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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutsche Flotte,

wird der Name des Generals von Stosch stets unzertrennlich bleiben. Ein
nationales Verdienst aber hat sich die Admiralität erworben, indem sie in ihren
Lieferungen für die Flotte sich vom Auslande frei gemacht und der heimischen
Industrie Gelegenheit zur Entwicklung frischer Thätigkeit gegeben hat. Trotz
der verhältnismäßig geringen Zahl deutscher Kriegsschiffe ist diese Thatsache in
nationalökonomischer Hinsicht nicht zu unterschätzen. Die Summen, die auf
diese Weise im Lande bleiben, sind sehr bedeutend, wie denn beispielsweise im
Laufe des Jahres 1881 auf den drei Werften Danzig, Kiel und Wilhelmshaven
zusammen 2447 Zivilarbeitcr beschäftigt worden sind und einen Arbeitslohn von
2139279 Mark haben erwerben können, während im Marinectat des Finanz¬
jahres 1882/83 für den Werftbetrieb überhaupt eine Summe von 11006558
Mark eingestellt ist. Der Vaterlandsfreund muß dieses Vorgehen der Admira¬
lität im nationalen Sinne umso freudiger begrüßen, als leider der deutsche
Privatunternehmer sich noch nicht durchgängig zu solchem Standpunkte aufge¬
schwungen hat. So soll der norddeutsche Lloyd bedauerlicherweise neuerdings
wieder eine Zahl größerer Seeschiffe bei einer englischen Werft in Auftrag ge¬
geben haben, und nicht wenige unsrer Leser nehmen mit uns Anstoß daran, daß
sie in einzelnen Städten unsers Vaterlandes an den Pferdebahnwagen noch
immer der Bezeichnung Irg-ava^ oonixg-n^ limitvä begegnen, welche uns fort
und fort hohnvoll daran erinnert, wie wir mit unserm guten Gelde fremder
Spekulation den Säckel füllen.

Dem Ausschusse des Bundesrates für das Seewesen steht eine beratende
Stimme zu. Als oberste Kommando- und Verwaltungsbehörde der kaiserlichen
Marine fungirt dagegen die Admiralität, deren Geschäftskreis alle Angelegen¬
heiten umfaßt, welche sich auf die Einrichtung, Erhaltung, Entwicklung und
Verwendung der Flotte beziehen. Der Chef der Admiralität führt den Ober¬
befehl nach den Anordnungen des Kaisers und leitet die Verwaltung unter der
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers. Ihm steht in den Offizieren und Be¬
amten der Admiralität ein zahlreicher Apparat zur Seite, und in den verschieden
Abteilungen und Dezernaten dieser Behörde laufen die Fäden der militärischen
wie der eigentlichen Marineangelegenheitcn, die gesamte Bauverwaltung, das
Sarnath- und das Kassenwesen, kurz sämtliche Dienstzweige zusammen.

Der Admiralität unterstellt ist auch die deutsche Scewarte in Hamburg,
welche 1868 als Zentralstelle für maritime Meteorologie gegründet und später
zur Reichsanstalt erhoben worden ist. Dem großen Publikum ist sie infolge
der durch tägliche telegraphische Verbindung mit andern ähnlichen Anstalten er¬
möglichten Wetterberichte und Wetterprognosen bekannt; es ist aber wohl über¬
flüssig, besonders hervorzuheben, daß die Thätigkeit der deutschen Seewarte ein
weit ausgebreiteteres Feld umfaßt.

Die Marine ist vollständig als intcgrirender Teil in das Wehrsystem des
deutschen Reiches eingeführt. Ihr Mannschaftsstand ergänzt sich, mit Einschluß


Die deutsche Flotte,

wird der Name des Generals von Stosch stets unzertrennlich bleiben. Ein
nationales Verdienst aber hat sich die Admiralität erworben, indem sie in ihren
Lieferungen für die Flotte sich vom Auslande frei gemacht und der heimischen
Industrie Gelegenheit zur Entwicklung frischer Thätigkeit gegeben hat. Trotz
der verhältnismäßig geringen Zahl deutscher Kriegsschiffe ist diese Thatsache in
nationalökonomischer Hinsicht nicht zu unterschätzen. Die Summen, die auf
diese Weise im Lande bleiben, sind sehr bedeutend, wie denn beispielsweise im
Laufe des Jahres 1881 auf den drei Werften Danzig, Kiel und Wilhelmshaven
zusammen 2447 Zivilarbeitcr beschäftigt worden sind und einen Arbeitslohn von
2139279 Mark haben erwerben können, während im Marinectat des Finanz¬
jahres 1882/83 für den Werftbetrieb überhaupt eine Summe von 11006558
Mark eingestellt ist. Der Vaterlandsfreund muß dieses Vorgehen der Admira¬
lität im nationalen Sinne umso freudiger begrüßen, als leider der deutsche
Privatunternehmer sich noch nicht durchgängig zu solchem Standpunkte aufge¬
schwungen hat. So soll der norddeutsche Lloyd bedauerlicherweise neuerdings
wieder eine Zahl größerer Seeschiffe bei einer englischen Werft in Auftrag ge¬
geben haben, und nicht wenige unsrer Leser nehmen mit uns Anstoß daran, daß
sie in einzelnen Städten unsers Vaterlandes an den Pferdebahnwagen noch
immer der Bezeichnung Irg-ava^ oonixg-n^ limitvä begegnen, welche uns fort
und fort hohnvoll daran erinnert, wie wir mit unserm guten Gelde fremder
Spekulation den Säckel füllen.

Dem Ausschusse des Bundesrates für das Seewesen steht eine beratende
Stimme zu. Als oberste Kommando- und Verwaltungsbehörde der kaiserlichen
Marine fungirt dagegen die Admiralität, deren Geschäftskreis alle Angelegen¬
heiten umfaßt, welche sich auf die Einrichtung, Erhaltung, Entwicklung und
Verwendung der Flotte beziehen. Der Chef der Admiralität führt den Ober¬
befehl nach den Anordnungen des Kaisers und leitet die Verwaltung unter der
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers. Ihm steht in den Offizieren und Be¬
amten der Admiralität ein zahlreicher Apparat zur Seite, und in den verschieden
Abteilungen und Dezernaten dieser Behörde laufen die Fäden der militärischen
wie der eigentlichen Marineangelegenheitcn, die gesamte Bauverwaltung, das
Sarnath- und das Kassenwesen, kurz sämtliche Dienstzweige zusammen.

Der Admiralität unterstellt ist auch die deutsche Scewarte in Hamburg,
welche 1868 als Zentralstelle für maritime Meteorologie gegründet und später
zur Reichsanstalt erhoben worden ist. Dem großen Publikum ist sie infolge
der durch tägliche telegraphische Verbindung mit andern ähnlichen Anstalten er¬
möglichten Wetterberichte und Wetterprognosen bekannt; es ist aber wohl über¬
flüssig, besonders hervorzuheben, daß die Thätigkeit der deutschen Seewarte ein
weit ausgebreiteteres Feld umfaßt.

Die Marine ist vollständig als intcgrirender Teil in das Wehrsystem des
deutschen Reiches eingeführt. Ihr Mannschaftsstand ergänzt sich, mit Einschluß


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[0461] Die deutsche Flotte, wird der Name des Generals von Stosch stets unzertrennlich bleiben. Ein nationales Verdienst aber hat sich die Admiralität erworben, indem sie in ihren Lieferungen für die Flotte sich vom Auslande frei gemacht und der heimischen Industrie Gelegenheit zur Entwicklung frischer Thätigkeit gegeben hat. Trotz der verhältnismäßig geringen Zahl deutscher Kriegsschiffe ist diese Thatsache in nationalökonomischer Hinsicht nicht zu unterschätzen. Die Summen, die auf diese Weise im Lande bleiben, sind sehr bedeutend, wie denn beispielsweise im Laufe des Jahres 1881 auf den drei Werften Danzig, Kiel und Wilhelmshaven zusammen 2447 Zivilarbeitcr beschäftigt worden sind und einen Arbeitslohn von 2139279 Mark haben erwerben können, während im Marinectat des Finanz¬ jahres 1882/83 für den Werftbetrieb überhaupt eine Summe von 11006558 Mark eingestellt ist. Der Vaterlandsfreund muß dieses Vorgehen der Admira¬ lität im nationalen Sinne umso freudiger begrüßen, als leider der deutsche Privatunternehmer sich noch nicht durchgängig zu solchem Standpunkte aufge¬ schwungen hat. So soll der norddeutsche Lloyd bedauerlicherweise neuerdings wieder eine Zahl größerer Seeschiffe bei einer englischen Werft in Auftrag ge¬ geben haben, und nicht wenige unsrer Leser nehmen mit uns Anstoß daran, daß sie in einzelnen Städten unsers Vaterlandes an den Pferdebahnwagen noch immer der Bezeichnung Irg-ava^ oonixg-n^ limitvä begegnen, welche uns fort und fort hohnvoll daran erinnert, wie wir mit unserm guten Gelde fremder Spekulation den Säckel füllen. Dem Ausschusse des Bundesrates für das Seewesen steht eine beratende Stimme zu. Als oberste Kommando- und Verwaltungsbehörde der kaiserlichen Marine fungirt dagegen die Admiralität, deren Geschäftskreis alle Angelegen¬ heiten umfaßt, welche sich auf die Einrichtung, Erhaltung, Entwicklung und Verwendung der Flotte beziehen. Der Chef der Admiralität führt den Ober¬ befehl nach den Anordnungen des Kaisers und leitet die Verwaltung unter der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers. Ihm steht in den Offizieren und Be¬ amten der Admiralität ein zahlreicher Apparat zur Seite, und in den verschieden Abteilungen und Dezernaten dieser Behörde laufen die Fäden der militärischen wie der eigentlichen Marineangelegenheitcn, die gesamte Bauverwaltung, das Sarnath- und das Kassenwesen, kurz sämtliche Dienstzweige zusammen. Der Admiralität unterstellt ist auch die deutsche Scewarte in Hamburg, welche 1868 als Zentralstelle für maritime Meteorologie gegründet und später zur Reichsanstalt erhoben worden ist. Dem großen Publikum ist sie infolge der durch tägliche telegraphische Verbindung mit andern ähnlichen Anstalten er¬ möglichten Wetterberichte und Wetterprognosen bekannt; es ist aber wohl über¬ flüssig, besonders hervorzuheben, daß die Thätigkeit der deutschen Seewarte ein weit ausgebreiteteres Feld umfaßt. Die Marine ist vollständig als intcgrirender Teil in das Wehrsystem des deutschen Reiches eingeführt. Ihr Mannschaftsstand ergänzt sich, mit Einschluß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/461>, abgerufen am 23.07.2024.