcher allein Deutschland jnach<lb/>
Analogie der Jahre 1848 und 1849 ?j die sichere Gewähr finden wird gegen<lb/>
Bürgerkrieg und Landesverrat, die feste Bürgschaft für die nationale Freiheit,<lb/>
Einheit und Macht." Und so weiter. Wir verschonen die Leser mit der<lb/>
Fortsetzung dieses Bombardements, dessen Geschütze nur mit Selbstüberhebung<lb/>
und leeren Phrasen geladen waren und so nur nutzlosen Spektakel leisten<lb/>
konnten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0127] Aus dem Schuldbnche der Fortschrittspartei. bis zum letzten Augenblicke gegen die Willkür, welche mit dem Schicksale Deutsch¬ lands ein unverantwortliches Spiel treibt. Treu seinem patriotischen Berufe erhebt der Nationalvercin seine Stimme gegen einen Bruch des deutschen Land¬ friedens, dessen Schuld wie ein Fluch auf das Haupt seiner Urheber zurückfallen wird, Noch ist indessen nicht jede Aussicht auf el» Einlenken der Kabinetspolitik in die Bahnen des nationalen Rechtes und der nationalen Interessen sdie der Nationalvercin selbstverständlich allein kannte und vertrat, wie ja schon sein Name klärlich bewies^ abgeschnitten. Der erste in dieser Richtung zu machende Schritt ist die endliche Lösung der Schleswig-holsteinischen Frage. Das wirt- sanfte Mittel zum Zwecke wäre ohne Zweifel die unverweilte Einberufung des deutschen Parlaments als obersten Schiedsrichters der streitigen politischen und Rechtsansprüche. Der am 9. April bei dem Bundestage eingebrachte preußische Antrag jedoch >er ging in seinem zweiten Teile auf Berufung eines durch direkte Volkswahl nach allgemeinem Stimmrechte zu schaffenden Parlaments zur Mit¬ wirkung bei der Umgestaltung der Verfassung des deutschen Bundes j ist bei der Unbestimmtheit seines Inhaltes und in Betracht des Systems der Regierung, von welcher er ausgeht, nicht geeignet, das Vertrauen des deutschen Volkes und die ganze warme Teilnahme desselben zu gewinnen, ohne welche die natürlichen Schwierigkeiten der Aufgabe und insbesondre der unausbleibliche Widerstand der mittelstaatlichcn Kabinette nimmermehr überwunden werdeu können. Soll das deutsche Volk für Parlament und Bundesreform mit Ernst und Nachdruck eintreten, so müssen ihm dieselben in der bestimmten Gestalt geboten werden, welche ihnen die Geschichte der Jahre 1848 und 1849 ^mit ihrem höchst kläg¬ lichen Ausgangs gegeben hat, so muß vor allen Dingen die Regierung, welche die Gesamtverfassung der Nation umgestalten will, ganz andre Beweise von konstitutioneller Gesinnung jseU. Unterwürfigkeit unter herrschsüchtige Demokraten! und Verfassungstreue gegeben haben, als es von seiten der preußischen Re¬ gierung bisher geschehen ist. So lange die preußische Verfassung ein toter Buchstabe ist, wird unsre Nation niemals an eine Verfassung glauben, welche ihr von Preußen in Aussicht gestellt wird, geschweige denn sich durch eine solche Aussicht in tiefgehende Bewegung setzen lassen. Ju Übereinstimmung mit sich selbst und seiner Vergangenheit hält der Nationalverein in der deutschen Verfafsungssache fest an seinem Programm und an seinen Beschlüssen. Er ver¬ langt nach wie vor die Berufung einer nach den Grundsätzen des Neichswahl- gesetzes gewählten Nationalversammlung, in welcher allein Deutschland jnach Analogie der Jahre 1848 und 1849 ?j die sichere Gewähr finden wird gegen Bürgerkrieg und Landesverrat, die feste Bürgschaft für die nationale Freiheit, Einheit und Macht." Und so weiter. Wir verschonen die Leser mit der Fortsetzung dieses Bombardements, dessen Geschütze nur mit Selbstüberhebung und leeren Phrasen geladen waren und so nur nutzlosen Spektakel leisten konnten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/127
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/127>, abgerufen am 08.09.2024.