Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus Rubens' Lehrjahren.

wie der Titel, den wir in der Anmerkung vollständig wiedergeben, ist auch der
Inhalt dieses Buches, Es ist eine trockene referirende Zusammenstellung in der
Art jener Aufgaben, wie sie gewöhnlich in den archäologischen und kunstwissen¬
schaftlicher Seminaren der Universitäten zur Übung und methodischen Schulung
der studirenden Jugend von den Professoren gestellt werden, eine Arbeit, die
mehr das Geschick und die Ausdauer eines Registrators als den Geschmack und
den ordnenden Sinn eines Kunsthistorikers verrät, eine Arbeit endlich, der man
wenigstens das Verdienst des Kärrners viudiziren könnte, wenn sie nicht so
außerordentlich lückenhaft und unkritisch wäre.

Der Verfasser kennt also, wie manche andre Quellen zur Rubensgeschichte, auch
die nach dem Muster des Cornelius Nepos geschriebene lateinische VitÄ ki-ubsmi nur
dem Namen nach, die insofern von ganz unschätzbarem Werte ist, als sie von
Rubens' Neffen, Philipp Rubens, mit Hilfe der von Albert Rubens, dem Sohne
des Meisters, hinterlassenen und in der Familie aufbewahrten Aufzeichnungen
auf den Wunsch des französischen Malers Roger de Piles verfaßt worden ist.*)
In dieser Lebensbeschreibung, deren Zuverlässigkeit noch in keinem Punkte er¬
schüttert, vielmehr durch archivalische Funde verstärkt worden ist, und die selbst
in ihrem wohlmotivirten Schweigen beredt ist, heißt es von dem jugendlichen
Rubens, daß er in Köln "die erste wissenschaftliche Nahrung zu sich nahm, und
zwar mit solcher Leichtigkeit der Auffassung, daß er die Altersgenossen leichr
übertraf, bis er sich im Jahre 1587, nach dem Tode des Vaters, mit seiner
Mutter nach Antwerpen .... begab und seinen übrigen Studiengnng vollendete."
Eine Erinnerung an die Antwerpener Schulstudien hat uns ein Brief von Bal-
thasar Moretus, dem spätern Chef der berühmten Antwerpener Druckerei Plantin-
Moretus, an Philipp Rubens vom 3. November 1600 aufbewahrt, in welchem
es heißt: "Deinen Bruder habe ich schon als Knaben in der Schule gekannt
und habe ihn als einen Jüngling von auserlesensten und anmutigstem Geiste
geliebt." Von demselben Balthasar Moretus sind zwei lateinisch geschriebene
Briefe an Rubens den Maler bekannt, die dieser während seines Aufenthaltes
in Rom 1606 erhielt und aus denen die Thatsache hervorgeht, daß er des
Lateinischen völlig mächtig war. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß er
noch dreißig Jahre später selbst einen leidlich gut lateinisch geschriebenen Brief
an Franciscus Junius zustande bringen konnte. Charakteristisch für seine klas¬
sische Bildung ist auch die freilich nicht verbürgte, von Weyermann und Michel
in verschiedner Version mitgeteilte Anekdote, nach welcher der Herzog von Man-



*) Das Nähere darüber in meiner Gesamtausgabe der Rubensbriefe (Leipzig, Seemann,
(1881) S. 7. Wie Roger de Piles die lateinische Biographie benutzt hat, mag folgendes
Beispiel belegen: Bei Philipp Rubens heißt es von der zweiten Frau des Meisters Helena
Fourmcnt: Hus,s torrn^s xi'g,MiAiitiik juäie-w ?!U'lal.s ojus Lslsnaw vieissst, bei de Piles
^.vrsAs as la vis äos Vointrss, ?Aris, 1716, S. 385): qai ston roh llslsn,o vn vgg,u,es.
Aus Rubens' Lehrjahren.

wie der Titel, den wir in der Anmerkung vollständig wiedergeben, ist auch der
Inhalt dieses Buches, Es ist eine trockene referirende Zusammenstellung in der
Art jener Aufgaben, wie sie gewöhnlich in den archäologischen und kunstwissen¬
schaftlicher Seminaren der Universitäten zur Übung und methodischen Schulung
der studirenden Jugend von den Professoren gestellt werden, eine Arbeit, die
mehr das Geschick und die Ausdauer eines Registrators als den Geschmack und
den ordnenden Sinn eines Kunsthistorikers verrät, eine Arbeit endlich, der man
wenigstens das Verdienst des Kärrners viudiziren könnte, wenn sie nicht so
außerordentlich lückenhaft und unkritisch wäre.

Der Verfasser kennt also, wie manche andre Quellen zur Rubensgeschichte, auch
die nach dem Muster des Cornelius Nepos geschriebene lateinische VitÄ ki-ubsmi nur
dem Namen nach, die insofern von ganz unschätzbarem Werte ist, als sie von
Rubens' Neffen, Philipp Rubens, mit Hilfe der von Albert Rubens, dem Sohne
des Meisters, hinterlassenen und in der Familie aufbewahrten Aufzeichnungen
auf den Wunsch des französischen Malers Roger de Piles verfaßt worden ist.*)
In dieser Lebensbeschreibung, deren Zuverlässigkeit noch in keinem Punkte er¬
schüttert, vielmehr durch archivalische Funde verstärkt worden ist, und die selbst
in ihrem wohlmotivirten Schweigen beredt ist, heißt es von dem jugendlichen
Rubens, daß er in Köln „die erste wissenschaftliche Nahrung zu sich nahm, und
zwar mit solcher Leichtigkeit der Auffassung, daß er die Altersgenossen leichr
übertraf, bis er sich im Jahre 1587, nach dem Tode des Vaters, mit seiner
Mutter nach Antwerpen .... begab und seinen übrigen Studiengnng vollendete."
Eine Erinnerung an die Antwerpener Schulstudien hat uns ein Brief von Bal-
thasar Moretus, dem spätern Chef der berühmten Antwerpener Druckerei Plantin-
Moretus, an Philipp Rubens vom 3. November 1600 aufbewahrt, in welchem
es heißt: „Deinen Bruder habe ich schon als Knaben in der Schule gekannt
und habe ihn als einen Jüngling von auserlesensten und anmutigstem Geiste
geliebt." Von demselben Balthasar Moretus sind zwei lateinisch geschriebene
Briefe an Rubens den Maler bekannt, die dieser während seines Aufenthaltes
in Rom 1606 erhielt und aus denen die Thatsache hervorgeht, daß er des
Lateinischen völlig mächtig war. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß er
noch dreißig Jahre später selbst einen leidlich gut lateinisch geschriebenen Brief
an Franciscus Junius zustande bringen konnte. Charakteristisch für seine klas¬
sische Bildung ist auch die freilich nicht verbürgte, von Weyermann und Michel
in verschiedner Version mitgeteilte Anekdote, nach welcher der Herzog von Man-



*) Das Nähere darüber in meiner Gesamtausgabe der Rubensbriefe (Leipzig, Seemann,
(1881) S. 7. Wie Roger de Piles die lateinische Biographie benutzt hat, mag folgendes
Beispiel belegen: Bei Philipp Rubens heißt es von der zweiten Frau des Meisters Helena
Fourmcnt: Hus,s torrn^s xi'g,MiAiitiik juäie-w ?!U'lal.s ojus Lslsnaw vieissst, bei de Piles
^.vrsAs as la vis äos Vointrss, ?Aris, 1716, S. 385): qai ston roh llslsn,o vn vgg,u,es.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0644" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152598"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus Rubens' Lehrjahren.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2460" prev="#ID_2459"> wie der Titel, den wir in der Anmerkung vollständig wiedergeben, ist auch der<lb/>
Inhalt dieses Buches, Es ist eine trockene referirende Zusammenstellung in der<lb/>
Art jener Aufgaben, wie sie gewöhnlich in den archäologischen und kunstwissen¬<lb/>
schaftlicher Seminaren der Universitäten zur Übung und methodischen Schulung<lb/>
der studirenden Jugend von den Professoren gestellt werden, eine Arbeit, die<lb/>
mehr das Geschick und die Ausdauer eines Registrators als den Geschmack und<lb/>
den ordnenden Sinn eines Kunsthistorikers verrät, eine Arbeit endlich, der man<lb/>
wenigstens das Verdienst des Kärrners viudiziren könnte, wenn sie nicht so<lb/>
außerordentlich lückenhaft und unkritisch wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2461" next="#ID_2462"> Der Verfasser kennt also, wie manche andre Quellen zur Rubensgeschichte, auch<lb/>
die nach dem Muster des Cornelius Nepos geschriebene lateinische VitÄ ki-ubsmi nur<lb/>
dem Namen nach, die insofern von ganz unschätzbarem Werte ist, als sie von<lb/>
Rubens' Neffen, Philipp Rubens, mit Hilfe der von Albert Rubens, dem Sohne<lb/>
des Meisters, hinterlassenen und in der Familie aufbewahrten Aufzeichnungen<lb/>
auf den Wunsch des französischen Malers Roger de Piles verfaßt worden ist.*)<lb/>
In dieser Lebensbeschreibung, deren Zuverlässigkeit noch in keinem Punkte er¬<lb/>
schüttert, vielmehr durch archivalische Funde verstärkt worden ist, und die selbst<lb/>
in ihrem wohlmotivirten Schweigen beredt ist, heißt es von dem jugendlichen<lb/>
Rubens, daß er in Köln &#x201E;die erste wissenschaftliche Nahrung zu sich nahm, und<lb/>
zwar mit solcher Leichtigkeit der Auffassung, daß er die Altersgenossen leichr<lb/>
übertraf, bis er sich im Jahre 1587, nach dem Tode des Vaters, mit seiner<lb/>
Mutter nach Antwerpen .... begab und seinen übrigen Studiengnng vollendete."<lb/>
Eine Erinnerung an die Antwerpener Schulstudien hat uns ein Brief von Bal-<lb/>
thasar Moretus, dem spätern Chef der berühmten Antwerpener Druckerei Plantin-<lb/>
Moretus, an Philipp Rubens vom 3. November 1600 aufbewahrt, in welchem<lb/>
es heißt: &#x201E;Deinen Bruder habe ich schon als Knaben in der Schule gekannt<lb/>
und habe ihn als einen Jüngling von auserlesensten und anmutigstem Geiste<lb/>
geliebt." Von demselben Balthasar Moretus sind zwei lateinisch geschriebene<lb/>
Briefe an Rubens den Maler bekannt, die dieser während seines Aufenthaltes<lb/>
in Rom 1606 erhielt und aus denen die Thatsache hervorgeht, daß er des<lb/>
Lateinischen völlig mächtig war. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß er<lb/>
noch dreißig Jahre später selbst einen leidlich gut lateinisch geschriebenen Brief<lb/>
an Franciscus Junius zustande bringen konnte. Charakteristisch für seine klas¬<lb/>
sische Bildung ist auch die freilich nicht verbürgte, von Weyermann und Michel<lb/>
in verschiedner Version mitgeteilte Anekdote, nach welcher der Herzog von Man-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_66" place="foot"> *) Das Nähere darüber in meiner Gesamtausgabe der Rubensbriefe (Leipzig, Seemann,<lb/>
(1881) S. 7. Wie Roger de Piles die lateinische Biographie benutzt hat, mag folgendes<lb/>
Beispiel belegen: Bei Philipp Rubens heißt es von der zweiten Frau des Meisters Helena<lb/>
Fourmcnt: Hus,s torrn^s xi'g,MiAiitiik juäie-w ?!U'lal.s ojus Lslsnaw vieissst, bei de Piles<lb/>
^.vrsAs as la vis äos Vointrss, ?Aris, 1716, S. 385): qai ston roh llslsn,o vn vgg,u,es.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0644] Aus Rubens' Lehrjahren. wie der Titel, den wir in der Anmerkung vollständig wiedergeben, ist auch der Inhalt dieses Buches, Es ist eine trockene referirende Zusammenstellung in der Art jener Aufgaben, wie sie gewöhnlich in den archäologischen und kunstwissen¬ schaftlicher Seminaren der Universitäten zur Übung und methodischen Schulung der studirenden Jugend von den Professoren gestellt werden, eine Arbeit, die mehr das Geschick und die Ausdauer eines Registrators als den Geschmack und den ordnenden Sinn eines Kunsthistorikers verrät, eine Arbeit endlich, der man wenigstens das Verdienst des Kärrners viudiziren könnte, wenn sie nicht so außerordentlich lückenhaft und unkritisch wäre. Der Verfasser kennt also, wie manche andre Quellen zur Rubensgeschichte, auch die nach dem Muster des Cornelius Nepos geschriebene lateinische VitÄ ki-ubsmi nur dem Namen nach, die insofern von ganz unschätzbarem Werte ist, als sie von Rubens' Neffen, Philipp Rubens, mit Hilfe der von Albert Rubens, dem Sohne des Meisters, hinterlassenen und in der Familie aufbewahrten Aufzeichnungen auf den Wunsch des französischen Malers Roger de Piles verfaßt worden ist.*) In dieser Lebensbeschreibung, deren Zuverlässigkeit noch in keinem Punkte er¬ schüttert, vielmehr durch archivalische Funde verstärkt worden ist, und die selbst in ihrem wohlmotivirten Schweigen beredt ist, heißt es von dem jugendlichen Rubens, daß er in Köln „die erste wissenschaftliche Nahrung zu sich nahm, und zwar mit solcher Leichtigkeit der Auffassung, daß er die Altersgenossen leichr übertraf, bis er sich im Jahre 1587, nach dem Tode des Vaters, mit seiner Mutter nach Antwerpen .... begab und seinen übrigen Studiengnng vollendete." Eine Erinnerung an die Antwerpener Schulstudien hat uns ein Brief von Bal- thasar Moretus, dem spätern Chef der berühmten Antwerpener Druckerei Plantin- Moretus, an Philipp Rubens vom 3. November 1600 aufbewahrt, in welchem es heißt: „Deinen Bruder habe ich schon als Knaben in der Schule gekannt und habe ihn als einen Jüngling von auserlesensten und anmutigstem Geiste geliebt." Von demselben Balthasar Moretus sind zwei lateinisch geschriebene Briefe an Rubens den Maler bekannt, die dieser während seines Aufenthaltes in Rom 1606 erhielt und aus denen die Thatsache hervorgeht, daß er des Lateinischen völlig mächtig war. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß er noch dreißig Jahre später selbst einen leidlich gut lateinisch geschriebenen Brief an Franciscus Junius zustande bringen konnte. Charakteristisch für seine klas¬ sische Bildung ist auch die freilich nicht verbürgte, von Weyermann und Michel in verschiedner Version mitgeteilte Anekdote, nach welcher der Herzog von Man- *) Das Nähere darüber in meiner Gesamtausgabe der Rubensbriefe (Leipzig, Seemann, (1881) S. 7. Wie Roger de Piles die lateinische Biographie benutzt hat, mag folgendes Beispiel belegen: Bei Philipp Rubens heißt es von der zweiten Frau des Meisters Helena Fourmcnt: Hus,s torrn^s xi'g,MiAiitiik juäie-w ?!U'lal.s ojus Lslsnaw vieissst, bei de Piles ^.vrsAs as la vis äos Vointrss, ?Aris, 1716, S. 385): qai ston roh llslsn,o vn vgg,u,es.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/644
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/644>, abgerufen am 23.07.2024.