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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Pompejauische Spaziergänge.

interessante Malereien enthielt, in denen alle Verrichtungen dieses Gewerbes
sehr geschickt und lebendig dargestellt waren. Dieses letztere war damals von
großer Wichtigkeit. Alle römischen Burger, die sich selbst achteten, in der
Hauptstadt wie in den Provinzen, trugen die Toga: sie war das feine Kleid,
das offizielle und festliche Gewand; sie charakterisirte und unterschied von den
andern die Herren der Welt: KorriMos rsrum clourinos Fsutsmanö wKg,t"in.
Wen" indessen die majestätische Weite der Toga, ihr geschmackvoller Faltenwurf,
ihr strahlendes Weiß, besonders wenn dieses noch dnrch einen Purpursaum ge¬
hoben wurde, eines der schönsten Gewandstücke aus ihr machten, die überhaupt
jemals von Menschen getragen wurden, so hatte sie dafür den doppelten Nachteil,
daß sie unbequem war und leicht schmutzte. Sollte sie sauber sein und ihrem
Träger Ehre machen, so schickte man sie zum Walker. Dort warf mau sie zuerst
in Bottiche, die mit Wasser, Kreide und andern Ingredienzien gefüllt waren.
Dann wurde sie gewaschen, und zwar nicht, wie heute geschieht, durch Pressen
mit den Händen, sondern durch Walten mit den Füßen. Der hiermit beschäftigte
Arbeiter führte in dem Bottich eine Art dreitaktiger Bewegung (trixucliuni)
aus, ähnlich wie der Winzer beim Stampfen der Trauben. Merkwürdigerweise
war das tiixnäium zu dem nationalen und religiösen Tanze der alten Römer
geworden; ihn tanzten die Arvalbrüder, indem sie dazu jenes Lied an die Haus¬
götter, die Laren, sangen, das ein Zufall uns erhalten hat, oder die Salier,
wenn sie im Monat März, mit ihrem kurzen Schwerte auf den ehernen Schild
schlagend, die Straßen Roms durcheilten. War das Zeug so gewaschen, so
hing man es an ein Gestell aus Weidenruten, wo es den Ausdünstungen des
Schwefels ausgesetzt war; dann wurde es gestreckt, mit einer langen Bürste
gestrichen und endlich unter eine Presse gebracht, die den bei der Weinlese be¬
nutzten Keltern ähnlich war. Je mehr es darin zusammengepreßt wurde, umso
weißer und glänzender ging es aus derselben hervor.*) Zu diesen mannich-
faltigen Verrichtungen war ein geräumiges Lokal und zahlreiches Personal er¬
forderlich. Walker gab es also sehr viele in den antiken Städten. Sie galten
für lustige Leute, die an lärmendem Spaß und an heiterer Rede Geschmack
fanden; so hat sich denn auch mit ihnen die populäre römische Komödie mit
Vorliebe beschäftigt und sie gern auf die Bühne gebracht. Das Schauspiel
der müßigen und allerlei Kurzweil treibenden Walker (tullonks köriÄt-i) erheiterte
das Volk ungemein. Die Entdeckung der neuen Fullonica beweist nun, daß
die Walker von Pompeji denen von Rom ganz ähnlich waren. Auf der Wand



*) In der neuen Fullonica ist der Raum, der den Arbeitern als Werkstatt diente,
wunderbar gut erhalten. Man meint, die Arbeit habe eben erst aufgehört; die Bassins für
die Wäsche sind unversehrt, und es scheint, als müßte aus den noch an Ort und Stelle be¬
findlichen eisernen Hähnen gleich wieder das Wasser des Sarnus fließen und sie füllen. In
einer Ecke steht ein Thongesäß; darin sahen wir noch die kreidige Masse, die man am Tage
der Eruption oder kurz vorher hineingethan hatte.
Pompejauische Spaziergänge.

interessante Malereien enthielt, in denen alle Verrichtungen dieses Gewerbes
sehr geschickt und lebendig dargestellt waren. Dieses letztere war damals von
großer Wichtigkeit. Alle römischen Burger, die sich selbst achteten, in der
Hauptstadt wie in den Provinzen, trugen die Toga: sie war das feine Kleid,
das offizielle und festliche Gewand; sie charakterisirte und unterschied von den
andern die Herren der Welt: KorriMos rsrum clourinos Fsutsmanö wKg,t»in.
Wen» indessen die majestätische Weite der Toga, ihr geschmackvoller Faltenwurf,
ihr strahlendes Weiß, besonders wenn dieses noch dnrch einen Purpursaum ge¬
hoben wurde, eines der schönsten Gewandstücke aus ihr machten, die überhaupt
jemals von Menschen getragen wurden, so hatte sie dafür den doppelten Nachteil,
daß sie unbequem war und leicht schmutzte. Sollte sie sauber sein und ihrem
Träger Ehre machen, so schickte man sie zum Walker. Dort warf mau sie zuerst
in Bottiche, die mit Wasser, Kreide und andern Ingredienzien gefüllt waren.
Dann wurde sie gewaschen, und zwar nicht, wie heute geschieht, durch Pressen
mit den Händen, sondern durch Walten mit den Füßen. Der hiermit beschäftigte
Arbeiter führte in dem Bottich eine Art dreitaktiger Bewegung (trixucliuni)
aus, ähnlich wie der Winzer beim Stampfen der Trauben. Merkwürdigerweise
war das tiixnäium zu dem nationalen und religiösen Tanze der alten Römer
geworden; ihn tanzten die Arvalbrüder, indem sie dazu jenes Lied an die Haus¬
götter, die Laren, sangen, das ein Zufall uns erhalten hat, oder die Salier,
wenn sie im Monat März, mit ihrem kurzen Schwerte auf den ehernen Schild
schlagend, die Straßen Roms durcheilten. War das Zeug so gewaschen, so
hing man es an ein Gestell aus Weidenruten, wo es den Ausdünstungen des
Schwefels ausgesetzt war; dann wurde es gestreckt, mit einer langen Bürste
gestrichen und endlich unter eine Presse gebracht, die den bei der Weinlese be¬
nutzten Keltern ähnlich war. Je mehr es darin zusammengepreßt wurde, umso
weißer und glänzender ging es aus derselben hervor.*) Zu diesen mannich-
faltigen Verrichtungen war ein geräumiges Lokal und zahlreiches Personal er¬
forderlich. Walker gab es also sehr viele in den antiken Städten. Sie galten
für lustige Leute, die an lärmendem Spaß und an heiterer Rede Geschmack
fanden; so hat sich denn auch mit ihnen die populäre römische Komödie mit
Vorliebe beschäftigt und sie gern auf die Bühne gebracht. Das Schauspiel
der müßigen und allerlei Kurzweil treibenden Walker (tullonks köriÄt-i) erheiterte
das Volk ungemein. Die Entdeckung der neuen Fullonica beweist nun, daß
die Walker von Pompeji denen von Rom ganz ähnlich waren. Auf der Wand



*) In der neuen Fullonica ist der Raum, der den Arbeitern als Werkstatt diente,
wunderbar gut erhalten. Man meint, die Arbeit habe eben erst aufgehört; die Bassins für
die Wäsche sind unversehrt, und es scheint, als müßte aus den noch an Ort und Stelle be¬
findlichen eisernen Hähnen gleich wieder das Wasser des Sarnus fließen und sie füllen. In
einer Ecke steht ein Thongesäß; darin sahen wir noch die kreidige Masse, die man am Tage
der Eruption oder kurz vorher hineingethan hatte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/197>, abgerufen am 03.07.2024.