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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

ihren gesunden Menschenverstand bewahrt hat. Was ist es denn nur, worauf
Sie pochen und womit Sie mich bedrohen?

Es scheint mir kaum nötig zu sei", darauf hinzuweisen, da Sie selbst schon
mit solcher Genauigkeit Ihre Aufmerksamkeit auf den richtigen Punkt gelenkt
haben, entgegnete er mit bezeichnendem Blick. Lassen Sie mich Ihnen sagen,
daß ich erstaunt bin über die grenzenlose Unbesonnenheit, die Sie sich haben
zu Schulden kommen lassen.

Sie schlug verwirrt die Augen nieder, indem sie in seinem Blicke las, daß
er mehr von der Geschichte des bei ihm versuchten Einbruchs wußte, als er
gestern Abend vor der Gesellschaft zu verraten für gut befunden hatte.

Wenn Sie wünschen, den Inhalt der Kassette kennen zu lernen, der Sie
so sehr interessirt, wie mir Andrew erzählte, so bin ich gern bereit, Ihnen den¬
selben zu zeigen, fuhr er fort. Sie werden darin ein Dokument finden, welches
beweist, daß der Graf Eberhardt von Altenschwerdt, mein Vater, sich am
27. August 1844 in der Christchurch zu Bradford in New-Hampshire mit Marie
Eschenburg, meiner seligen Mutter, vermählte.

Gräfin Sibylle hatte ihre Fassung wiedergewonnen. Wenn dieses Doku¬
ment echt ist, sagte sie, was ich ja, wie Sie wohl einsehen werden, niemals zu¬
geben kann, so würde daraus nur hervorgehen, daß mir eine ungeheure und
"nsühnbare Beleidigung zugefügt worden wäre, indem Graf Altenschwerdt sich
am 3. Januar 1847 mit mir vermählte. Ich denke, daß Sie nicht im Ernste
dem Andenken eines Mannes, den Sie sür Ihren Vater erklären, eine solche
Schmach aufbürden wollen.

Er errötete. Die Unbill, welche der geliebten Mutter widerfahren war,
lebte in diesem Augenblick bei der Entgegnung der Gräfin mit voller Schärfe
der Erinnerung wieder in ihm auf und zog sein Herz krampfhaft zusammen.
Doch er bezwang sich.

Sie haben Recht, ich will es nicht, sagte er ernst. Ich will es nicht, ob¬
wohl mir der Gedanke nahe liegen könnte, das Andenken meiner Mutter, deren
Leben durch diese zweite Heirat vergiftet wurde, von einer Schmach zu befreien,
die an Gewicht jener, die Sie erwähnen, vielleicht gleichkommt.

Die Gräfin atmete auf. Sie verstand sich gut genug auf menschliche Natur,
um zu sehen, daß sie sich einem Manne gegenüber befand, dessen Lauterkeit und
Rechtlichkeit rein war wie Gold. Sie, die von dieser Reinheit soweit entfernt
und so voll Mißtraue" gegen andre war, die ihr ähnelten, fand in seinein ein¬
fachen Wort eine Sicherheit, wie kein Eid und kein Schriftstück eines andern
Mannes ihr hätten gewähren können.'

Dagegen stelle ich eine Bitte, sagte er nach einer Pause. Ich könnte die
Erfüllung dieser Bitte auch wohl eine Bedingung nennen.

N"n?


Die Grafen von Altenschwerdt.

ihren gesunden Menschenverstand bewahrt hat. Was ist es denn nur, worauf
Sie pochen und womit Sie mich bedrohen?

Es scheint mir kaum nötig zu sei», darauf hinzuweisen, da Sie selbst schon
mit solcher Genauigkeit Ihre Aufmerksamkeit auf den richtigen Punkt gelenkt
haben, entgegnete er mit bezeichnendem Blick. Lassen Sie mich Ihnen sagen,
daß ich erstaunt bin über die grenzenlose Unbesonnenheit, die Sie sich haben
zu Schulden kommen lassen.

Sie schlug verwirrt die Augen nieder, indem sie in seinem Blicke las, daß
er mehr von der Geschichte des bei ihm versuchten Einbruchs wußte, als er
gestern Abend vor der Gesellschaft zu verraten für gut befunden hatte.

Wenn Sie wünschen, den Inhalt der Kassette kennen zu lernen, der Sie
so sehr interessirt, wie mir Andrew erzählte, so bin ich gern bereit, Ihnen den¬
selben zu zeigen, fuhr er fort. Sie werden darin ein Dokument finden, welches
beweist, daß der Graf Eberhardt von Altenschwerdt, mein Vater, sich am
27. August 1844 in der Christchurch zu Bradford in New-Hampshire mit Marie
Eschenburg, meiner seligen Mutter, vermählte.

Gräfin Sibylle hatte ihre Fassung wiedergewonnen. Wenn dieses Doku¬
ment echt ist, sagte sie, was ich ja, wie Sie wohl einsehen werden, niemals zu¬
geben kann, so würde daraus nur hervorgehen, daß mir eine ungeheure und
»nsühnbare Beleidigung zugefügt worden wäre, indem Graf Altenschwerdt sich
am 3. Januar 1847 mit mir vermählte. Ich denke, daß Sie nicht im Ernste
dem Andenken eines Mannes, den Sie sür Ihren Vater erklären, eine solche
Schmach aufbürden wollen.

Er errötete. Die Unbill, welche der geliebten Mutter widerfahren war,
lebte in diesem Augenblick bei der Entgegnung der Gräfin mit voller Schärfe
der Erinnerung wieder in ihm auf und zog sein Herz krampfhaft zusammen.
Doch er bezwang sich.

Sie haben Recht, ich will es nicht, sagte er ernst. Ich will es nicht, ob¬
wohl mir der Gedanke nahe liegen könnte, das Andenken meiner Mutter, deren
Leben durch diese zweite Heirat vergiftet wurde, von einer Schmach zu befreien,
die an Gewicht jener, die Sie erwähnen, vielleicht gleichkommt.

Die Gräfin atmete auf. Sie verstand sich gut genug auf menschliche Natur,
um zu sehen, daß sie sich einem Manne gegenüber befand, dessen Lauterkeit und
Rechtlichkeit rein war wie Gold. Sie, die von dieser Reinheit soweit entfernt
und so voll Mißtraue» gegen andre war, die ihr ähnelten, fand in seinein ein¬
fachen Wort eine Sicherheit, wie kein Eid und kein Schriftstück eines andern
Mannes ihr hätten gewähren können.'

Dagegen stelle ich eine Bitte, sagte er nach einer Pause. Ich könnte die
Erfüllung dieser Bitte auch wohl eine Bedingung nennen.

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[0163] Die Grafen von Altenschwerdt. ihren gesunden Menschenverstand bewahrt hat. Was ist es denn nur, worauf Sie pochen und womit Sie mich bedrohen? Es scheint mir kaum nötig zu sei», darauf hinzuweisen, da Sie selbst schon mit solcher Genauigkeit Ihre Aufmerksamkeit auf den richtigen Punkt gelenkt haben, entgegnete er mit bezeichnendem Blick. Lassen Sie mich Ihnen sagen, daß ich erstaunt bin über die grenzenlose Unbesonnenheit, die Sie sich haben zu Schulden kommen lassen. Sie schlug verwirrt die Augen nieder, indem sie in seinem Blicke las, daß er mehr von der Geschichte des bei ihm versuchten Einbruchs wußte, als er gestern Abend vor der Gesellschaft zu verraten für gut befunden hatte. Wenn Sie wünschen, den Inhalt der Kassette kennen zu lernen, der Sie so sehr interessirt, wie mir Andrew erzählte, so bin ich gern bereit, Ihnen den¬ selben zu zeigen, fuhr er fort. Sie werden darin ein Dokument finden, welches beweist, daß der Graf Eberhardt von Altenschwerdt, mein Vater, sich am 27. August 1844 in der Christchurch zu Bradford in New-Hampshire mit Marie Eschenburg, meiner seligen Mutter, vermählte. Gräfin Sibylle hatte ihre Fassung wiedergewonnen. Wenn dieses Doku¬ ment echt ist, sagte sie, was ich ja, wie Sie wohl einsehen werden, niemals zu¬ geben kann, so würde daraus nur hervorgehen, daß mir eine ungeheure und »nsühnbare Beleidigung zugefügt worden wäre, indem Graf Altenschwerdt sich am 3. Januar 1847 mit mir vermählte. Ich denke, daß Sie nicht im Ernste dem Andenken eines Mannes, den Sie sür Ihren Vater erklären, eine solche Schmach aufbürden wollen. Er errötete. Die Unbill, welche der geliebten Mutter widerfahren war, lebte in diesem Augenblick bei der Entgegnung der Gräfin mit voller Schärfe der Erinnerung wieder in ihm auf und zog sein Herz krampfhaft zusammen. Doch er bezwang sich. Sie haben Recht, ich will es nicht, sagte er ernst. Ich will es nicht, ob¬ wohl mir der Gedanke nahe liegen könnte, das Andenken meiner Mutter, deren Leben durch diese zweite Heirat vergiftet wurde, von einer Schmach zu befreien, die an Gewicht jener, die Sie erwähnen, vielleicht gleichkommt. Die Gräfin atmete auf. Sie verstand sich gut genug auf menschliche Natur, um zu sehen, daß sie sich einem Manne gegenüber befand, dessen Lauterkeit und Rechtlichkeit rein war wie Gold. Sie, die von dieser Reinheit soweit entfernt und so voll Mißtraue» gegen andre war, die ihr ähnelten, fand in seinein ein¬ fachen Wort eine Sicherheit, wie kein Eid und kein Schriftstück eines andern Mannes ihr hätten gewähren können.' Dagegen stelle ich eine Bitte, sagte er nach einer Pause. Ich könnte die Erfüllung dieser Bitte auch wohl eine Bedingung nennen. N»n?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/163>, abgerufen am 01.10.2024.