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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Literatur.

Die meiste Teilnahme wird das Buch jedenfalls bei denen finden, die durch
persönliche Erinnerung an das alte Dresden und an die ältern Generationen des
sächsischen Königshauses gefesselt sind. Das letztre tritt in einer durchaus erfreu¬
lichen Gestalt entgegen, zuvörderst der Kunst und Geselligkeit so schön pflegende
Familienkreis des Prinzen Max und im Hintergrunde der in seiner peinlichen
Gewissenhaftigkeit hochachtbare König Friedrich August; dem alten Dresden aber
widmet der Herausgeber in einem der Einleitung folgenden, "Zur Orientirung"
überschriebenen Abschnitt etwa dreißig Seiten, auf denen er uns mit den Örtlich-
keiten, Dingen und Menschen der damaligen sächsischen Residenz in ansprechender
Weise bekannt macht.




Nachträglich, nachdem die kleine Auseinandersetzung über frug und fragte
auf S. 21 dieses Heftes bereits gedruckt ist, erhalten wir Kenntnis davon, daß
das Sonett von P. Lang in Ur. 51 der Grenzboten nicht bloß ein Gegen¬
sonett, das in der Berliner Post, sondern eine ganze Flut von Sonetten nach
sich gezogen hat, die dem von Lang teils zustimmen, teils widersprechen. Wir
teilen im nachfolgenden die beiden hübschesten mit, zwei der erstern Kategorie,
die sich beide gegen das Sonett des Herrn v. C. kehren. Franz Raab in
Wien schreibt:


Möcht' einem schier doch umdrehn sich der Magen!
Als gäb's in Deutschland nicht des Streits genug,
Zanke man sich ab, ob's fragte heißt, ob frug!
Seid nicht zu faul, die Sprachlehr' aufzuschlagen!
Da steht: Zeitwörter giebt's gar viel auf ager,
Doch zwei nur beugen stark: trägst, trug, schlägst, schlug;
Die andern alle -- merkt's und werdet klug! --
Nur schwach, wie sagen, klagen, wagen, nagen.
Spricht denn gefragen irgend ein Vernünftger?
Nein, jeder nur gefragt! So folgt der Schluß:
Auch fragen zählt zum schwachen Verbgeschlcchte.
Drum: fragte! lehrt ein Meister euch, ein zünftger,
Frug ist ein Fratz, der allem zum Verdruß
Emanzipirt der Starkheit sich erfrechte.

Das andre, v. Gr. unterzeichnete Sonett lautet:


Seid ihr Quartaner? möcht' ich lächelnd fragen;
Kennt Ihr der eignen Sprache Formen nicht?
Wer so geläufig in Sonetten spricht,
Weiß uicht einmal im Lehrbuch nachzuschlagen?
Laßt vom Präzeptor euch die Regel sagen
Und seht dann dem Perfektum in's Gesicht,
So geht sofort euch auf im hellsten Licht
Der Unterschied von fragen und von schlagen!
Denn wo sich das Perfektum schließt mit t,
Schmiegt sich dem Jmperfektum an ein e,
Drum heißt's ich fragte, weil es heißt gefragt.
Doch endet das Perfekt auf en -- o Qual!
So schwankt im Imperfekt der Stammvokal:
Ich schlug - ihr seid geschlagen!--nicht geschlagt!



Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.
Literatur.

Die meiste Teilnahme wird das Buch jedenfalls bei denen finden, die durch
persönliche Erinnerung an das alte Dresden und an die ältern Generationen des
sächsischen Königshauses gefesselt sind. Das letztre tritt in einer durchaus erfreu¬
lichen Gestalt entgegen, zuvörderst der Kunst und Geselligkeit so schön pflegende
Familienkreis des Prinzen Max und im Hintergrunde der in seiner peinlichen
Gewissenhaftigkeit hochachtbare König Friedrich August; dem alten Dresden aber
widmet der Herausgeber in einem der Einleitung folgenden, „Zur Orientirung"
überschriebenen Abschnitt etwa dreißig Seiten, auf denen er uns mit den Örtlich-
keiten, Dingen und Menschen der damaligen sächsischen Residenz in ansprechender
Weise bekannt macht.




Nachträglich, nachdem die kleine Auseinandersetzung über frug und fragte
auf S. 21 dieses Heftes bereits gedruckt ist, erhalten wir Kenntnis davon, daß
das Sonett von P. Lang in Ur. 51 der Grenzboten nicht bloß ein Gegen¬
sonett, das in der Berliner Post, sondern eine ganze Flut von Sonetten nach
sich gezogen hat, die dem von Lang teils zustimmen, teils widersprechen. Wir
teilen im nachfolgenden die beiden hübschesten mit, zwei der erstern Kategorie,
die sich beide gegen das Sonett des Herrn v. C. kehren. Franz Raab in
Wien schreibt:


Möcht' einem schier doch umdrehn sich der Magen!
Als gäb's in Deutschland nicht des Streits genug,
Zanke man sich ab, ob's fragte heißt, ob frug!
Seid nicht zu faul, die Sprachlehr' aufzuschlagen!
Da steht: Zeitwörter giebt's gar viel auf ager,
Doch zwei nur beugen stark: trägst, trug, schlägst, schlug;
Die andern alle — merkt's und werdet klug! —
Nur schwach, wie sagen, klagen, wagen, nagen.
Spricht denn gefragen irgend ein Vernünftger?
Nein, jeder nur gefragt! So folgt der Schluß:
Auch fragen zählt zum schwachen Verbgeschlcchte.
Drum: fragte! lehrt ein Meister euch, ein zünftger,
Frug ist ein Fratz, der allem zum Verdruß
Emanzipirt der Starkheit sich erfrechte.

Das andre, v. Gr. unterzeichnete Sonett lautet:


Seid ihr Quartaner? möcht' ich lächelnd fragen;
Kennt Ihr der eignen Sprache Formen nicht?
Wer so geläufig in Sonetten spricht,
Weiß uicht einmal im Lehrbuch nachzuschlagen?
Laßt vom Präzeptor euch die Regel sagen
Und seht dann dem Perfektum in's Gesicht,
So geht sofort euch auf im hellsten Licht
Der Unterschied von fragen und von schlagen!
Denn wo sich das Perfektum schließt mit t,
Schmiegt sich dem Jmperfektum an ein e,
Drum heißt's ich fragte, weil es heißt gefragt.
Doch endet das Perfekt auf en — o Qual!
So schwankt im Imperfekt der Stammvokal:
Ich schlug - ihr seid geschlagen!--nicht geschlagt!



Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.
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[0064] Literatur. Die meiste Teilnahme wird das Buch jedenfalls bei denen finden, die durch persönliche Erinnerung an das alte Dresden und an die ältern Generationen des sächsischen Königshauses gefesselt sind. Das letztre tritt in einer durchaus erfreu¬ lichen Gestalt entgegen, zuvörderst der Kunst und Geselligkeit so schön pflegende Familienkreis des Prinzen Max und im Hintergrunde der in seiner peinlichen Gewissenhaftigkeit hochachtbare König Friedrich August; dem alten Dresden aber widmet der Herausgeber in einem der Einleitung folgenden, „Zur Orientirung" überschriebenen Abschnitt etwa dreißig Seiten, auf denen er uns mit den Örtlich- keiten, Dingen und Menschen der damaligen sächsischen Residenz in ansprechender Weise bekannt macht. Nachträglich, nachdem die kleine Auseinandersetzung über frug und fragte auf S. 21 dieses Heftes bereits gedruckt ist, erhalten wir Kenntnis davon, daß das Sonett von P. Lang in Ur. 51 der Grenzboten nicht bloß ein Gegen¬ sonett, das in der Berliner Post, sondern eine ganze Flut von Sonetten nach sich gezogen hat, die dem von Lang teils zustimmen, teils widersprechen. Wir teilen im nachfolgenden die beiden hübschesten mit, zwei der erstern Kategorie, die sich beide gegen das Sonett des Herrn v. C. kehren. Franz Raab in Wien schreibt: Möcht' einem schier doch umdrehn sich der Magen! Als gäb's in Deutschland nicht des Streits genug, Zanke man sich ab, ob's fragte heißt, ob frug! Seid nicht zu faul, die Sprachlehr' aufzuschlagen! Da steht: Zeitwörter giebt's gar viel auf ager, Doch zwei nur beugen stark: trägst, trug, schlägst, schlug; Die andern alle — merkt's und werdet klug! — Nur schwach, wie sagen, klagen, wagen, nagen. Spricht denn gefragen irgend ein Vernünftger? Nein, jeder nur gefragt! So folgt der Schluß: Auch fragen zählt zum schwachen Verbgeschlcchte. Drum: fragte! lehrt ein Meister euch, ein zünftger, Frug ist ein Fratz, der allem zum Verdruß Emanzipirt der Starkheit sich erfrechte. Das andre, v. Gr. unterzeichnete Sonett lautet: Seid ihr Quartaner? möcht' ich lächelnd fragen; Kennt Ihr der eignen Sprache Formen nicht? Wer so geläufig in Sonetten spricht, Weiß uicht einmal im Lehrbuch nachzuschlagen? Laßt vom Präzeptor euch die Regel sagen Und seht dann dem Perfektum in's Gesicht, So geht sofort euch auf im hellsten Licht Der Unterschied von fragen und von schlagen! Denn wo sich das Perfektum schließt mit t, Schmiegt sich dem Jmperfektum an ein e, Drum heißt's ich fragte, weil es heißt gefragt. Doch endet das Perfekt auf en — o Qual! So schwankt im Imperfekt der Stammvokal: Ich schlug - ihr seid geschlagen!--nicht geschlagt! Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/64>, abgerufen am 23.07.2024.