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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

helfen könnte, in einer zarten Weise diese delikate Sache zu ordnen und dem
Maler in einer so geschickten Manier den Stuhl vor die Thür zu setzen, daß
er dadurch nicht gekränkt werden könnte. Aber der andre Fall, die Sache der
Einladung! Sollte Dorothea mit ihrer feinen Nase nicht etwas wittern? Das
sollte sie aber nicht.

Der Neigung des Barons Sextus Hütte es natürlich am meisten entsprochen,
das Projekt der Vermählung in der Art eines Eskadronsbefehls kundzugeben
und etwa in folgender Weise zu sprechen: Die Baronesse Dorothea von Sextus
tritt im Paradeanznge in der Halle ihrer Väter an, um die Hand des Grafen
Dietrich von Altenschwerdt zu fassen. Aber das ging nicht. Gräfin Sibylle,
die so etwas am besten verstehen mußte, hatte ihm ganz besonders auf die Seele
gebunden, Dorothea nicht mit diesem fertigen Plane zu erschrecken. Sie kennen
ja die Herzen der Frauen, hatte sie gestern Abend mit einem Seufzer zu dem
guten alten Herrn gesagt, Sie wissen, daß man einem Mädchen die schönste Idee
dadurch verleiden kann, daß man die Absicht fühlen und einen Zwang vermuten läßt.

Baron Sextus war, mit solchen Überlegungen beschäftigt, sehr schweigsam
beim Frühstück in dem Speisezimmer, wo gestern Abend der kleine Kreis ver¬
sammelt gewesen war, und welches nun anstatt von dem Lampenlicht, das die
Edelsteine der Gräfin Sibylle hatte funkeln lassen, von der hellen Mittagssonne
erleuchtet war. Er aß sein Hammelkotelette und trank seinen Portwein, nahm
dann die Kreuzzeitung zur Hand und bemühte sich zu lesen. Dorothea saß ihm
mit großen, gedankenvollen Augen gegenüber, die nichts einladendes zu einer
Unterhaltung hatten.

Was meinst du, Kind, sagte er plötzlich, ohne die Zeitung, welche sein Ge¬
sicht verdeckte, bei Seite zu legen, was meinst du, wenn wir Altenschwerdts
einluden, ein paar Wochen bei uns zuzubringen? Die Jagd wird jetzt eröffnet,
und der junge Herr könnte sich in meinem Revier recht austummeln.

Es erfolgte keine Antwort, sodaß der Baron sich endlich genötigt sah,
über die Zeitung wegzuschicken, um zu sehen, ob Dorothea seine Worte gehört
habe. Der Anblick war nicht ermutigend für ihn. Dorothea saß, die Thee¬
tasse in der Hand, wie ein Bild aus Stein vor ihm und sah ihn mit solchen
Augen an, daß er sich selbst im Lichte eines ausgefeimten Intriganten erschien.
Er hob die Zeitung schnell wieder in die Höhe.

Altenschwerdts scheinen dir sehr gut gefallen zu haben, Papa, sagte Dorothea.

Ihr Ton war ganz ruhig und unbefangen, aber er wälzte vor dem Vater
einen ganzen Berg von Schwierigkeiten auf. Was sollte er darauf eigentlich er¬
wiedern? (Fortsetzung folgt.)






Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Reudiiitz-Leipzig.
Die Grafen von Altenschwerdt.

helfen könnte, in einer zarten Weise diese delikate Sache zu ordnen und dem
Maler in einer so geschickten Manier den Stuhl vor die Thür zu setzen, daß
er dadurch nicht gekränkt werden könnte. Aber der andre Fall, die Sache der
Einladung! Sollte Dorothea mit ihrer feinen Nase nicht etwas wittern? Das
sollte sie aber nicht.

Der Neigung des Barons Sextus Hütte es natürlich am meisten entsprochen,
das Projekt der Vermählung in der Art eines Eskadronsbefehls kundzugeben
und etwa in folgender Weise zu sprechen: Die Baronesse Dorothea von Sextus
tritt im Paradeanznge in der Halle ihrer Väter an, um die Hand des Grafen
Dietrich von Altenschwerdt zu fassen. Aber das ging nicht. Gräfin Sibylle,
die so etwas am besten verstehen mußte, hatte ihm ganz besonders auf die Seele
gebunden, Dorothea nicht mit diesem fertigen Plane zu erschrecken. Sie kennen
ja die Herzen der Frauen, hatte sie gestern Abend mit einem Seufzer zu dem
guten alten Herrn gesagt, Sie wissen, daß man einem Mädchen die schönste Idee
dadurch verleiden kann, daß man die Absicht fühlen und einen Zwang vermuten läßt.

Baron Sextus war, mit solchen Überlegungen beschäftigt, sehr schweigsam
beim Frühstück in dem Speisezimmer, wo gestern Abend der kleine Kreis ver¬
sammelt gewesen war, und welches nun anstatt von dem Lampenlicht, das die
Edelsteine der Gräfin Sibylle hatte funkeln lassen, von der hellen Mittagssonne
erleuchtet war. Er aß sein Hammelkotelette und trank seinen Portwein, nahm
dann die Kreuzzeitung zur Hand und bemühte sich zu lesen. Dorothea saß ihm
mit großen, gedankenvollen Augen gegenüber, die nichts einladendes zu einer
Unterhaltung hatten.

Was meinst du, Kind, sagte er plötzlich, ohne die Zeitung, welche sein Ge¬
sicht verdeckte, bei Seite zu legen, was meinst du, wenn wir Altenschwerdts
einluden, ein paar Wochen bei uns zuzubringen? Die Jagd wird jetzt eröffnet,
und der junge Herr könnte sich in meinem Revier recht austummeln.

Es erfolgte keine Antwort, sodaß der Baron sich endlich genötigt sah,
über die Zeitung wegzuschicken, um zu sehen, ob Dorothea seine Worte gehört
habe. Der Anblick war nicht ermutigend für ihn. Dorothea saß, die Thee¬
tasse in der Hand, wie ein Bild aus Stein vor ihm und sah ihn mit solchen
Augen an, daß er sich selbst im Lichte eines ausgefeimten Intriganten erschien.
Er hob die Zeitung schnell wieder in die Höhe.

Altenschwerdts scheinen dir sehr gut gefallen zu haben, Papa, sagte Dorothea.

Ihr Ton war ganz ruhig und unbefangen, aber er wälzte vor dem Vater
einen ganzen Berg von Schwierigkeiten auf. Was sollte er darauf eigentlich er¬
wiedern? (Fortsetzung folgt.)






Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Reudiiitz-Leipzig.
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[0112] Die Grafen von Altenschwerdt. helfen könnte, in einer zarten Weise diese delikate Sache zu ordnen und dem Maler in einer so geschickten Manier den Stuhl vor die Thür zu setzen, daß er dadurch nicht gekränkt werden könnte. Aber der andre Fall, die Sache der Einladung! Sollte Dorothea mit ihrer feinen Nase nicht etwas wittern? Das sollte sie aber nicht. Der Neigung des Barons Sextus Hütte es natürlich am meisten entsprochen, das Projekt der Vermählung in der Art eines Eskadronsbefehls kundzugeben und etwa in folgender Weise zu sprechen: Die Baronesse Dorothea von Sextus tritt im Paradeanznge in der Halle ihrer Väter an, um die Hand des Grafen Dietrich von Altenschwerdt zu fassen. Aber das ging nicht. Gräfin Sibylle, die so etwas am besten verstehen mußte, hatte ihm ganz besonders auf die Seele gebunden, Dorothea nicht mit diesem fertigen Plane zu erschrecken. Sie kennen ja die Herzen der Frauen, hatte sie gestern Abend mit einem Seufzer zu dem guten alten Herrn gesagt, Sie wissen, daß man einem Mädchen die schönste Idee dadurch verleiden kann, daß man die Absicht fühlen und einen Zwang vermuten läßt. Baron Sextus war, mit solchen Überlegungen beschäftigt, sehr schweigsam beim Frühstück in dem Speisezimmer, wo gestern Abend der kleine Kreis ver¬ sammelt gewesen war, und welches nun anstatt von dem Lampenlicht, das die Edelsteine der Gräfin Sibylle hatte funkeln lassen, von der hellen Mittagssonne erleuchtet war. Er aß sein Hammelkotelette und trank seinen Portwein, nahm dann die Kreuzzeitung zur Hand und bemühte sich zu lesen. Dorothea saß ihm mit großen, gedankenvollen Augen gegenüber, die nichts einladendes zu einer Unterhaltung hatten. Was meinst du, Kind, sagte er plötzlich, ohne die Zeitung, welche sein Ge¬ sicht verdeckte, bei Seite zu legen, was meinst du, wenn wir Altenschwerdts einluden, ein paar Wochen bei uns zuzubringen? Die Jagd wird jetzt eröffnet, und der junge Herr könnte sich in meinem Revier recht austummeln. Es erfolgte keine Antwort, sodaß der Baron sich endlich genötigt sah, über die Zeitung wegzuschicken, um zu sehen, ob Dorothea seine Worte gehört habe. Der Anblick war nicht ermutigend für ihn. Dorothea saß, die Thee¬ tasse in der Hand, wie ein Bild aus Stein vor ihm und sah ihn mit solchen Augen an, daß er sich selbst im Lichte eines ausgefeimten Intriganten erschien. Er hob die Zeitung schnell wieder in die Höhe. Altenschwerdts scheinen dir sehr gut gefallen zu haben, Papa, sagte Dorothea. Ihr Ton war ganz ruhig und unbefangen, aber er wälzte vor dem Vater einen ganzen Berg von Schwierigkeiten auf. Was sollte er darauf eigentlich er¬ wiedern? (Fortsetzung folgt.) Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Reudiiitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/112>, abgerufen am 01.07.2024.