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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Äußersten.

t?^^. ' ^ Mcum in einen" von den Ländern, welche sich gegenwärtig bemühen,
den englischen Parlamentarismus in seinen Formen so treu als
möglich z" kopiren, die bisherige Opposition an das Ruder ge¬
langt, so machen deren Häupter gewöhnlich allerlei überraschende
Entdeckungen, Sie haben in der Regel den eigentlichen Staats¬
geschäften bis dahin ferngestanden und sich ein Bild derselben nach der Lektüre
und von ihrem Parteistandpunkte aus konstruirt. Alles, was ihnen nicht gefiel,
mußte ihnen als Ergebnis von Fehlern erscheinen, die leicht zu vermeiden ge¬
wesen wären, hätten nicht Mangel an Einsicht oder böser Wille entgegengestanden.
Wenn sie den Dingen nähertreten, so überzeugen sie sich, daß nicht alles so
schlecht eingerichtet ist, wie sie sich vorgestellt hatten, manches sogar der Natur
der Dinge nach garnicht anders sein kann, andres besser gemacht worden sein
würde, wenn sich nur hätten die Mittel finden lassen, um den Widerstand von
Verhältnissen, Interessen, Personen zu überwinden. Und es ist merkwürdig!
Sobald man selbst auf dem Kutschbocke sitzt und das Leitseil in die Hand be¬
kommt, sieht das Fahren garnicht mehr wie ein Kinderspiel aus, wofür man
es, am Wege stehend, gehalten hatte. Schon das Gefühl der Verantwortlich¬
keit macht vorsichtig. Darum läßt man zunächst den Wagen anders anstreichen,
versichert, daß in Zukunft ein lebhafteres Tempo eingehalten werden solle; doch
das eingefahrene Gespann abzuschaffen, die geebnete Straße zu verlassen, trägt
man Bedenken, welche mit jedem Tage wachsen.

Die guten Freunde sind anfangs über den neuen Anstrich und die schönen
Verheißungen ganz entzückt. Allein nach und nach wird ihnen klar, daß sich
etwas wesentliches kaum geändert habe. Ein Teil zeigt sich den Aufklärungen
der g.iM8 äsvsnus inimstrss zugänglich, ein andrer beruhigt sich damit, daß


Grenzboten II. 1883. 67


Die Äußersten.

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den englischen Parlamentarismus in seinen Formen so treu als
möglich z» kopiren, die bisherige Opposition an das Ruder ge¬
langt, so machen deren Häupter gewöhnlich allerlei überraschende
Entdeckungen, Sie haben in der Regel den eigentlichen Staats¬
geschäften bis dahin ferngestanden und sich ein Bild derselben nach der Lektüre
und von ihrem Parteistandpunkte aus konstruirt. Alles, was ihnen nicht gefiel,
mußte ihnen als Ergebnis von Fehlern erscheinen, die leicht zu vermeiden ge¬
wesen wären, hätten nicht Mangel an Einsicht oder böser Wille entgegengestanden.
Wenn sie den Dingen nähertreten, so überzeugen sie sich, daß nicht alles so
schlecht eingerichtet ist, wie sie sich vorgestellt hatten, manches sogar der Natur
der Dinge nach garnicht anders sein kann, andres besser gemacht worden sein
würde, wenn sich nur hätten die Mittel finden lassen, um den Widerstand von
Verhältnissen, Interessen, Personen zu überwinden. Und es ist merkwürdig!
Sobald man selbst auf dem Kutschbocke sitzt und das Leitseil in die Hand be¬
kommt, sieht das Fahren garnicht mehr wie ein Kinderspiel aus, wofür man
es, am Wege stehend, gehalten hatte. Schon das Gefühl der Verantwortlich¬
keit macht vorsichtig. Darum läßt man zunächst den Wagen anders anstreichen,
versichert, daß in Zukunft ein lebhafteres Tempo eingehalten werden solle; doch
das eingefahrene Gespann abzuschaffen, die geebnete Straße zu verlassen, trägt
man Bedenken, welche mit jedem Tage wachsen.

Die guten Freunde sind anfangs über den neuen Anstrich und die schönen
Verheißungen ganz entzückt. Allein nach und nach wird ihnen klar, daß sich
etwas wesentliches kaum geändert habe. Ein Teil zeigt sich den Aufklärungen
der g.iM8 äsvsnus inimstrss zugänglich, ein andrer beruhigt sich damit, daß


Grenzboten II. 1883. 67
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[0537] [Abbildung] Die Äußersten. t?^^. ' ^ Mcum in einen« von den Ländern, welche sich gegenwärtig bemühen, den englischen Parlamentarismus in seinen Formen so treu als möglich z» kopiren, die bisherige Opposition an das Ruder ge¬ langt, so machen deren Häupter gewöhnlich allerlei überraschende Entdeckungen, Sie haben in der Regel den eigentlichen Staats¬ geschäften bis dahin ferngestanden und sich ein Bild derselben nach der Lektüre und von ihrem Parteistandpunkte aus konstruirt. Alles, was ihnen nicht gefiel, mußte ihnen als Ergebnis von Fehlern erscheinen, die leicht zu vermeiden ge¬ wesen wären, hätten nicht Mangel an Einsicht oder böser Wille entgegengestanden. Wenn sie den Dingen nähertreten, so überzeugen sie sich, daß nicht alles so schlecht eingerichtet ist, wie sie sich vorgestellt hatten, manches sogar der Natur der Dinge nach garnicht anders sein kann, andres besser gemacht worden sein würde, wenn sich nur hätten die Mittel finden lassen, um den Widerstand von Verhältnissen, Interessen, Personen zu überwinden. Und es ist merkwürdig! Sobald man selbst auf dem Kutschbocke sitzt und das Leitseil in die Hand be¬ kommt, sieht das Fahren garnicht mehr wie ein Kinderspiel aus, wofür man es, am Wege stehend, gehalten hatte. Schon das Gefühl der Verantwortlich¬ keit macht vorsichtig. Darum läßt man zunächst den Wagen anders anstreichen, versichert, daß in Zukunft ein lebhafteres Tempo eingehalten werden solle; doch das eingefahrene Gespann abzuschaffen, die geebnete Straße zu verlassen, trägt man Bedenken, welche mit jedem Tage wachsen. Die guten Freunde sind anfangs über den neuen Anstrich und die schönen Verheißungen ganz entzückt. Allein nach und nach wird ihnen klar, daß sich etwas wesentliches kaum geändert habe. Ein Teil zeigt sich den Aufklärungen der g.iM8 äsvsnus inimstrss zugänglich, ein andrer beruhigt sich damit, daß Grenzboten II. 1883. 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/537>, abgerufen am 24.08.2024.