Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Zur Aenntnis des gelehrten Handwerks. [Beginn Spaltensatz] Wen soll man nun mehr beklagen: den Verfasser, der sich nicht gescheut A. Classen. Zur Aenntnis des gelehrten Handwerks. [Beginn Spaltensatz] Wen soll man nun mehr beklagen: den Verfasser, der sich nicht gescheut A. Classen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152954"/> <fw type="header" place="top"> Zur Aenntnis des gelehrten Handwerks.</fw><lb/> <quote> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_821"> Der Wirrwarr wird aber noch größer,<lb/> sobald man bedenkt, daß nun auch das<lb/> Ohr einen Gehörraum, die beiden<lb/> Hände zwei Tasträume entwerfen, und<lb/> das arme Kind nun diese sieben Räume<lb/> durch Gewohnheit und Übung identisch<lb/> machen soll.</p> <p xml:id="ID_822"> Als ob die Natur uns aber geradezu<lb/> ärgern wollte, stehen alle Bilder der<lb/> Gegenstände in der Retina auf dem<lb/> Kopfe gezeichnet, und wir armen Men¬<lb/> schen müssen diese Bilder nun umdrehen,<lb/> um die Gegenstände richtig zu sehen.</p> <cb/> <p xml:id="ID_823"> Aber damit nicht genug. Wir<lb/> können die Dinge auch tasten. Wenn<lb/> nun die Dinge im Raume sind und<lb/> unsere Sinne die Vorstellung dieses<lb/> Raumes in uns erst erzeugen und in<lb/> uns hineinbringen, so müssen auch unsre<lb/> Tastorgane ihren besonderen Raum her¬<lb/> vorbringen. Es giebt also nicht bloß<lb/> zwei Schranne, sondern auch einen Tast¬<lb/> raum, und es müssen nun höchst feine<lb/> Theorieen erdacht werden, um es zu er¬<lb/> klären, daß diese drei Räume von uns<lb/> als ein und derselbe Raum angesehen<lb/> werden, und daß sich alle drei unter¬<lb/> einander und mit dem wirklichen Raume<lb/> draußen decken. Und dazu würde sogar<lb/> ein besondrer Gehörraum kommen.</p> <p xml:id="ID_824"> Da nun die Bilder auf der Netzhaut<lb/> alle verkehrt erscheinen, so hat man sich<lb/> auch noch den Kopf zerbrochen, woher es<lb/> kommt, daß man die Gegenstände<lb/> aufrecht sieht.</p> <cb type="end"/> </quote><lb/> <p xml:id="ID_825"> Wen soll man nun mehr beklagen: den Verfasser, der sich nicht gescheut<lb/> hat, dieses Plagiat zu begehen, die Preisrichter, welche sich um die Schrift<lb/> Albrecht Krauses nicht kümmerten, das Preisrichteramt annahmen und dem Ab¬<lb/> schreiber in ihrer Unkenntnis den Preis zuerkannten, oder den Petersburger<lb/> Kaufmann, welcher in seinem edeln Streben durch einen Preis die Wissenschaft<lb/> fördern wollte und nun erfahren muß, daß die von ihm erwählten Preisrichter<lb/> ihn an einen Plagiator gegeben haben?</p><lb/> <note type="byline"> A. Classen.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0205]
Zur Aenntnis des gelehrten Handwerks.
Der Wirrwarr wird aber noch größer,
sobald man bedenkt, daß nun auch das
Ohr einen Gehörraum, die beiden
Hände zwei Tasträume entwerfen, und
das arme Kind nun diese sieben Räume
durch Gewohnheit und Übung identisch
machen soll.
Als ob die Natur uns aber geradezu
ärgern wollte, stehen alle Bilder der
Gegenstände in der Retina auf dem
Kopfe gezeichnet, und wir armen Men¬
schen müssen diese Bilder nun umdrehen,
um die Gegenstände richtig zu sehen.
Aber damit nicht genug. Wir
können die Dinge auch tasten. Wenn
nun die Dinge im Raume sind und
unsere Sinne die Vorstellung dieses
Raumes in uns erst erzeugen und in
uns hineinbringen, so müssen auch unsre
Tastorgane ihren besonderen Raum her¬
vorbringen. Es giebt also nicht bloß
zwei Schranne, sondern auch einen Tast¬
raum, und es müssen nun höchst feine
Theorieen erdacht werden, um es zu er¬
klären, daß diese drei Räume von uns
als ein und derselbe Raum angesehen
werden, und daß sich alle drei unter¬
einander und mit dem wirklichen Raume
draußen decken. Und dazu würde sogar
ein besondrer Gehörraum kommen.
Da nun die Bilder auf der Netzhaut
alle verkehrt erscheinen, so hat man sich
auch noch den Kopf zerbrochen, woher es
kommt, daß man die Gegenstände
aufrecht sieht.
Wen soll man nun mehr beklagen: den Verfasser, der sich nicht gescheut
hat, dieses Plagiat zu begehen, die Preisrichter, welche sich um die Schrift
Albrecht Krauses nicht kümmerten, das Preisrichteramt annahmen und dem Ab¬
schreiber in ihrer Unkenntnis den Preis zuerkannten, oder den Petersburger
Kaufmann, welcher in seinem edeln Streben durch einen Preis die Wissenschaft
fördern wollte und nun erfahren muß, daß die von ihm erwählten Preisrichter
ihn an einen Plagiator gegeben haben?
A. Classen.
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