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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Lin neuer Roinmentar zu Goethes Gedichten.

äußere Anlässe geben, daneben auch über Handschriften, Drucke, Lesarten, Lite¬
ratur und Musik der Gedichte. Wird auch gelegentlich einzelnes Sprachliche
erörtert, werden auch Parallelstellen im Sinne einer vergleichenden Poetik cm-
gefiihrt, so ist doch von der Erörterung ästhetischer, sowie poetisch-technischer und
namentlich metrischer Fragen ganz abgesehen. Die Anmerkungen machen daher
wohl die Ermittlungen der vorzüglichen, ausführlich erklärenden Kommentare
von Viehvsf und Düutzer für unsre Textausgabe nutzbar (soll wohl heißen: sich
zu nutze, denn "nutzbar" sind jene Ermittlungen doch auch ohne die Loeperschc
Ausgabe), keineswegs aber jene selbst entbehrlich, insbesondre nicht in den zuletzt
erwähnten Beziehungen." Hiermit verbinden wir gleich noch einige Stellen ans
dem etwas wunderlich stilisirten Elaborat, welches die Verlagshandlung ans dem
Umschlage des Ersten Bandes veröffentlicht hat. Sie sagt dort, daß in den An¬
merkungen "die bisherigen Resultate der Goethe-Forschungen, mit welchen sich
seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe die großen Geister (!) des In- und Aus¬
landes eingehend beschäftigt haben, zu einem zusammenfassenden Abschluß ge¬
bracht werden" sollen, hebt aber zugleich -- mit fettgedruckter Schrift -- hervor,
daß die Ausgabe "für deu allgemeinen Gebrauch" bestimmt sei, und empfiehlt
sie daher "dem großen gebildeten deutschen Publikum."

Äußerlich hat Loeper seinen Kommentar so eingerichtet, daß die Anmerkungen
zu jedem einzelnen Gedicht in der Regel in vier, durch verschiedene Schrift¬
gattungen deutlich von einander unterschiedene Abschnitte zerfallen. Er berichtet
zunächst über das etwa benutzte handschriftliche Material, verzeichnet dann die
ersten Drucke, führt sämtliche Varianten auf und giebt endlich die. erklärenden
"Notizen," die er für nötig hält. Diese Anordnung ist sehr praktisch und über¬
sichtlich. Blicken wir aber in die einzelnen Abschnitte hinein, so gewahren wir
sofort, daß der Kommentar doch nicht leicht zu benutzen ist. Wir wollen nicht
davon reden, daß der Herausgeber elf verschiedne Ausgaben Goethischer Schriften
-- von der Himburgschen Sammlung an bis zur vierzigbändigen Cottaschen
Ausgabe -- durch bloße Ziffern bezeichnet; er macht von dieser Abkürzung
namentlich in der Rubrik "Erste Drucke" Gebrauch, und diese wird wohl von
den wenigsten Lesern studirt werden. Schlimmer ist es schon, daß auch in den
Anmerkungen selbst, die doch nach der Bersichernng der Verlngshandlung "für
den allgemeinen, Gebrauch" des "großen gebildeten deutschen Publikums" be¬
stimmt sind, ein Streben nach Kürze und Raumersparnis hervortritt, das ent¬
schieden zu weit geht.

Es ist etwas ganz andres, ob man erläuternde Anmerkungen unterm Text
oder ob man sie nach Jacob Grimms Ausdruck "auf einem modernen Beiwagen"
hintern: Text giebt. Im vorliegenden Falle würden wir die Abtrennung der
Anmerkungen vollständig billigen, wenn sichs um eine besonders schön ausge¬
stattete Liebhaberausgabe handelte. In einer Ausgabe, deren Lektüre nicht bloß,
nein deren bloßer Anblick schon ein Genuß sein soll, wäre es ja unerträglich,


Lin neuer Roinmentar zu Goethes Gedichten.

äußere Anlässe geben, daneben auch über Handschriften, Drucke, Lesarten, Lite¬
ratur und Musik der Gedichte. Wird auch gelegentlich einzelnes Sprachliche
erörtert, werden auch Parallelstellen im Sinne einer vergleichenden Poetik cm-
gefiihrt, so ist doch von der Erörterung ästhetischer, sowie poetisch-technischer und
namentlich metrischer Fragen ganz abgesehen. Die Anmerkungen machen daher
wohl die Ermittlungen der vorzüglichen, ausführlich erklärenden Kommentare
von Viehvsf und Düutzer für unsre Textausgabe nutzbar (soll wohl heißen: sich
zu nutze, denn „nutzbar" sind jene Ermittlungen doch auch ohne die Loeperschc
Ausgabe), keineswegs aber jene selbst entbehrlich, insbesondre nicht in den zuletzt
erwähnten Beziehungen." Hiermit verbinden wir gleich noch einige Stellen ans
dem etwas wunderlich stilisirten Elaborat, welches die Verlagshandlung ans dem
Umschlage des Ersten Bandes veröffentlicht hat. Sie sagt dort, daß in den An¬
merkungen „die bisherigen Resultate der Goethe-Forschungen, mit welchen sich
seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe die großen Geister (!) des In- und Aus¬
landes eingehend beschäftigt haben, zu einem zusammenfassenden Abschluß ge¬
bracht werden" sollen, hebt aber zugleich — mit fettgedruckter Schrift — hervor,
daß die Ausgabe „für deu allgemeinen Gebrauch" bestimmt sei, und empfiehlt
sie daher „dem großen gebildeten deutschen Publikum."

Äußerlich hat Loeper seinen Kommentar so eingerichtet, daß die Anmerkungen
zu jedem einzelnen Gedicht in der Regel in vier, durch verschiedene Schrift¬
gattungen deutlich von einander unterschiedene Abschnitte zerfallen. Er berichtet
zunächst über das etwa benutzte handschriftliche Material, verzeichnet dann die
ersten Drucke, führt sämtliche Varianten auf und giebt endlich die. erklärenden
„Notizen," die er für nötig hält. Diese Anordnung ist sehr praktisch und über¬
sichtlich. Blicken wir aber in die einzelnen Abschnitte hinein, so gewahren wir
sofort, daß der Kommentar doch nicht leicht zu benutzen ist. Wir wollen nicht
davon reden, daß der Herausgeber elf verschiedne Ausgaben Goethischer Schriften
— von der Himburgschen Sammlung an bis zur vierzigbändigen Cottaschen
Ausgabe — durch bloße Ziffern bezeichnet; er macht von dieser Abkürzung
namentlich in der Rubrik „Erste Drucke" Gebrauch, und diese wird wohl von
den wenigsten Lesern studirt werden. Schlimmer ist es schon, daß auch in den
Anmerkungen selbst, die doch nach der Bersichernng der Verlngshandlung „für
den allgemeinen, Gebrauch" des „großen gebildeten deutschen Publikums" be¬
stimmt sind, ein Streben nach Kürze und Raumersparnis hervortritt, das ent¬
schieden zu weit geht.

Es ist etwas ganz andres, ob man erläuternde Anmerkungen unterm Text
oder ob man sie nach Jacob Grimms Ausdruck „auf einem modernen Beiwagen"
hintern: Text giebt. Im vorliegenden Falle würden wir die Abtrennung der
Anmerkungen vollständig billigen, wenn sichs um eine besonders schön ausge¬
stattete Liebhaberausgabe handelte. In einer Ausgabe, deren Lektüre nicht bloß,
nein deren bloßer Anblick schon ein Genuß sein soll, wäre es ja unerträglich,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/515>, abgerufen am 23.07.2024.