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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Zimmer des Schlosses im obern Stock, auf demselben Korridor, welcher auch
zu Dorotheens Zimmer führte. Diese Gemächer waren, obwohl Baron Sextus
ein so einsames Leben führte und seit lauger Zeit keinen Besuch bei sich beherbergt
hatte, doch in modernem Geschmack und sehr elegant möblirt. Der Salon, in
welchen Herr Schmidt geführt wurde, hatte eine rote Sammcttapete und vergoldete
Möbel mit geschweiften Lehnen und Beinen und einem Überzug von rotem
Seidendamast. Gräfin Sibylle empfing den Bankdirektor in Erinnerung der
tausend Thaler, die sie durch seinen Rat gewonnen hatte, sehr gnädig und war
bald mit ihm in eine Erörterung der Börsenverhältnisse vertieft. Er hatte seinen
Besuch damit erklärt, daß er geschäftliche Angelegenheiten in Eichhausen zu er¬
ledigen habe und dabei die Gelegenheit nicht habe versäumen wollen, ihr einige
für sie interessante Mitteilungen über das steigende Interesse für Industrie-
Papiere zu machen.

Mein Augenmerk ist darauf gerichtet, sagte Gräfin Sibhlle, möglichst hohe
Zinsen zu erhalten und auch am Kurse zu verdienen, ohne daß ich doch etwas
riskire.

Herr Schmidt lächelte. Im allgemeinen, sagte er, sind das Gesichtspunkte,
welche sich einander schroff gegenüberstehen. Hohe Zinsen und Sicherheit der
Anlage vertragen sich nicht mit einander. Es giebt jedoch Ausnahmen, wie
bei jeder Regel.

Damit fing er an, der Gräfin von seinen eignen Geschäften zu sprechen
und ihr in geschickter Weise den Gedanken nahezulegen, ihr Geld in diesen selbst
anzulegen.

Gräfin Sibylle verstand nicht alles, was er ihr auseinandersetzte, denn er
bemühte sich, möglichst viele kaufmännische Ausdrücke anzuwenden, doch gewann
sie den Eindruck, daß es Herrn Schmidt schmeichelhaft sei, mit ihr in Verbin¬
dung zu stehen. Sie hatte häufig schon die Erfahrung gemacht, daß Kaufleute
ihrem Titel zu Gefallen von der Strenge ihrer Geschäftspraxis nachließen. Sie
Pflegte ihre Seide, ihren Sammet und ihre Spitzen vorteilhafter einzukaufen
als bürgerliche Leute, wußte auch, daß sie ihre Rechnungen länger unbezahlt
lassen durfte als diese. Durch ihre Begier nach einem neuen guten Geschäft,
wie dem in Berliner Bauaktien, ließ sie sich zu dem Gedanken verleiten, Herr
Schmidt wolle ihren schönen Augen zu Liebe sie Geld verdienen lassen. Sie
Pflegte mit ihrem Kapital immerfort zu spekuliren, und jetzt war es ihr ein¬
leuchtend, als Herr Schmidt es ihr klar machte, daß eine Epoche hoher Blüte der
Industrie angebrochen sei, und daß es klug sei, die Gelegenheit zu benutzen, um
zu verhältnismäßig niedrigem Kurse Jndustriepapiere zu kaufen oder sich über¬
haupt an industriellen Unternehmungen zu beteiligen.

Trotzdem würde sie wohl kaum auf die Ideen des Herrn Schmidt ein¬
gegangen sein, wenn sie nicht von einer nervösen Unruhe erfüllt gewesen wäre,
welche sie verhinderte, kalter Überlegung zu folgen. Ihre Pläne in Schloß


Die Grafen von Altenschwerdt.

Zimmer des Schlosses im obern Stock, auf demselben Korridor, welcher auch
zu Dorotheens Zimmer führte. Diese Gemächer waren, obwohl Baron Sextus
ein so einsames Leben führte und seit lauger Zeit keinen Besuch bei sich beherbergt
hatte, doch in modernem Geschmack und sehr elegant möblirt. Der Salon, in
welchen Herr Schmidt geführt wurde, hatte eine rote Sammcttapete und vergoldete
Möbel mit geschweiften Lehnen und Beinen und einem Überzug von rotem
Seidendamast. Gräfin Sibylle empfing den Bankdirektor in Erinnerung der
tausend Thaler, die sie durch seinen Rat gewonnen hatte, sehr gnädig und war
bald mit ihm in eine Erörterung der Börsenverhältnisse vertieft. Er hatte seinen
Besuch damit erklärt, daß er geschäftliche Angelegenheiten in Eichhausen zu er¬
ledigen habe und dabei die Gelegenheit nicht habe versäumen wollen, ihr einige
für sie interessante Mitteilungen über das steigende Interesse für Industrie-
Papiere zu machen.

Mein Augenmerk ist darauf gerichtet, sagte Gräfin Sibhlle, möglichst hohe
Zinsen zu erhalten und auch am Kurse zu verdienen, ohne daß ich doch etwas
riskire.

Herr Schmidt lächelte. Im allgemeinen, sagte er, sind das Gesichtspunkte,
welche sich einander schroff gegenüberstehen. Hohe Zinsen und Sicherheit der
Anlage vertragen sich nicht mit einander. Es giebt jedoch Ausnahmen, wie
bei jeder Regel.

Damit fing er an, der Gräfin von seinen eignen Geschäften zu sprechen
und ihr in geschickter Weise den Gedanken nahezulegen, ihr Geld in diesen selbst
anzulegen.

Gräfin Sibylle verstand nicht alles, was er ihr auseinandersetzte, denn er
bemühte sich, möglichst viele kaufmännische Ausdrücke anzuwenden, doch gewann
sie den Eindruck, daß es Herrn Schmidt schmeichelhaft sei, mit ihr in Verbin¬
dung zu stehen. Sie hatte häufig schon die Erfahrung gemacht, daß Kaufleute
ihrem Titel zu Gefallen von der Strenge ihrer Geschäftspraxis nachließen. Sie
Pflegte ihre Seide, ihren Sammet und ihre Spitzen vorteilhafter einzukaufen
als bürgerliche Leute, wußte auch, daß sie ihre Rechnungen länger unbezahlt
lassen durfte als diese. Durch ihre Begier nach einem neuen guten Geschäft,
wie dem in Berliner Bauaktien, ließ sie sich zu dem Gedanken verleiten, Herr
Schmidt wolle ihren schönen Augen zu Liebe sie Geld verdienen lassen. Sie
Pflegte mit ihrem Kapital immerfort zu spekuliren, und jetzt war es ihr ein¬
leuchtend, als Herr Schmidt es ihr klar machte, daß eine Epoche hoher Blüte der
Industrie angebrochen sei, und daß es klug sei, die Gelegenheit zu benutzen, um
zu verhältnismäßig niedrigem Kurse Jndustriepapiere zu kaufen oder sich über¬
haupt an industriellen Unternehmungen zu beteiligen.

Trotzdem würde sie wohl kaum auf die Ideen des Herrn Schmidt ein¬
gegangen sein, wenn sie nicht von einer nervösen Unruhe erfüllt gewesen wäre,
welche sie verhinderte, kalter Überlegung zu folgen. Ihre Pläne in Schloß


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[0269] Die Grafen von Altenschwerdt. Zimmer des Schlosses im obern Stock, auf demselben Korridor, welcher auch zu Dorotheens Zimmer führte. Diese Gemächer waren, obwohl Baron Sextus ein so einsames Leben führte und seit lauger Zeit keinen Besuch bei sich beherbergt hatte, doch in modernem Geschmack und sehr elegant möblirt. Der Salon, in welchen Herr Schmidt geführt wurde, hatte eine rote Sammcttapete und vergoldete Möbel mit geschweiften Lehnen und Beinen und einem Überzug von rotem Seidendamast. Gräfin Sibylle empfing den Bankdirektor in Erinnerung der tausend Thaler, die sie durch seinen Rat gewonnen hatte, sehr gnädig und war bald mit ihm in eine Erörterung der Börsenverhältnisse vertieft. Er hatte seinen Besuch damit erklärt, daß er geschäftliche Angelegenheiten in Eichhausen zu er¬ ledigen habe und dabei die Gelegenheit nicht habe versäumen wollen, ihr einige für sie interessante Mitteilungen über das steigende Interesse für Industrie- Papiere zu machen. Mein Augenmerk ist darauf gerichtet, sagte Gräfin Sibhlle, möglichst hohe Zinsen zu erhalten und auch am Kurse zu verdienen, ohne daß ich doch etwas riskire. Herr Schmidt lächelte. Im allgemeinen, sagte er, sind das Gesichtspunkte, welche sich einander schroff gegenüberstehen. Hohe Zinsen und Sicherheit der Anlage vertragen sich nicht mit einander. Es giebt jedoch Ausnahmen, wie bei jeder Regel. Damit fing er an, der Gräfin von seinen eignen Geschäften zu sprechen und ihr in geschickter Weise den Gedanken nahezulegen, ihr Geld in diesen selbst anzulegen. Gräfin Sibylle verstand nicht alles, was er ihr auseinandersetzte, denn er bemühte sich, möglichst viele kaufmännische Ausdrücke anzuwenden, doch gewann sie den Eindruck, daß es Herrn Schmidt schmeichelhaft sei, mit ihr in Verbin¬ dung zu stehen. Sie hatte häufig schon die Erfahrung gemacht, daß Kaufleute ihrem Titel zu Gefallen von der Strenge ihrer Geschäftspraxis nachließen. Sie Pflegte ihre Seide, ihren Sammet und ihre Spitzen vorteilhafter einzukaufen als bürgerliche Leute, wußte auch, daß sie ihre Rechnungen länger unbezahlt lassen durfte als diese. Durch ihre Begier nach einem neuen guten Geschäft, wie dem in Berliner Bauaktien, ließ sie sich zu dem Gedanken verleiten, Herr Schmidt wolle ihren schönen Augen zu Liebe sie Geld verdienen lassen. Sie Pflegte mit ihrem Kapital immerfort zu spekuliren, und jetzt war es ihr ein¬ leuchtend, als Herr Schmidt es ihr klar machte, daß eine Epoche hoher Blüte der Industrie angebrochen sei, und daß es klug sei, die Gelegenheit zu benutzen, um zu verhältnismäßig niedrigem Kurse Jndustriepapiere zu kaufen oder sich über¬ haupt an industriellen Unternehmungen zu beteiligen. Trotzdem würde sie wohl kaum auf die Ideen des Herrn Schmidt ein¬ gegangen sein, wenn sie nicht von einer nervösen Unruhe erfüllt gewesen wäre, welche sie verhinderte, kalter Überlegung zu folgen. Ihre Pläne in Schloß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/269>, abgerufen am 25.08.2024.